»Solange es Spaß macht, ist es richtig.« Auf einen Kaffee mit Babsi Zangerl

Babsi Zanger interview kletterszene

Muß man dem Publikum eigentlich noch Barbara „Babsi“ Zangerl vorstellen? Bereits in sehr jungen Jahren konnte sie mit „Pura Vida“ als erste Frau einen 8B-Boulder klettern. Ein Bandscheibenvorfall zwang sie dann jedoch aufs Bouldern zu verzichten und stattdessen gelenkschonendere Disziplinen des Bergsports zu wählen. Auch wenn sie bis 9a sportklettert (was bestimmt total gelenkschonend ist …), kennen die meisten Babsis Gesicht von absolut schwindelerregenden Fotos aus den Big Walls dieser Welt. Mit ihrem dauermotivierten Partner und best buddy Jacopo Larcher lebt sie den Traum, macht aber selber nullkommanull Aufhebens um ihre Leistungen und ihre Person. »Down to earth« klingt zwar irgendwie ironisch als besondere Charakterstärke von jemanden, der ständig »into the sky« klettert, aber vielleicht ist es ja gerade ihre lässige Bodenständigkeit, die sie zu ihren Höhenflügen befähigt.

KS: Wie trinkst Du am liebsten Deinen Kaffee?

Babsi: Am liebsten Espresso Macchiato mit Sojamilch. 

Gibt’s im Portaledge anderen Kaffee?

Ja, da gibt’s nen anderen Kaffee. Also entweder Nescafé, der ziemlich schlecht ist, oder wir bringen die Aeropress und dann ist er eigentlich schon ziemlich gut.

Was ist der Kern Deiner Motivation so bogglhart zu klettern?

Ich glaub für mich persönlich ist es am besten, wenn ich die Kletterstile wechsele, um immer motiviert zu sein. Bei mir ist es schon so, dass – wenn ich längere Zeit nur Sportklettern gehe – ich weniger motiviert werde und wieder was anderes machen muß. Also dann wieder eine Big Wall klettern oder bouldern gehen, einfach Abwechslung reinbringen, dann ist die Motivation am höchsten. 

Machst Du diese Abwechslung ganz bewußt oder ergibt sich das im Flow?

Das ergibt sich meistens ganz automatisch. Grad beim Big Wall Klettern muß man meistens viel arbeiten, hat so eine Materialschlacht mit dem ganzen Gear, dass man einfach nur froh ist, wenn man danach mal wieder mit leichtem Gepäck Sportklettern gehen darf. 

Das glaube ich sofort! Wann hast Du eigentlich mit dem Big Wall Zeug angefangen? Es ist ja doch innerhalb des Bergsports eine relative Randerscheinung.

Eigentlich habe ich ja erstmal nach einer Bandscheibenverletzung mit dem Sportklettern angefangen und diese Neue gab mir so viel neue Motivation, dass völlig klar war, dass ich auch mal in große Wände einsteige, denn das Rätikon liegt ja gleich um die Ecke.   

Interessiert wahrscheinlich keinen, aber bei mir war’s anders. Im Rahmen eines Bergsteiger-Anfängerkurses bestieg ich 1987 über zwei Seillängen meinen einzigen Gipfel, die Wolfebener Spitze in den Lechtaler Alpen. Das war so anstrengend, dass ich sowas nie wieder gemacht habe.

Babsi lacht höflich …

Hast Du klettertechnisch sowas wie ein Lebensziel? Irgendwas, was Du unbedingt mal gemacht haben willst?

Nicht wirklich, weil ich bin einfach keine Langzeit-Planerin, sondern eher kurzfristig und spontan agiere. Was ich schon lange machen möchte, ist nach Pakistan zu gehen und an den Trango Towers zu klettern. Und die Flüge sind schon gebucht und wir sind mega aufgeregt und freuen uns! Ich war noch nie auf 6000 Metern Höhe. Also ich hab keine Ahnung, was uns da wirklich erwartet und wie sich das anfühlt in der Höhe zu klettern.

Wow! Und dort dann den Oberklassiker angehen oder einfach mal gucken, was Euch anlacht?

Ziel ist schon den Oberklassiker zu klettern, aber wir müssen natürlich auch schauen wie’s uns geht und wie’s so läuft. Natürlich werden uns erstmal akklimatsieren und zunächst leichte Routen klettern.

Anmerkung: Der genannte Oberklassiker ist die Route „Eternal Flame“, erstbegangen von Wolfgang Güllich und Kurt Albert im Jahr 1988, der eine neue Epoche im Klettern begründete: Rotpunkt-Klettern auf 6000 Metern Höhe! Inspiriert wurden sie damals vom Hit „Eternal Flame“ der Bangles, wobei jede Seillänge nach einer Zeile aus diesem Schmachtsong benannt wurde.

Für alle, die sich gedanklich zu Wolfgang und Kurt ins Portaledge begeben wollen:  -> HIER

Hast Du den Song auf Deinem iPhone? Kannst Du Eternal Flame schon singen?

Babsi (lacht): Leider noch nicht auswendig, aber ich hab ihn tatsächlich auf meinem iPhone.

Großartiger Song und damals ein echter Megahit. Was mich noch interessieren würde: Wie steuerst Du durch Dein Jahr als ein Profi, der aber auch fest arbeitet (Babsi hat eine 30 % Stelle als Röntgen-Assistentin in einem Krankenhaus)? Ist das alles im Vorfeld geplant fürs Jahr oder wird beim Kaffee am Morgen entschieden, wo’s hingeht?

Also dieses Jahr ist das erste überhaupt, wo ich am Anfang des Jahres plante, was ich das ganze Jahr über machen möchte. Vorher lief das immer spontan ab, mit einem Planungs-Horizont von etwa drei Wochen. Das geht im Fall von Pakistan natürlich nicht. Bei meiner Arbeit mache ich meistens 24-Stunden-Dienste, was bei einer 30-Prozent-Stelle natürlich auch viele freie Tage ergibt. 

Gibt es jemanden oder etwas, was Dich bei Deinem Weg besonders inspiriert hat?

Klettertechnisch war das für mich, wie wohl auch für viele andere, Lynn Hill ein riesiges Vorbild. Auch weil ich natürlich schon immer die Nose am El Cap freiklettern wollte.  Als ich dann die Nose selber geklettert habe, habe ich erstmal gecheckt, was das für eine Leistung von Lynn war vor 25 Jahren diese Route als erster Mensch freizuklettern. Das finde ich immer noch sehr inspirierend, auch weil sie ihrer Zeit so weit voraus war. 

Hast Du Lynn mal getroffen?

Ja, mal ganz kurz. Aber wir kennen uns eigentlich nicht.

Gibt es eigentlich auch die komplett faule Babsi, die zehn Folgen Netflix schaut und zehn Tüten Chips dazu isst?

Ja, die gibt’s! Zum Beispiel jetzt gerade bin ich extrem faul. Meistens dann, wenn ich gerade von einem längeren Trip zurück komme. Ich liebe es Filme zu schauen! Und oft genug schlaf ich dann abends davor ein. Und das schaff‘ ich sogar über mehrere Tage.

Das macht Dich sehr menschlich. Hast Du grad eine Liebklingsserie?

Die Brücke auf Netflix!

Jetzt kommt ein knallhartes Zitat von Bruce Lee: »He who wants to succeed, has to learn how to fight and to suffer.« Wieviel Kampf und Leid ist in Deinem ja sehr erfolgreichen Kletterleben enthalten?

Leiden vielleicht nicht wirklich, weil man macht das ja gern. Mit Kämpfen hingegen ist das wirklich verbunden, denn man hat da öfter mal ganz harte Zeiten. Aber ich glaube schon, dass man ein bissle stur sein muß, was ich durchaus bin. Und mit der entsprechenden Portion Motivation fühlt sich das einfach nicht wie Leiden an. Eine Zeit lang ist es hart, aber im Rückblick ist es dann ein cooles Erlebnis! Und meistens rentiert es sich, wenn man investiert und an etwas dran bleibt.

Und was genau bewegt Dich dann nicht aufzugeben? Wenn Du da den Haulbag in der Hitze raufzerrst und unten stehen die Touris im Valley und schlecken genüßlich ihr Eis.

Das ist eine gute Frage, die natürlich aufkommt. Gerade wenn Du mal wieder eine Stunde damit verbringst, nur den Haulbag nachzuziehen. Aber gerade beim Big Wall Klettern ist es so, dass die Motivation mit jedem frei gekletterten Meter natürlich steigt, weil Du willst es ja erfolgreich abschließen. Es wird eher immer schwerer aufzugeben, weil natürlich willst Du die investierte Zeit nicht einfach so herschenken, sondern es auf den Gipfel schaffen. Sicherlich spielt beim Big Wall Klettern der Kopf eine noch viel größere Rolle als beim Sportklettern.

Gibt es sonst noch etwas in Deinem Leben, wofür es sich lohnt zu kämpfen?

Puuh, das Klettern nimmt so einen großen Raum ein, und dann habe ich ja noch meine Arbeit, die etwas komplett anderes ist. Das hilft mir auch sehr eine Balance zu haben und ehrlich gesagt wollte ich keinen Job haben, der mit dem Klettern verbunden ist. Das Klettern ist so intensiv, dass ich ziemlich froh bin, dass die andere Hälfte in meinem Leben so entspannt ist. Da bin ich dann eher der Mensch, der genießt und auch mal im Valley ein Eis schleckt, als noch andere Dinge extrem zu betreiben. Ich glaube das genügt.

Hast Du eine Ahnung wie lange Du diesen Lifestyle leben möchtest oder entscheidest Du das Jahr für Jahr?

Keine Ahnung. Die Wichtigkeit vom Klettern wird sich wahrscheinlich verschieben im Alter und es wird vielleicht weniger werden. Aber ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass ich mal gar nicht mehr in die Berge gehe. Das wird immer ein wichtiger Punkt in meinem Leben bleiben. Also es gibt definitiv keine Deadline für irgendwas.

Solange es Spaß macht, ist es richtig.

Gibt es etwas, worauf Du besonders stolz bist?

Es sind glaube ich eher die Erinnerungen, die einen besonders stolz machen. Einfach die schöne Zeit, die man an verschiedenen Plätzen auf der Welt erlebt hat und sich megagerne dran erinnert und sich denkt: Wow, das war schon ’ne richtig coole Zeit!

Kannst Du denn stolz auf Dich sein oder bist Du Dir gegenüber sehr hart?

Ich kann schon stolz auf mich sein, aber ich fordere auch sehr viel von mir. Wobei das eben auch nur phasenweise so ist. Wenn eine intensive Kletterzeit vorbei ist, dann kann ich mich auch total entspannen und einfach nur froh sein, dass ich das positiv abgeschlossen habe. Ich muß mich aber schon zusammenreißen, dass ich nicht immer von einem Projekt zum nächsten springe. Ich denke, dass es schon wichtig ist, sich immer wieder eine Auszeit zu nehmen, damit sich das, was man gerade erlebt hat, auch setzen kann. Sonst ist das die totale Reizüberflutung!

Wir sind ja schon sehr viel unterwegs und reisen. Und letztes Jahr im Lockdown merkte ich, wie cool es war einfach mal das ganze Jahr zuhause zu sein und die Berge bei uns zu genießen. Und nicht immer den Druck zu haben woanders sein zu müssen. Es geht eben auch anders!

Den Druck macht Ihr Euch aber selber, oder sagt da ein Sponsor, dass Ihr mal wieder eine coole Bilderstrecke vom El Cap rüberbeamen müßt?

Nee, so ist das überhaupt nicht, das machen wir schon selber. Und der Jacopo ist nochmal ein Stück motivierter als ich! Den muß ich ab und zu etwas einbremsen, denn da kann ich nicht ganz mithalten. Der hat so viele Ideen, wo er gerne hin möchte und manchmal denkst Du Dir, dass es auch mal ganz schön wäre einfach zwei Wochen Erholung zu haben.

Habt Ihr schon mal einen reinen Strandurlaub gemacht?

Wir haben’s probiert, aber es hat nicht geklappt.

Hast Du eigentlich alle angefassten Ziele erreicht oder bist Du auch mal gescheitert?

Den Cobra Crack hab ich ganz intensiv probiert – und hatte keine Chance (lacht). Es ist extrem schmerzhaft und aggressiv für die Finger. Ich habe mir da einen Nerv abgeklemmt und mußte erstmal zwei Wochen Pause machen. Ein steiler Fingerriß, in dem man die Finger richtig abklemmen muß. Da ist auch ein Riß-Mono und ich habe dicke Finger, das hat eigentlich perfekt gepasst. Aber es ist ein ungutes Gefühl, wenn Du die Sicherung unter Dir siehst und nicht weißt, ob der Finger im Falle eines Sturzes überhaupt aus dem Riß kommt oder ob er klemmen bleibt. Das ist einfach eine ganz spezielle Route, die von so manchen Alptraumgedanken begleitet wird.

Trotzdem ist es cool immer wieder andere Dinge auszuprobieren und ich finde, dass gerade diese Vielfältigkeit das lässige am Klettern ist.

Angenommen Du würdest in jedem Kletterführer der Welt eine Doppelseite zur freien Verfügung gestellt bekommen. Was würde stehen als „Babsis Message“?

Puuh, meine Message? Keine Ahnung! Wenn’s nach mir geht, würde ich die Kletterführer so wie früher einfach selber zeichnen und Geschichten zu den Touren erzählen. Nicht nur die Lage und den Schwierigkeitsgrad, sondern persönliche Erlebnisse der Erstbegeher. Also eher eine Art Abenteuerbuch. 

Denkst Du, dass heute zu viele „slaves of the grades“ sind? 

Ich glaube das schon und auch bei einem selber stellt man ja oft fest, wie extrem wichtig der Schwierigkeitsgrad ist. Gerade wenn man eine Watschn in einer Route bekommt, die man vom Grad her eigentlich locker drauf hat. Aber die sind dann ja nicht weniger schön und es würde sich genauso lohnen Zeit in solche Routen zu investieren, auch wenn sie aufs Ego gehen. Im Endeffekt geht es oft nur um die Nummer und das ist wirklich schade. Und auch deswegen find ich’s so gut, die Stile zu wechseln. Rißklettern beispielsweise hat mit normalem Sportklettern soviel zu tun wie Tennis mit Tischtennis. Da muß man wieder komplett neu anfangen und sich einen Stil erarbeiten, was eine echt lässige Erfahrung ist. 

Ich denke, dass es auch was damit zu tun hat, dass die neuen Kletterer aus der Halle indoor meist schon recht gut sind und dann unbedingt diesen Grad auch draußen klettern wollen. Das war früher eben anders, als man draußen langsam ins Klettern reingewachsen ist und sich auch mal was trauen mußte, weil der letzte Haken eben nicht auf Hüfthöhe war.

Ich finde es geht auch viel verloren, wenn man Gebiete nachsaniert im Namen des Tourismus, damit jeder Hallenkletterer nicht umswitchen muß. Wenn man den inneren Schweinehund überwinden muß, ist es ja nicht unbedingt gefährlich, sondern man stürzt eben etwas weiter. Das Einschätzen von Risiko ist doch ein wichtiger Teil des Kletterns und sollte auf jeden Fall erhalten bleiben. Ich finde, dass man Routen so sanieren sollte, dass der originale Charakter erhalten bleibt, weil es den Raum für mehr Erlebnis und Abenteuer lässt. Mit einer gewissen mentalen Komponente mußt Du gar nicht so schwer klettern, um ein eindrückliches Erlebnis zu haben.

Und ich finde ja, dass gar nichts gegen eine Toprope-Begehung spricht, wenn es um den reinen Sport geht und man Angst vor zu weiten Abständen hat, oder?

Absolut nicht! Meine Schwester klettert seit eineinhalb Jahren und hat extreme Höhenangst. Sie macht die ganze Zeit Toprope-Begehungen und ist voll happy damit. Ich finde das voll ok.

Tokio geht bald über die Bühne. Schaust Du zu?

Wir sind ja in Pakistan. Ich würde gerne zuschauen, aber ich kann wahrscheinlich nicht.

Grundsätzlich schau ich mir gerne Kletterwettkämpfe an, ich find‘ das schon spannend.

Wer sind Deine Favoriten?

Ich glaub schon, dass Adam und Jakob sicher gut abschneiden werden. Und wahrscheinlich das ganze japanische Team! (lacht)

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für Pakistan!