Die Deutsche Meisterschaft Bouldern:
Spannendes Finale und Kritik am Routenbau, Hannah Meul und Philipp Martin holen sich Gold
Es dauerte einen kurzen Moment, bis Philipp Martin endgültig realisiert hatte, was gerade geschehen war. Dann entlud sich seine Anspannung in einem lauten Freudenschrei. Der 25-Jährige Boulder-Vizemeister des Vorjahres hatte den vierten Finalboulder geflasht – und sich damit Gold geholt: Philipp Martin ist der neue Deutsche Meister im Bouldern.
Philipp: „Ich bin zum ersten Mal nicht Zweiter und ich freue mich natürlich riesig, den ersten Platz gemacht zu haben. Aber es ist einfach eine komische Situation, alleine schon wegen der fehlenden Zuschauer und der Stimmung. Ich bin in diesem Jahr bei vielen Wettkämpfen gestartet und habe mir ernsthaft überlegt, ob ich hier überhaupt teilnehme. Dieses Mal aber wollte ich gewinnen, ich habe mich deshalb schon unter Druck gesetzt – ich habe extrem viel Ehrgeiz. Die Quali war für mich eine gute Runde, mit dem Halbfinale war ich dann aber nicht mehr so zufrieden und bin als Sechster und Letzter ins Finale gekommen. Ich wollte den Wettkampf aber unbedingt gut zu Ende bringen – und ich wusste beim vierten Boulder natürlich, dass ich ihn unbedingt toppen musste.“
Alles war anders, nichts war bei der diesjährigen Deutschen Meisterschaft Bouldern wie in den Jahren zuvor.
In Zeiten von Corona und Social Distancing mussten die Athleten ihre Boulder selber putzen, die Zuschauer fehlten, ein Mund-Nasen-Schutz musste getragen werden und Umarmungen oder Händeschütteln waren tabu. Etwa 70 Athletinnen und Athleten waren nach Augsburg gereist, um bei dem ersten nationalen Wettkampf des Jahres zu sehen, wo sie stehen – und um den Einzug ins Finale und um eine Medaille zu kämpfen. Dort trafen die sechs besten Damen und Herren aus den beiden Vorrunden aufeinander.
Das Finale war extrem spannend: bis zum Schluss war offen, wer an diesem Tag gewinnen würde. Phillip, der als letzter Starter aus der Vorrunde erster im Finale war, reichten zwei Tops und drei Zonen zum Sieg. Als er den Topgriff des letzten Boulders in der Hand hielt, war klar, dass ihn niemand mehr schlagen konnte. Chris Schweiger, der 18-jährige Ingolstädter und Dritter nach dem Halbfinale, hatte zwar auch zwei Tops und drei Zonen, allerdings in mehr Versuchen. Er gewann Silber. Bronze holte sich Max Kleesattel, Zweitplatzierter nach dem Halbfinale. Zwei Zonen in zwei Versuchen reichten bereits für diesen Platz.
Auch bei den Damen war es erst der letzte Boulder, der über die Meisterschaft entschied. Hannah Meul, die 19-jährige Kölnerin, die erst zwei Tage zuvor Bronze beim EYC Lead in Augsburg gewonnen hatte, zeigte auch beim Bouldern, wie stark sie momentan ist. Sie hatte sich im Halbfinale alle vier Tops geholt und lag vor der Chemnitzerin Lucia Dörffel knapp in Führung.
Hannah konnte dann im Finale den zweiten Boulder toppen, in den beiden anderen erreichte sie die Zone. Sie wusste, dass sie den letzten Boulder machen musste, um zu gewinnen. Hannah zeigte großes Kino, blieb cool und holte sich Boulder Nummer vier im ersten Versuch, was für sie Gold bedeutete. Florence Grünewald präsentierte sich in sehr starker Form, sie wurde Vizemeisterin. Den dritten Platz belegte Lucia.
Hannah Meul: „Ich bin einfach überwältigt. Das war sehr spannend bis zum Ende. Ich wollte unbedingt noch einmal zeigen, was ich draufhabe. Ich habe es einfach versucht und es hat geklappt, ich konnte den vierten Boulder flashen. Ich bin einfach überglücklich, dass ich gewonnen habe. Besser hätte diese Woche für mich nicht laufen können: Nach Bronze beim EYC Lead jetzt auch noch Gold bei der Deutschen Meisterschaft.“
Das Ergebnis bei den Damen habe ihn etwas erstaunt, sagt Bundestrainer Urs Stöcker.
„Afra (Hönig) ist momentan eigentlich sehr stark, aber vielleicht hat sie sich zu sehr unter Druck gesetzt. Aber das war umso erfreulicher für die jungen Wilden, die zeigen konnten, was sie draufhaben. Dass Hannah (Meul) über so viele Tage hinweg die Spannung halten konnte, ist sehr bemerkenswert. Hannah hat verdient gewonnen und über alle Runden eine sehr gute Leistung gezeigt. Das war beeindruckend. Sie ist eine sehr begabte Kletterin… und sicher hat sie ihre Medaille beim EYC sehr beflügelt. Positiv überrascht hat mich auch Florence (Grünewald), die einen sehr starken Auftritt hatte. Bei den Herren zählte Philipp (Martin) für mich schon zum Favoritenkreis, er zeigte bei den Austria Climbing Summer Series und anderen Wettkämpfen, die es in diesem Jahr gab, eine sehr solide Leistung. Chris (Schweiger) hatte ich auch auf dem Schirm, ich hätte ihm auch den Sieg zugetraut, aber er hatte im Finale einige Patzer. Die beiden ganz großen Favoriten, Jan (Hojer)und Alexander (Megos), haben allerdings gefehlt. Die gönnen sich vor den Olympischen Spielen 2021 gerade ein Wettkampf-Sabbatjahr.“
Anmerkungen zum Routenbau der Finalboulder gab es schon kurz nach dem Wettkampf. So sagte der neue Deutsche Philipp Martin , dass das Finale eine „komische Runde mit sehr ausgefallenen Bouldern“ gewesen sei. Später schrieb er noch auf Insta, er habe Angst gehabt, sich im Finale zu verletzen. Bundestrainer Urs Stöcker fand die Boulder im Finale „außerordentlich experimentell“. „Das war gewagt von den Routenbauern.“ Für ihn zumindest seien die Vorrunden passender gewesen, sagt er. Chefroutenbauer Dirk Uhlig dagegen ist der Meinung, dass man das Feld gut getroffen habe. „Auch mit dem Finale bin ich zufrieden“, sagte Dirk. „Einzelne Boulder wurden von verschiedenen Kletterern getoppt. Sie sind also gut durchgemischt gewesen.“ Ein Insta-Post von Yannick Flohé, dem Viertplatzierten, in dem dieser heftig die Finalboulder kritisierte, entfachte eine heftige Diskussion. An dieser beteiligten sich unter anderem auch Alma Bestvater und Afra Hönig.
Ergebnisse der Deutsche Boulder Meisterschaft 2020
Damen:
1 MEUL Hannah
2 GRÜNEWALD Florence
3 DÖRFFEL Lucia
4 BESTVATER Alma
5 HÖNIG Afra
6 WIENAND Roxana
7 HOPFENSITZ Sandra
8 PONGRATZ Hannah
…weiterlesen…
Herren:
1 MARTIN Philipp
2 SCHWEIGER Christoph
3 KLEESATTEL Max
4 FLOHÉ Yannick
5 VON FREIER Lasse
6 MARSCHNER Kim
7 SCHMIEG Stefan
8 ARRIAGADA KRÜGER Elias
…weiterlesen…