„Klettern wird in meinem Leben immer wichtig sein“ – Moritz Welt im Interview

Freitag, 13. Oktober 2023: Diesen Tag wird Moritz Welt sicher nie vergessen. An diesem Tag kletterte der 22-Jährige den legendären Güllich-Klassiker „Action“, die weltweit erste 9a. Moritz ist kein unbeschriebenes Blatt, der Franke war schon als Kind mit seinen Eltern am Fels. Mit gerade einmal 14 Jahren kletterte er dann seine erste 8c, „Father and Son“, an der Trockauer Wand. Seitdem sind noch ein paar andere Touren auf seiner Ticklist dazugekommen, inzwischen sind dort unter anderem 86 8c´s, 39 8c+-Routen, 16 9a´s und drei 9a+-Routen zu finden. Beim Bouldern schaut seine Bilanz auch nicht gerade schlecht aus: 60 Boulder ab 8b hat Moritz schon abgezockt, genau gesagt sind es 44 8b´s, 13 8b+ und drei 8c-Boulder. Es werden – so wie auch beim Lead – wohl noch mehr werden…

Ks.com: Moritz, bedeutet dir die „Action“ etwas Besonderes? Auf Insta hattest du zumindest extrem viele Kommentare, deutlich mehr als bei anderen, schwereren Touren von dir. 

Die „Action“ stößt generell auf eine deutliche größere Resonanz als eine 9a+, das liegt vielleicht daran, dass wohl jeder Kletterer schon mal den Namen gehört hat. Die „Action“ zählt bestimmt zu den weltweit drei bekanntesten Routen überhaupt. Für mich war sie definitiv eine ganz besondere Tour – und wird es auch bleiben. Wenn du in Franken wohnst und in diesem Grad kletterst, dann willst du die „Action“ machen – oder zumindest probieren. Mir hat die Linie schon immer gefallen, und ich habe sie mir vor vier oder fünf Jahren das erste Mal angeguckt. Im Vergleich zu anderen 9a´s ist sie mir aber schwergefallen.

Wegen dem Sprung?

Nein, der Sprung war eigentlich gar kein Ding, der ging von Beginn an gut. Den habe ich in den meisten Versuchen hingekriegt. Aber für die „Action“ braucht es eine extreme Kraftausdauer. Das sind 16 sehr physische Züge am Stück, die sehr präzise gemacht werden müssen. Nach den ersten zehn wars bei mir aber meistens mit der Präzision vorbei… da ging einfach nichts mehr.

Du scheinst die Güllich-Klassiker zu mögen – die ja nicht unbedingt als leicht gelten. Hat das einen Grund?

Für mich hat es einen höheren Stellenwert, Klassiker zu klettern. Das ist ein gefühltes Ding. Aber die Güllich-Klassiker sind tatsächlich nicht leicht für den Grad, die sind solide und hart. Es fühlt sich einfach cool an, etwas Historisches zu machen, das hat definitiv etwas für mich. Dass relativ wenige Leute diese Klassiker wiederholen und lieber chillige New-School-Routen machen wollen, kann ich aber auch verstehen. Wenn du einen bestimmten Grad klettern willst, ist das in so einer Tour sicher leichter. Mir persönlich geben diese Mainstream-Touren langfristig halt nicht so viel.

Du hast zuletzt aber nicht nur beim Lead, sondern auch beim Bouldern ganz schön abgeräumt. Verlagert sich da gerade dein Schwerpunkt?

Früher war safe Lead für mich wichtiger, inzwischen mag ich beides. Prinzipiell liegt mir das Seilklettern auch sicher mehr. Seit dem vergangenen Jahr habe ich aber viel mehr Augenmerk aufs Bouldern gelegt, da hat sich mein Schwerpunkt schon etwas verschoben. Mir macht das Bouldern inzwischen deutlich mehr Spaß als früher. Ich war in den letzten zwei Jahren oft im Tessin und in Bleau und die Trips haben mir immer ultra getaugt. Früher habe ich vor allem im Winter ein paar Monate gebouldert, um die kalte Jahreszeit zu überbrücken – inzwischen habe ich richtige Ziele. Der Aufwand beim Bouldern ist halt auch viel geringer, du musst viel weniger planen.

Was sind deine Stärken – und was deine Schwächen?

Was ich besonders mag, ist kleingriffige Kletterei, Statisches, Kraftausdauer – was den Frankenstil halt so ausmacht. Schwächen sind richtig lange Ausdauerrouten, also 50 Meter am Stück zu klettern, ist halt nicht das, was ich gewohnt bin. Und maximalkräftige, explosive Körpersachen sind auch nicht so mein Ding. Am wenigsten liegen mir boulderspezifische und ausdauerspezifische Sachen – in der Mitte taugt es mir am besten.

Trainierst du eigentlich spezifisch?

Sehr selten ganz spezifisch. Ich weiß aber ziemlich genau, was ich trainieren will. Also beispielsweise explosive Sachen – das, was mir am schwersten fällt. 

Du bist noch ziemlich jung und hast schon ziemlich viele ziemlich schwere Routen geklettert. Denkst du auch mal darüber nach, ob es für dich irgendwann einmal nicht mehr möglich sein wird, deine Grenzen noch zu verschieben?

Das ist eine Frage, die ich mir oft stelle. Früher war es für mich vor allem wichtig, den nächsten Grad zu schaffen, mich zu steigern. Das ging auch relativ schnell. Heute ist das anders: ich mache kleine Fortschritte. Das ist beispielsweise ein Zug, den ich im Jahr zuvor noch nicht konnte. Oder beim Bouldern fühlt sich etwas möglich an, was zuvor unmöglich schien. Es ist der persönliche Progress, der mich antreibt. Es macht mir ultra Spaß, mich zu steigern. Langfristig gesehen werden diese Fortschritte sicher immer kleiner werden. Ich werde aber sicher noch lange beschäftigt sein. Ich habe neue Projekte, ich werde noch lange so weitermachen. Ich genieße das Projektieren. Es geht ja auch nicht nur darum, physisch besser zu werden, sondern auch mental stärker zu werden. Ich denke, man lernt immer etwas dazu – auch wenn man schon älter ist. Dave Graham beispielsweise ist physisch mit 43 Jahren sicher nicht mehr in seiner Topform, aber macht momentan seine schwersten Boulder.

Momentan ist beim Lead bei 9c Schluss, beim Bouldern bei 9a. Denkst du, dass es noch eine deutliche Steigerung geben wird?

Ich denke, dass es in Zahlen noch deutlich raufgehen wird. In vielleicht zehn Jahren wird auch 9c+ geklettert werden – also beim Lead. Es wird immer noch schwerer geklettert werden. Wenn du dir die Entwicklung anschaust, dann geht das rasant rauf… gerade auch beim Bouldern. Da wird noch einiges passieren. 

Hast du eigentlich Traumrouten oder -boulder? Also Sachen, die momentan undenkbar sind, die du aber gerne mal in deinem Leben klettern würdest?

Gute Frage. Ich denke nicht so in großen, langfristigen Projekten, sondern eher in mittelfristig machbare. Aber die „Realization“, also die ganze Linie der „Biographie“, wäre so eine Traumtour für mich. Und den 8C-Boulder von Dave Graham „From dirt grows the Flowers“ hätte ich auch gerne auf meiner Ticklist. Also ich hätte da schon so einiges im Kopf (lacht).

Du „konsumierst“ aber nicht nur, du kreierst auch neue Touren und Boulder – am Fels und in der Halle.

Ja, der Routenbau ist für mich eine mega coole Möglichkeit, mit etwas, was mir Spaß macht, Geld zu verdienen. Das ist für mich ein kreativer Spielplatz und vielleicht wäre das auch langfristig was als Nebenjob. Am Fels Routen einzubohren, ist aber etwas ganz anderes. Da geht es mir darum, selbst etwas zu schaffen, was dann langfristig bleibt. Eine coole Linie einzubohren, die dann meine Tour ist, das macht einfach Spaß. 

Thema Wettkampf: früher bist du ja bei einigen gestartet. Hast du da noch Interesse?

Also ich habe zuletzt schon noch ein paar mitgemacht, beispielsweise war ich 2020 und 2021 beim Lead bei der Deutschen Meisterschaft dabei. Im letzten Jahr bin ich dann beim Bouldern gestartet, bei der Süddeutschen Meisterschaft und bei der Deutschen Meisterschaft… allerdings nicht besonders erfolgreich. Es macht mir aber trotzdem Spaß. Für mich ist aber die Hauptsache, dass ich am Fels klettern kann, deshalb klappt es auch aus Zeitgründen oft nicht, bei Wettkämpfen zu starten. Wettkämpfe sind für mich Nebensache.  

Wie geht’s weiter mit Moritz Welt? Denkst du über eine Profikarriere nach?

Nee, definitiv nicht, das ist nicht mein Ziel. Ich habe zwar noch keinen konkreten Plan, aber ich studiere Mathe, das passt mir sehr gut. Ich hoffe, dass ich beruflich etwas finde, das mir gut taugt – und daneben weiterhin intensiv klettern kann. Klettern wird in meinem Leben immer wichtig sein.

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Video-Link: https://youtu.be/Zrjt4_8pXGA?si=uaVhg29dinAoF8xr