„Wenns läuft, dann läufts“ – Eva Hammelmüller im Interview

Die Ticklist, die Eva Hammelmüller aus dem spanischen Oliana mitbrachte, ist – vorsichtig gesagt – beeindruckend. Die 24-jährige Österreicherin war im Februar im absoluten Abzockmodus unterwegs: Insgesamt 13 Touren im Franzosengrad 8b und schwerer hat sie in etwa 14 Tagen geklettert, darunter drei 8c+-Routen und zwei 9a´s. Eva, die seit einigen Jahren in Innsbruck lebt und dort Sport studiert, klettert, seitdem sie acht Jahre alt ist. Sie nahm schon als Jugendliche erfolgreich an Wettkämpfen teil, 2022 holte sich die eigentliche Leadspezialistin einen Europacup-Sieg im Bouldern, beim Lead-Weltcup hat sie einige Top-15-Platzierungen. Zuletzt machte sie aber immer wieder mit schweren Begehungen am Fels auf sich aufmerksam. Ihre erste 8c+ / 9a – Underground – punktete sie schon 2021, im vergangenen Herbst legte sie dann noch eins drauf und kletterte mit Hades ihre erste 9a.
Eva, hast du dich mit dem Oliana-Trip selber überrascht?

Auf jeden Fall. Mein eigentliches Ziel war, mir eine bestimmte 9a, Esclatamàsters, anzuschauen und bestenfalls auch zu klettern. Das ist dann schneller als gedacht gegangen – und dann wollte ich Oliana halt auschecken. Wir waren insgesamt etwa zwei Wochen dort und es lief richtig gut… das ist einfach alles so gut aufgegangen. Das Mindset, eine positive Einstellung, spielten natürlich auch eine Rolle. Dass es dann aber so erfolgreich wird, hatte ich zuvor echt nicht gedacht… ´wenns läuft, dann läufts`, sagen wir in Österreich (lacht).
Du warst das erste Mal in Oliana: lag dir die Kletterei?
Absolut. Das ist immer auch eine Frage, wie einem die Kletterei taugt – und Oliana mit den sehr langen Routen, in denen Ausdauer notwendig ist, liegt mir definitiv. In den Wintermonaten habe ich vor allem Maximalkraft trainiert, ich war vor allem bouldern und habe kaum Leadrouten gemacht. Vor Oliana waren wir dann noch ein paar Tage in Frankreich, dort konnte ich zumindest ein bisschen meine Ausdauer verbessern und die ist bei mir dann zum Glück auch schnell wieder da. In Spanien waren dann die Bedingungen am Anfang nicht wirklich optimal, es war richtig kalt und nebelig. Das hat sich dann zum Glück aber wieder geändert.
2024 hast du Hades geklettert – dein erste 9a. War das für dich ein Meilenstein?
Ja, das würde ich schon sagen. Ich habe die Route 2021 das erste Mal probiert, die war damals für mich aber noch viel zu schwer. 2024 hatte ich dann sechs Sessions in Hades und machte bei jeder gute Fortschritte. Für mich war es wichtig, gerade diese Route zu klettern, weil sie eigentlich gar nicht mein Stil ist. Hades ist eine sehr steile Route, eine volle Kraftausdauertour. Das Gegenteil von dem, was ich eigentlich kann. Es war für mich extrem wichtig und extrem cool, diese Tour zu klettern. Hades war für mich aber auch wichtig, weil ich mit dieser Route die Erfahrung gemacht habe, dass es genauso geht, eine 9a wie eine 8c+ zu klettern. Dass das möglich ist und dass ich vor diesem Grad nicht mehr so viel Respekt haben muss.
Im High-End-Bereich sind momentan noch immer mehr Männer als Frauen unterwegs. Weil viele, auch sehr starke Kletterinnen, eben doch noch zu viel Respekt davor haben?
Also es gibt noch immer mehr Männer als Frauen, die sehr schwere Touren probieren. Weil sich viele Frauen das wahrscheinlich nicht zutrauen, zögerlich sind beim Verschieben von Grenzen. Aber es wird immer besser – finde ich zumindest. Ich sehe inzwischen immer mehr Kletterinnen in steilem und sehr kräftigem Gelände. Das befindet sich im Wandel, die jungen Kletterinnen haben schon eine ganz andere Einstellung.





Was ist für dich der Schlüssel zum Erfolg?
Das Wichtigste ist, Spaß an der Sache zu haben. Den Prozess zu genießen, also den Weg zum Erfolg zu genießen. Freude am Training zu haben – und sich große Ziele setzen. Für mich ist es auch wichtig, beim Klettern nette Menschen um mich zu haben, Gaudi am Fels und keinen Druck zu haben. Es ist nicht immer das Wichtigste, eine Route zu ticken.
Deine Priorität hat sich in den vergangenen Jahren vom Plastik hin zum Fels verschoben, oder?
Momentan liegt meine Priorität sicher mehr auf dem Fels. Aber derzeit laufen bei uns die Selektionen für die Weltcups und je nachdem, wies läuft, kann sich das bald wieder ändern… also wenn ich mich qualifiziere, werde ich mich natürlich in der Halle für die Wettkämpfe vorbereiten. Da wird dann der Fokus wechseln. Bei den Wettkämpfen ist für mich das Reizvolle, mich messen zu können. Dafür sind Wettkämpfe für mich aber nicht so entspannt, also ich bin da schon sehr nervös. Falls ich mich nicht qualifiziere, werde ich eben mehr Felsklettern gehen – da hängt mein Herz eh mehr dran.
Der Routenbau war zuletzt immer wieder in der Kritik, gerade beim Bouldern… was sagst du?
Also mir taugt er voll. Ich mag das Koordinative und ich springe auch gerne. Beim Wettkampf sollte es jetzt natürlich nicht nur ein Rumspringen sein, aber dynamisch darfs schon sein… ich finde die Entwicklung grundsätzlich gut. Der aktuelle Routenbau ist cool. Am Ende des Tages sollte dann aber schon die Fittesten auf dem Treppchen stehen.
Welche großen Ziele hast du? Olympische Spiele?

Boah, Los Angeles ist 2028, da sehe ich mich zum jetzigen Zeitpunkt eher am Fels. Aber mal schauen, wie es kommt. Vielleicht ändert sich das ja auch noch…
Wie trainierst du momentan? Und gehört auch mentales Training dazu?
Momentan viel Maximalkraft, also viel bouldern. Daneben Kraftausdauer. Spezifische Kraftübungen, Zugübungen und Campushangelübungen stehen momentan auf dem Trainingsplan. Daneben habe ich sehr viel Ausgleich durch mein Sportstudium. Mit Mentaltrainern arbeite ich eigentlich nur vor Wettkämpfen, also wenn ich das Gefühl habe, dass das notwendig ist. Aber ich visualisiere viel zuhause.
Was sind deine Stärken und Schwächen?
Stärken sind Technik und Taktik, ein effizienter Kletterstil, Ausdauer und eine große Motivation. An meiner Zugkraft muss ich dagegen noch arbeiten und die Maxkraft und Fingerkraft zählen auch zu meinen Schwächen. Bei langen Griffhaltezeiten im steilen Gelände tue ich mich schwer.
Du kletterst schon sehr lange auf sehr hohem Niveau. Wie motivierst du dich?
Das ist für mich eigentlich kein Problem, ich klettere und trainiere gerne. Wenn ich mich sehr müde fühle, zwinge ich mich aber nicht zum Training, dann mache ich Pause und lasse eine Session ausfallen… das ist definitiv besser.
Du hast vorhin gesagt, dass du schon als Kind mit dem Klettern angefangen hast. Wie kamst du dazu?
Ich habe als Vierjährige bei einem Pfarrfest in unserem Ort eine mobile Kletterwand entdeckt und wollte unbedingt da hochklettern. Das durfte ich aber noch nicht, mit vier Jahren passte ich nicht in den Gurt. Zwei Jahr später konnte ich es dann endlich ausprobieren und mit acht Jahren habe ich angefangen. Ich klettere jetzt also schon seit 17 Jahren und kann mir ein Leben ohne Klettern nicht vorstellen. Ich denke, es wird mehr oder weniger immer Teil meines Lebens sein. Ich bin jetzt auch schon beim Bouldern als Routenschrauberin tätig, auch das macht mir Spaß.
Eva, wie geht’s weiter? Welche Pläne hast du für 2025 und überhaupt – denkst du an eine Kletterprofi-Karriere?
Dieses Jahr stehen die Weltcups an, für die ich mich qualifiziere. Beim Weltcup in Innsbruck darf ich fix an den Start gehen, das weiß ich schon – ob ich auch in China und Bali dabei sein werde, erfahre ich erst noch. Und natürlich werde ich viel Felsklettern, ich habe noch ein paar Routen im Bereich 9a offen. Ich werde hoffentlich spätestens im Winter wieder einen Monat nach Spanien fahren können. Papichulo, eine 9a+ in Oliana, würde mich echt reizen, die würde ich mir sehr gerne anschauen. Langfristig gibt es bei mir noch keine konkreten Pläne, aber ich habe Ideen. Ich trainiere jetzt schon das Jugendteam mit, das gefällt mir super, ich könnte mir gut vorstellen, das zukünftig auszubauen. Erst einmal muss ich aber mein Studium beenden: in zwei Jahren werde ich mit meinem Master fertig sein.
Video-Link: https://youtu.be/orVGoafNBik?si=Xd21wkdcgeCOmjiD