Bouldergebiet im Tessin von Zugangsverboten bedroht

Mittlerweile dürfte zumindest denjenigen, die schon über viele Jahre Teil der Kletterwelt sind, klar sein, dass das Problem drohender Sperrungen und Zugangsverbote längst nicht mehr an konkreten Einzelfällen, wie aktuell am Beispiel des Val Bavona, zu lösen ist.
Seit Menschen sich sportlich an Felsformationen abarbeiten, gab und gibt es auch immer Konflikte dieser Art. 
Das ist wenig überraschend, vor allem dann nicht, wenn Privatgrund wie Allgemeingut behandelt wird, und das dann auch noch in respektloser Weise, wie im Val Bavona (Tessin) wiederholt geschehen.

Selbst diejenigen, denen es schwerfällt sich vorzustellen, wie es wäre, Grundeigner und Bauer in einem wunderschönen Tal voller appetitlicher Blöcke zu sein, dürften verstehen, warum jemand irgendwann keinen Bock mehr auf Leute hat, die ihm seine Zäune demontieren, Viehgatter offen stehen lassen, ihre Autos ungefragt auf seinem Grundstück parken und die bequeme Direttissima über sein Feld nehmen.
Genau so passiert, an und um einen äußerst beliebten 8a+ Boulder im Val Bavona, an dem sich an besagtem Tag 20 Personen gleichzeitig tummelten.

Unter diesen Umständen fragt man sich als Schreiberin selbst, ob man den Namen dieses Boulders überhaupt nennen möchte, um den Hype nicht noch zu befeuern.

Ja, auch wir als öffentliche Berichterstatter tragen unseren Teil zu der Situation bei. Auch wenn wir Wert darauf legen, längst kein Material mehr von Nightsessions oder Videos mit Bluetooth-Boxen im Hintergrund zu veröffentlichen, trägt unsere Arbeit auch dazu bei, dass bestimmte Gebiete oder Boulder populärer oder überhaupt erst bekannt werden.

Wie also umgehen mit dem Schlamassel?

In unserer Community der Kletterbegeisterten, die sich selbst gerne für ihre offene, tolerante und menschenfreundliche Haltung feiert, sollte grundsätzlich jedem und jeder Einzelnen bewusst sein, dass es einfach extrem großzügig ist, wenn jemand sein Grundstück im Vertrauen auf Rücksichtsvollen Umgang mit diesem Angebot für Fremde öffnet.

Denn das ist keine Selbstverständlichkeit und ein Zeichen von Respekt gegenüber uns und unserem Sport. Wenn wir nicht in der Lage sind, dem ebenfalls mit Respekt zu begegnen, haben wir nichts anderes als Zugangsverbote verdient.

Profisportler werden weiterhin Bild- und Videomaterial ihrer Projekte veröffentlichen, um den Anforderungen ihrer Sponsoren gerecht zu werden.
Ambitionierte Freizeitboulderer werden weiterhin ihren Idolen nacheifern und mit ihren Posts die je nach aktuellem Hype begehrtesten Must-Haves für die eigene Tickliste und das gewünschte Selbstbild in den sozialen Medien präsentieren.
Die Kletterszene und andere Szene-Magazine werden weiterhin über besondere Routen und außergewöhnliche Talente berichten.
Daran auch weiterhin Spaß zu haben, schließt aber nicht aus, sich dabei der Konsequenzen dieser Veröffentlichungen bewusst zu sein und das eigene Handeln zu hinterfragen.

Denn Draußen ist keine Boulderhalle. Die Natur ist kein Anbieter irgendeiner Dienstleistung, für die wir bezahlt haben: Sie gehört uns nicht. 
Wir sind in ihr genauso zu Gast, wie wir es auf privaten Grundstücken sind.
Verhalten wir uns so, dass wir jederzeit gerne wieder eingeladen würden, wird die Party mit etwas Glück weiterhin stattfinden und wir dürfen daran teilhaben.
Tun wir das nicht, müssen wir damit leben, dass die Zeiten, in denen man zu so unglaublich vielen großartigen Felsen in so wunderschöner Landschaft Zugang hat, vorbei sind.

Um eine Sperrung des aktuell im Val Bavona betroffenen Gebiets abzuwenden, müssen ab sofort von allen Kletternden die folgenden Regeln eingehalten werden:

1. Parken ist nur innerhalb der offiziell gekennzeichneten Parkzonen gestattet

  • Fürs Klettern in und um Sonlerto (Off the Wagon, Fight Club, Mate y Moka usw.) Fahrzeuge beim Parkplatz im Dorf abstellen. Bitte das private Parkfeld bei der Treppe zu Off the Wagon nicht verwenden!
  • Für Gebiete in der Nähe von San Carlo die Parkplätze in San Carlo benutzen.
  • Für die restlichen Gebiete im Tal muss zusammen mit den lokalen Behörden eine zufriedenstellende Lösung gefunden werden. Bis dahin gilt: Vorher fragen, wenn ihr irgendwo parkt. Falls euch jemand bittet, euer Fahrzeug wegzustellen, macht dies bitte diskussionslos.

2. Auf Feldern von Bauern darf weder geparkt werden, noch dürfen diese betreten werden

3. Es ist untersagt, private Zäune oder Teile davon zu demontieren

4. Das Übernachten im Bus/Camper ist im Val Bavona verboten

  • Im Val Bavona gilt – wie im gesamten Tessin – grundsätzlich ein Campingverbot. Es wird derzeit mit den lokalen Behörden daran gearbeitet, einen Bereich zu definieren, wo es erlaubt sein soll.
  • Bis dahin benutzt bitte vorhandene Unterkünfte. Es gibt Hostels und Hotels in Cevio, im Val Bavona bietet das Mate y Moka günstige Übernachtungsmöglichkeiten an.

5. Abfälle wieder mitnehmen

  • Bitte nehmt Abfälle nach eurem Aufenthalt im Val Bavona wieder mit.
  • Die Müllcontainer im Tal sind über den Winter geschlossen.
  • Wenn diese im Frühling und Sommer geöffnet sind, müssen offizielle Gebührensäcke der Gemeinde verwendet werden. Diese können in lokalen Supermärkten gekauft werden.