„Nahziel ist, in der Weltspitze mitmischen zu können“ – Anna Apel im Interview

Zweimal war es ganz knapp in diesem Jahr, zweimal schrammte Anna Apel mit Platz 8 an einem Boulder-Weltcupfinale nur knapp vorbei. Vor kurzem wurde Anna 19 Jahre alt, die junge Münchnerin macht momentan ein Freiwilliges Soziales Jahr beim DAV – und konnte in den vergangenen Monaten mehr Zeit ins Klettern investieren. Das hat sich ausgezahlt. Erst vor ein paar Tagen stand Anna bei der Deutschen Meisterschaft Lead ganz oben auf dem Treppchen und holte sich nach Bouldern ihren zweiten Deutschen Meistertitel in diesem Jahr. 

Ines Dull, die Trainerin des Bayernkaders, die derzeit in Elternzeit ist, kennt Anna schon seit vielen Jahren: „Anna ist eines der größten Talente, das ich begleiten durfte. Sie ist sehr diszipliniert und hat einen großen Perfektionismus“, sagt Ines. Anna habe ein unglaubliches Bewegungsgefühl. Und sie habe gelernt, nicht nur von ihrem Talent zu leben, sondern auch richtig zu trainieren. „Ich sehe bei Anna ein riesiges Potenzial“, sagt Ines. Sie ist sich sicher, dass Anna den Durchbruch schaffen kann – und zukünftig auch auf der internationalen Bühne auf dem Treppchen zu finden sein wird. 

Anna, wie bist du zum Klettern gekommen?

Über meine Eltern, die klettern auch beide und die haben mich schon früh mit an den Fels genommen – das erste Mal war ich drei Jahre alt. Dann kam ich in ein Kinderklettern in München, das hat mir von Anfang an richtig viel Spaß gemacht. Ich hatte auch schon damals großen Ehrgeiz und bin dann erst in die Wettkampfkletter-Gruppe der Sektion gekommen, später dann in den Bayernkader. Seit 2020 bin ich im Bundeskader.

Und wann hast du deinen ersten Wettkampf geklettert?

Das war bei der Gilchinger Stadtmeisterschaft, ich war damals sieben Jahre alt. Am Anfang lief es gar nicht so besonders gut in den Wettkämpfen, also ich habe nicht von Beginn an gewonnen oder vorne mitgemischt. Ich habe mich dann peu à peu hochgearbeitet. Irgendwann dann kam das erste Finale, dann der erste Platz. Das war bei mir ein linearer Aufstieg und nicht von Null auf Hundert.

Was waren bislang deine größten Erfolge? 

Also in diesem Jahr hatte ich meine bislang beste Saison. Zweimal Top Ten bei den Weltcups in Innsbruck und Prag. Und der deutsche Meistertitel beim Bouldern und jetzt auch noch beim Lead sind mir auch sehr viel wert. Das ich mir das Double holen konnte, freut mich schon sehr. Ich habe mich aber auch riesig über die Bronzemedaille bei der Jugendweltmeisterschaft in China im Bouldern gefreut und über den ersten Platz beim Jugendeuropacup Bouldern in Soure.

Wie ist das eigentlich, gemeinsam mit Stars wie Janja Garnbret, Brooke Raboutou oder Natalia Grossmann in der Iso zu sein?

Das ist schon beeindruckend, neben Janja, einer meiner größten Idole, zu stehen und bouldern zu dürfen. Ein bisschen beängstigend. Ich starte jetzt aber auch schon seit drei Jahren bei Weltcups, ich bin inzwischen in diese Welt reingewachsen und fühle mich dort wohler. Wahrscheinlich lief es in diesem Jahr deshalb auch besser für mich. Und es ist natürlich ein gutes Gefühl, dass ich auch schon ein bisschen vorne mitspielen kann. In Innsbruck lag ich nach der Quali ja sogar auf Platz 1 – vor Janja… irgendwie irreal.

Was ist für dich der Reiz am Wettkampfklettern? Ist es der Vergleich?

Im Training denke ich nur ans Klettern, ich brauche gar nicht den Vergleich, um mich zu motivieren. Im Wettkampf habe ich dann einfach eine große Freude, da zu sein, performen zu dürfen. Ich vergleiche mich dann auch gar nicht mit den anderen Kletterinnen, sondern versuche einfach, das Beste zu geben. 

Wie oft trainierst du?

Also ich investiere schon sehr viel Zeit ins Klettern, ich trainiere an fünf Tagen in der Woche… manchmal auch mit einer Session am Morgen und einer am Abend. Insgesamt sind es etwa 30 Stunden wöchentlich. Ich merke meistens gar nicht, wie die Zeit vergeht, ich habe einfach Spaß am Klettern und am Trainieren. Es ist eher so, dass die Trainer mich ein bisschen bremsen müssen.

Hast du Vorbilder? Du hast vorhin ja erwähnt, dass Janja ein großes Idol für dich ist…

Ich finde bestimmte Kletterstile bei Kletterinnen cool und nehme sie mir als Vorbild. Früher war das Brooke Raboutou, seit diesem Jahr ist es die Japanerin Mao Nakamura. Sie hat immer ein Lachen auf dem Gesicht und kann die Zuschauer mit ihrer positiven Art mitreißen. Außerdem hat Mao eine sehr gute Technik und kann trotz ihrer eher geringen Körpergröße vieles mit ihrer eigenen Beta lösen.

Lead oder Bouldern?

Beides total gerne, beides macht total Spaß – ich kann mich da nicht entscheiden. Beim Lead hats im Wettkampf aber noch nicht zu hundert Prozent hingehauen, vielleicht auch, weil mein Fokus da bislang eher beim Bouldern lag. 

Was sind deine Stärken – und was sind deine Schwächen?

Eine Stärke von mir ist das Plattenklettern. Eine andere ist, dass ich inzwischen auch mental stabil bin, ich konnte bei Wettkämpfen viele Erfahrungen sammeln und bin dort inzwischen sehr routiniert und nicht besonders nervös. Schwächen sind bei mir Toehook-Boulder, da bin ich nicht so gut, und bei den steilen Bouldern, den Dachbouldern, tue ich mich auch manchmal schwer.

Wie gehst du mit Niederlagen um? 

Ich habe da keine Strategie, aber ich komme ganz gut damit klar. Meistens ist es so, dass bald nach einem Wettkampf schon der nächste kommt, und ich die Chance habe, es besser zu machen. Ich bin ja auch noch sehr jung, habe noch viel Zeit… mich wegen einem schlechten Wettkampf fertigzumachen, bringt nichts. Außerdem kann man auch von einem schlechten Wettkampf profitieren – also viel daraus lernen.

Was sind deine großen Ziele? Bei Olympischen Spielen zu starten?

Ja, das ist natürlich ein ganz großes Ziel, aber eher eines in der Zukunft – von Olympia träumt wahrscheinlich jeder Spitzensportler. Ich habe aber noch ganz viele andere Ziele: Nahziel ist, im Weltcup-Finale mitzuklettern, in der Weltspitze mitmischen zu können. Und ich würde sehr gerne bei der Weltmeisterschaft bei den Erwachsenen starten und dort eine Medaille holen.

Ist der Fels für dich auch ein Thema?

Auf jeden Fall. Die Saison ist ja zu Ende, in den nächsten Wochen und Monaten möchte ich dann auch wieder öfters am Fels klettern. Das hilft mir sehr, den Kopf freizubekommen.

Gehst du dann eher bouldern oder bist du mit dem Seil unterwegs? Und hast du Lieblingsgebiete?

Am Fels bin ich nur mit Seil. Lieblingsgebiete sind Osp in Slowenien, Rottachberg im Allgäu und Arco, das mag ich auch sehr.

Was machst du eigentlich, wenn du mal nicht kletterst?

Viele verschiedene Sachen, ich bin gerne draußen und in den Bergen unterwegs. Ich bin aber auch gerne kreativ, nähe, male und ich lese oder gehe ins Kino.

Anna, du stehst ganz am Anfang deiner Karriere: Wie geht es weiter mit dir, denkst du daran, Profikletterin zu werden?

Also ich habe in meinem freiwilligen sozialen Jahr mehr Zeit fürs Klettern gehabt und werde das ja auch ab November haben, wenn ich bei der Bundeswehr in der Spitzensport-Fördergruppe bin. Momentan macht mir das Klettern unglaublich Spaß… und ich denke schon darüber nach, Profikletterin zu werden. Aber ich möchte mir auf jeden Fall noch ein zweites Standbein aufbauen, ein Studium oder eine Ausbildung machen. Ich möchte nicht alles auf eine Karte setzen – und denke auch an die Zeit nach dem Klettern.