Knatsch am Fels – Klettercoaching für Paare [Aletta Bunge im Interview]

Lebe lieber ungewöhnlich“ und: „Wer immer tut, was er schon kann, wird immer sein, was er schon war“. Das ist das Lebensmotto von Aletta Bunge. Das Klettern war schon seit 2012 Bestandteil ihres Lebens, sie war davon nicht nur angefixt, es hat ihr Leben komplett verändert. Die 34-Jährige ist eigentlich Physikerin, hat dann aber nach ihrem Studium bei einer einjährigen Auszeit beschlossen, einen anderen Weg zu gehen: Sie hat ihre Leidenschaft, das Klettern, zu ihrem Beruf gemacht. Inzwischen lebt Aletta in Innsbruck und verdient ihr Geld als Sportkletterlehrerin und systemische Beraterin – unter anderem bietet sie auch ein Klettercoaching für Paare an… und wer selbst einen kletternden Partner hat, weiß wahrscheinlich, wieso das notwendig sein kann…  

Aletta, wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, dieses Coaching anzubieten?

Einerseits wegen meiner eigenen Erfahrung – und dann habe ich am Fels oft Paare beobachtet, bei denen schlechte Stimmung herrschte, bei denen rumgemeckert oder sogar gestritten wurde…. Ich habe da immer gleiche Muster erkannt.

Wieso streiten sich denn Paare am Fels so oft?

Es kann sein, dass es schon im Alltag Themen gibt, die dann mit zum Klettern genommen werden und dann durch die Emotionen beim Klettern noch mehr hervortreten. Außerdem fehlt in einer Beziehung die emotionale Distanz, die Nähe ist sehr groß. Am Fels ist man stark mit sich selbst beschäftigt, wird mit den eigenen Ängsten und Grenzen konfrontiert. Wenn dann jemand dabei ist, der einem nahesteht, ist es oft schwierig, das zu kommunizieren – man überträgt die Emotionen leicht auf den Partner. 

Bei einem Kletterkumpel wird auch nicht gleich rumgemotzt, wenn nicht perfekt gesichert wird, dann schluckt man das einfach runter – beim eigenen Partner ist das aber anders. Da verfällt man schnell ins kindlich Wütende. 

Wäre es dann nicht die einfachste Lösung, nicht mehr mit dem Partner, sondern mit anderen Kumpels zu klettern?

Jein, bei Paaren, bei denen es gerade arg verzwickt ist, bei denen der Konflikt verfestigt ist und das Klettern keinen Spaß mehr macht, kann es sinnvoll sein, mal eine Pause zu machen. Und aus anderen Kletterpartnerschaften Energie zu schöpfen. Um eine andere Rolle einzunehmen, selbstbewusster zu werden. Andererseits ist das Klettern eine wunderschöne Verbindung, die man hat und auch gemeinsam ausleben sollte. Das ist ein gemeinsames Hobby – und man will ja auch Zeit gemeinsam verbringen… ich denke, es ist es wert daran zu arbeiten, wenn es nicht gut läuft am Fels. 

Ist das eigentlich vor allem bei Paaren mit einem großen unterschiedlichen Niveau ein Thema, also bei solchen, wo einer eher Sichernder ist?

Das kann man nicht pauschalisieren, das passiert auch bei Paaren, die etwa gleich schwer klettern. Auch das kann zu Konflikten führen. Da sind dann beispielsweise eher Ego und Konkurrenzdenken Themen. Oft ist es auch so, dass der Stärkere helfen will, das von dem Partner aber nicht so gut angenommen werden kann. Letztendlich kommt es immer auf die Dynamik zwischen den Paaren an. 

Was sind denn die Hauptgründe für den Stress oder die ungute Stimmung?

Fehlende Kommunikation beispielsweise. Oder es sind die Rollen, die sich in der Beziehung beim Klettern entwickelt haben. Beispielsweise fühlt er sich in der Verantwortung, sie sich gegängelt und kommt nicht aus der Rolle der Nachsteigerin heraus. Das ist dann eine Abhängigkeit, die beiden nicht guttut. Oder er will helfen, sie fühlt sich bevormundet, ist unzufrieden mit sich selbst – und lässt das an dem Partner aus beziehungsweise macht ihn dafür verantwortlich… wir alle sind immer in Rollen unterwegs, haben alle Rollenbilder im Kopf, die aber nicht immer stimmig für einen sind. Und das zeigt sich dann eben auch beim Klettern, da kommen wir nicht so einfach raus.

Wirst du oft fürs Paarcoaching angefragt?

Es sind schon Anfragen da, dürften aber noch mehr werden. Wahrscheinlich fällt es vielen auch schwer, sich eine externe Hilfe zu holen, das stellt eine Hürde dar. Viele warten auch zu lange – dann ist die Situation oft schon sehr verfahren.

Wie läuft das Coaching ab?

Wir treffen uns zu einem Gespräch, bei dem ich nachfrage, wo das Paar steht. Meistens wird da schon deutlich, wo die Spannungsfelder liegen. Danach geht’s an den Fels, ich beobachte, wie die beiden beim Klettern miteinander sind. Es sind ja meistens die gleichen Situationen, in denen es eskaliert – er fühlt sich beispielsweise schlecht gesichert, oder sie sich nicht genügend unterstützt. Ich versuche dann, die beiden runterzuholen. Im anschließenden Gespräch sammle ich die Erfahrungen und Emotionen ein, vermittle, was mir aufgefallen ist und gebe Anregungen, was sie anders machen können, um zukünftig die Eskalation zu vermeiden. Oft geht es auch darum, als externe Person die Standpunkte und das Gesagte zu vermitteln, weil die Partner sich an den immer gleichen Punkten aufhängen und andere Details nicht mehr hören können.

Hört sich schon fast nach einer Art Paartherapie an, die du anbietest…

Es geht in Richtung Paarberatung, ist aber fokussiert auf das Thema Klettern.

Nach einigen Wochen wird dann noch mal telefoniert – wie ist die Resonanz?

Ich höre oft, dass das Paar sich besser eingespielt hat, dass es nun mehr Verständnis füreinander gibt. Nicht alles ist zu hundert Prozent perfekt, aber es wurde ein erster wichtiger Schritt vorwärts gemacht. 

Aletta, du hast zu Beginn erwähnt, dass du diese stressigen Situationen aus eigener Erfahrung kennst… mit wem gehst du eigentlich heute klettern?

Ich bin mit dem damaligen Partner nicht mehr zusammen, aber auch mit ihm lief es beim Klettern dann gut. Mein heutiger Partner ist auch mein Hauptkletterpartner – wir sind viel gemeinsam unterwegs, genießen das beide und sind ein gutes Team.

  • Weitere Informationen zu Aletta Bunge und ihre Coaching Angebote bekommt ihr auf folgender Page
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