Full Ring: Nils Favre eröffnet neuen Sektor in Chironico

An Chironico führt für die meisten, die einen Boulderausflug ins Tessin planen, kein Weg vorbei. Die ohnehin schon beliebte Region hat jetzt nochmal Zuwachs bekommen: Denn der Schweizer Boulderspezialist Nils Favre hat im Frühjahr 2024 gemeinsam mit ein paar Freunden einen neuen Sektor oberhalb des Schattentals eröffnet. Full Ring bietet Besucher*innen derzeit rund 80 Boulder verteilt auf etwa 20 Blöcke – von relativ leicht bis ziemlich schwer. Wer auf die typisch geschliffenen Chironico-Sloper und bleauesque Ausstiege steht, wird hier unabhängig vom Bouldergrad auf jeden Fall glücklich.

Dass es den neuen Sektor überhaupt gibt, ist übrigens ein bisschen dem Zufall geschuldet: Nils‘ Besuch in Chironico war ursprünglich nicht auf die Erschließung neuer Linien ausgelegt, sondern auf Ephyra (8C+) im Schattental. Nach ein paar erfolglosen Sessions begab sich Nils auf der Suche nach Motivation in den höher gelegenen Teil des Gebiets – und stieß auf eine ganze Menge Boulder, die darauf warteten, entdeckt zu werden. Kurz darauf war Nils‘ Motivation für diese neuen Linien größer als die für sein Projekt im Schattental und der Tessin-Trip wurde kurzerhand umdisponiert.

Gute Conditions, kurze Wege

Insgesamt sind die Vorteile des neuen Sektors – abgesehen von der laut Nils erstklassigen Boulderei – auch der Lage des Gebiets geschuldet. Während das Schattental oft länger klamm und feucht bleibt, trocknet Full Ring vergleichsweise schnell und liegt gleichzeitig günstig genug, sodass Besucher*innen auch im Sommer beim Bouldern nicht der Hitzetod ereilt. Freunde der kurzen Wege kommen aufgrund der hohen Boulderdichte, wenn man mal dort ist, ebenfalls auf ihre Kosten.

Ich bin zuversichtlich, dass das Gebiet gut ankommen wird. Es ist wirklich hautfreundlich und die Felsqualität ist extrem hoch, ähnlich wie in Brione. Weil viele Felsen direkt nebeneinander liegen, sind die Wege von Boulder zu Boulder ziemlich kurz. Außerdem trocknet der Fels relativ schnell und eignet sich auch an wärmeren Tagen für eine Bouldersession.

Nils Favre über Full Ring

Full Ring Topo: alle Linien auf 27 Crags

Den aktuellen Topo für Full Ring gibt es derzeit rein digital auf 27 Crags. Langfristig soll der Sektor auch in die gedruckten Führer aufgenommen werden – weil es da aber erst vor kurzem eine neue Ausgabe gab, kann das noch eine Weile dauern.

Das aktuelle Boulderangebot in Full Ring (Screenshot 27crags)

Bis dahin freut sich die Community (und natürlich Nils) über Besucher*innen, die zum digitalen Topo beitragen, die derzeit noch offenen Projekte ticken oder mit neuen Linien weiter zum Gebiet beitragen.

Auf seinem YouTube-Kanal hat Nils ein 30-minütiges Video geteilt, in dem ihr euch einen ersten Eindruck von der Boulderei in Full Ring verschaffen könnt. Transparenzhinweis der kletterszene-Redaktion: Weil das Video auch Nachtsessions enthält, haben wir uns dazu entschieden, zwar auf das Video hinzuweisen, es aber hier nicht zu veröffentlichen.

Richtig bouldern in Chironico: draußen ist keine Boulderhalle

Wir bei Kletterszene überdenken gerade die Art und Weise, wie wir übers Outdoorbouldern berichten – gerade, wenn es in Gebieten stattfindet, die aktuell von zahlreichen Problemen betroffen sind und deshalb Gefahr laufen, gesperrt zu werden. Auch in Chironico kommt es immer wieder zu Konflikten mit Anwohner*innen und Bauern, weil sich Boulder*innen nicht an etablierte Vereinbarungen halten. Uns ist wichtig, dass wir zwar über die Erschließung neuer Gebiete schreiben, aber gleichzeitig die Chance nutzen, um nochmal zu betonen, dass das Verhalten von Einzelpersonen weitreichende Auswirkungen auf den langfristigen Zugang zum Outdoorbouldern haben kann. Die wichtigsten Verhaltensregeln fürs Parken und Übernachten in Chironico findet ihr nochmal hier.

Denn: Draußen ist keine Boulderhalle! Draußen ist keine bezahltes Full-Service-Angebot, draußen sein heißt zu Gast zu sein. Es bedeutet, die Natur unversehrt zurück zu lassen, Müll selbst mitzunehmen, Musik ausschließlich In-/On-Ear zu hören, Anwohner*innen und deren Privatgrund zu respektieren und sich an die lokalen Regeln zu halten. Dazu gehört auch das Unterlassen von Nacht-Sessions, gerade während der Brutzeit.

  • Credits Text Julia Gürster f. kletterszene.com
  • Credits Fotos Nils Favre
  • Beitragsdatum 7. Mai 2024