Die jungen Wilden im Interview [Philipp Gaßner]
Starke Leute, die cool drauf sind, motivieren mich, sich selbst noch mehr zu pushen.
sagt Philipp Gaßner
Der Kopf ist der Schlüssel zum Erfolg
Er klettert, seitdem er sechs Jahre alt ist. Angefangen hat Philipp Gaßner am Plastik in der Halle, inzwischen ist der 20-Jährige vor allem am Fels unterwegs. Mit neun Jahren kletterte der heute 20-Jährige seine erste 7c, ein Jahr später dann seine erste 8a+. Er habe sich immer Ziele gesetzt, sagt Philipp. In den folgenden Jahren ging es dann zwar nicht mehr jedes Jahr um einen Grad nach oben, aber er steigerte sich kontinuierlich. Im vergangenen Dezember fiel in seinem Hausgebiet Kochel seine bislang härteste Route: „Marsupilami“ (9a).
Ks.com: Kurz vor Jahresende hast du mit „Marsupilami“ noch eine richtig schwere Tour rausgehauen… wolltest du dir nach diesem Corona-Jahr voller Einschränkungen zeigen, dass es geht?
Philipp Gaßner: Marsupilami war an diesem Tag quasi überfällig. Ich bin zuvor schon einmal nach der Crux gefallen und mein Ziel war einfach, die Tour ganz zu klettern – weil ich das ja konnte und es auch wusste. Die Bedingungen waren an diesem Tag Mitte Dezember zwar nicht wirklich optimal, aber es hat dann doch gerade noch so gereicht.
War das schon lange dein Projekt?
Ich habe im vergangenen Frühjahr das erste Mal ernsthaft in die Tour reingeschaut. Aber ich habe mir damals nur die Züge ausgebouldert, das ist eine sehr komplexe Route. Nach dem ersten Lockdown war ich dann in anderen Touren und habe die probiert. Im späten Herbst war ich dann noch mal fünf Tage in Marsupilami und habe jeweils drei Versuche gesetzt. Jeden Tag gab es einen kleinen Fortschritt, das war sehr gut zu sehen. Nach 15 Versuchen wusste ich, wie ich die Tour klettern kann und ich wollte sie noch unbedingt machen, bevor es endgültig zu kalt wurde. Dass es wirklich geklappt hat, hat mich sehr gefreut.
War „Marsipulami“ dein Highlight 2020?
Ja, auf jeden Fall. Marsupilami ist die wahrscheinlich härteste Tour im Kochel, das ist eine hervorragende Linie, und ich wollte sie schon seit Längerem machen. Der Tag war richtig cool. Toni Lamprecht, der Erstbegeher, war auch da. Ich konnte als vierter Kletterer die Tour machen und ich glaube, es hat Toni gefreut zu sehen, dass nun die nächste Generation sie wiederholt.
Du warst im Sommer und Herbst sehr lange in Ceüse: War es gerade im vergangenen Jahr ein Luxus, so lange am Fels sein zu können?
Ich war zwei Monate dort und es war geil, nach dem Lockdown im Frühling wieder so lange wegfahren zu können. Ich bin schon oft länger unterwegs gewesen, aber dieses Mal habe ich es mehr genossen als sonst. Für mich ist Ceüse im Vergleich zu vielen anderen Klettergebieten über den Durchschnitt. Es gibt dort den besten Fels, den ich kenne, es ist ein sehr beeindruckender Felsriegel. Außerdem ist die Lage so weit oben auch total geil, es ist etwas ganz Besonderes.
Im vergangenen Spätsommer war Ceüse das Mekka der Kletterer… war das eine ganz besondere Atmosphäre?
Wir waren eine Zeit lang zu acht in Ceüse. Aber es wird einem nie langweilig, weil man immer neue Kletterer kennenlernt. Man trifft dort Leute aus aller Welt, befindet sich unter Gleichgesinnten. Man probiert harte Routen, tauscht sich aus, kocht gemeinsam Abendessen… das macht für mich – neben dem Erfolg und Leistung – das Felsklettern aus. Das ist aber nicht nur in Ceüse so, sondern eigentlich überall auf der Welt.
Alex Megos hat in Ceüse im August „Bibliographie“ geklettert: Pusht einen so eine Leistung?
Also ich war da nicht dabei, ich war an diesem Tag in einem anderen Sektor. Aber klar, starke Leute, die cool drauf sind, motivieren natürlich, sich selbst noch mehr zu pushen. Alles aus sich selbst herauszuholen. Das bringt einen schon dazu, über sich selbst herauszuwachsen, noch härter anzureißen – und selbst wenn man denkt, jetzt geht es nicht mehr, doch noch einen Zug zu machen…
Wir haben bis jetzt nur vom Felsklettern gesprochen. Hast du auch Ambitionen am Plastik – also Interesse am Wettkampfklettern?
Ich war als Jugendlicher bei ein paar Wettkämpfen dabei und könnte mir inzwischen schon vorstellen, wieder mal bei Wettkämpfen zu starten. Das wäre eine gute Abwechslung und man lernt neue Leute kennen. Fürs Felsklettern würde es mir sicher auch etwas bringen. Beim Wettkampf geht es darum, auf den Punkt genau einfach alles aus sich herauszuholen. Einfach bis zum Allerletzten zu fighten – und das ist, was mir am Fels manchmal fehlt. Diese Einstellung.
Der Kopf spielt bei jedem eine unterschiedliche Rolle, ist aber der Schlüssel zum Erfolg – bei mir zumindest ist er entscheidend.
Seit November haben wir wieder Lockdown. Wie trainierst du?
Also am Wochenende bin ich, wenn es irgendwie wettermäßig geht, zumindest einen Tag draußen zum Bouldern. Ansonsten habe ich zuhause eine kleine Wand und einen Beastmaker zum Trainieren. Das ist zwar etwas einseitig und nicht das Gleiche, wie mit anderen zusammen trainieren zu können. Es nervt schon, dass man sich kaum treffen und gemeinsam wegfahren kann. Aber ich trainiere trotzdem relativ gerne, es ist einfach ein gutes Gefühl, wenn man abends ins Bett geht.
Welche Pläne hast du für 2021?
Puh, noch keine konkreten – ich weiß ja nicht, ob die umsetzbar sind, ich werde wohl eher improvisieren. Ich denke, dass ich mir jetzt erst mal Projekte hier in der Nähe suchen werde, also im Kochel oder im Voralpenland. Bis Sommer wird es ja wahrscheinlich nichts werden mit dem Wegfahren. Die Freude wird dann umso größer sein, wenn man wieder sein normales Leben hat.