„Ich habe immer noch unglaublich Bock aufs Klettern“ – Alex Megos

Als Alex Megos es 2013 als erster Kletterer weltweit schaffte, eine 9a-Route im ersten Versuch zu machen, wurde er schlagartig bekannt. Der Onsight von „Estado Critico“ veränderte das Leben des Franken komplett – er ist einer der wenigen Kletterprofis in Deutschland. „Estado Critico“ aber blieb keine Einmalfliege, seit zehn Jahren macht Alex immer wieder mit der Begehung von High-End-Touren auf sich aufmerksam, darunter „Perfecto Mundo“ und „Bibliographie“ – beides 9b+-Routen.

Inzwischen ist Alex mit bald 30 Jahren zwar kein „junger Wilder“ im klassischen Sinne mehr, aber wild ist er nach wie vor. Nach den trüben und kalten Wintermonaten in Deutschland, in denen er mit seinem Best Buddy Chris Hanke in dessen Trainingsraum im fränkischen Betzenstein auftrainierte, gings nun in die USA. Bei Alex waren es in den letzten Tagen um die 25 Grad, Sonnenschein inklusive, erzählt er gut gelaunt. Der Franke ist aber nicht im Erholungsurlaub, er will sich dort ein Projekt abholen – welches es ist, will er aber – noch – nicht verraten. „Erst machen und dann darüber reden“, sagt er. Zeit zum Reden für das Interview mit Kletterszene.com nimmt er sich aber, danach geht’s dann pronto an den Fels. 

Ks.com: Alex, ich habe im Archiv ein Interview mit dir aus dem Jahr 2014 gefunden, das war ein paar Monate nach deinem Onsight von „Estado Critico“: Damals wurden ziemlich viele 9a´s geklettert. Auf die damalige Frage, ob auch 9b möglich sei, meintest du, das sei vom Liegefaktor abhängig. Neun Jahre später hast du nicht nur eine 9b auf deiner Ticklist. Wie würdest du heute die gleiche Frage beantworten?

Also ich denke, dass heute auch eine 9b, die mir nicht liegt, mit Arbeitsaufwand gehen würde. Und ich denke, dass das in neun oder zehn Jahren auch schon wieder ganz anders aussehen wird. Für die nächste Generation wird bei den High-End-Kletterern die 9b die Normalität sein – und ich hoffe für mich natürlich auch, dass ich in zehn Jahren noch 9b klettern werde (lacht). Na ja, und es ist sicher auch nur eine Frage der Zeit, dass eine 9b an nur einem Tag geklettert wird. 

Aber wo siehst du bei dieser Entwicklung die Grenze? Physikalisch und körperlich gibt es doch Limits.

Gute Frage, das ist schwer zu sagen. Eine Grenze gibt es sicher, aber die liegt nicht bei 9b oder 9b+. Also ich denke, dass in 50 oder 70 Jahren wahrscheinlich jemand eine 10a klettern können wird. Die Spitze verschiebt sich sicher immer weiter nach oben. Und 9b oder 9b+ wird ganz sicher häufiger geklettert werden, also jetzt natürlich nicht von jedem Hobby-Kletterer… aber auch da wird sich etwas verändern und eine 9a nicht mehr die große Ausnahme bleiben.

9b´s hast du im vergangenen Jahr ja einige gemacht. Am Fels liefs für dich richtig gut. Am Plastik dagegen nicht ganz so optimal. Wie schaut deine Bilanz für 2022 aus?

Subjektiv gesehen war es für mich definitiv das erfolgreichste Felsjahr. Ich konnte vor allem in Margalef viele schwere Sachen klettern. Ich war gut vorbereitet, es lief schon relativ früh im Jahr erstaunlich gut und ich konnte einige 9a+-Routen machen. Im August war dann die Erstbegehung von „Ratstaman Vibrations“ in Ceüse ein Highlight für mich… das war sicher eine der besten 9b´s, die ich bis jetzt geklettert bin. Na ja, und im Oktober konnte ich dann noch innerhalb von 23 Tagen acht Touren zwischen 9a und 9b geklettert. Da liefs einfach. Plastik dagegen… na ja, wie du gesagt hast, die Resultate waren nicht sonderlich gut. Das war schon frustrierend. Ich habe mich eigentlich gar nicht so schlecht gefühlt, aber mir ist es nicht gelungen, das an die Wand zu bringen. Das war keine Glanzleistung bei den Weltcups, aber ich kann die Gründe dafür nicht nennen. Zumindest beim Lead lief es nicht sonderlich, beim Bouldern ja wenigstens noch einigermaßen. Ich war in drei Halbfinals dabei – und das war für mich realistisch auch zu erwarten.

Wie trainierst du? Spezifisch für ein Projekt oder arbeitest du an deinen Schwächen – falls du überhaupt welche hast?

Da gibt es einige und witzigerweise arbeite ich inzwischen viel mehr daran als noch vor ein paar Jahren. Sloper gehören beispielsweise zu meinen Schwächen. Oder das Füße einsetzen. Ich bin an überhängenden Definierwänden groß geworden, Heelhooken war damals beispielsweise verboten. Mein Oberkörper wurde dadurch zwar ganz gut ausgeprägt, die untere Hälfte aber eher vernachlässigt. Bei den Weltcups gibt es zwar im Gegensatz zum Fels keinen wirklich schlechten Tritt, das ist alles sehr Volumen-lastig, aber auch das muss man irgendwann üben. 

Apropos Wettkampf: die Saison startet ja schon bald. Was hast du für Pläne für dieses Jahr?

Weltcups: mal gucken, wie es läuft. Drei Boulder- und drei Lead-Wettkämpfe nehme ich auf jeden Fall mit und bei der Weltmeisterschaft in Bern werde ich auch starten. Und ansonsten steht wie letztes Jahr ganz oben auf meiner Liste, schwere Routen am Fels zu klettern.

Was ist mit den Olympischen Spielen in Paris? Liebäugelst du damit oder hast du nach Tokio mit diesem Kapitel abgeschlossen?

Puh, das hängt davon ab, wie es in dieser Saison laufen wird. Also wenn es beim Bouldern schwach läuft, werde ich mir das schon ernsthaft überlegen, wie viel Zeit ich in das Wettkampftraining investieren will. Der Fels ist mir einfach zu wertvoll, da werde ich definitiv keine allzu großen Abstriche machen.

Das neue Format aus Bouldern und Lead und ohne Speed taugt dir aber sicher besser? 

Ja, das stimmt schon. Auf jeden Fall ist es besser als die frühere Kombination aus allen drei Disziplinen. Aber richtig optimal finde ich es immer noch nicht. Die Speedkletterer haben eine eigene Medaille, Boulderer und Leadkletterer aber nicht. Am Allerbesten und Allerfairsten wäre es, wenn es für jede der drei Disziplinen eine eigene Medaille geben würde.

Alex, du wirst dieses Jahr 30 Jahre alt. Du hast vorhin zwar gesagt, dass du auch in zehn Jahren noch gerne 9b klettern würdest, aber: Hast du dir eigentlich schon überlegt, was nach dem Klettern kommt?

Ja, Wahnsinn – 30 Jahre. Hm, Pläne? Ja schon. Für die Zukunft gibt es einen Haufen Optionen, aber noch keinen konkreten Plan. Also ich mache mir schon einen Kopf, planlos bin ich nicht… aber über meine Pläne will ich noch nichts im Interview erzählen, das ist noch zu früh.

Du kletterst inzwischen schon ewig lange – seit knapp zehn Jahren als Profi. Wie motivierst du dich eigentlich, immer weiterzumachen?

Gute Frage. Die Motivation hat in den vergangenen zehn Jahren nicht gefehlt, wahrscheinlich einfach deshalb, weil das Klettern so cool ist. Es gibt zwar andere Sachen, die dazwischenkommen und dann hast du auch als Profikletterer mal für einige Zeit andere Prioritäten. Aber ganz ehrlich: ich habe immer noch unglaublich Bock aufs Klettern (lacht).

Als Profi brauchst du Sponsoren. Seit Kurzem wirst du von der Tempehmanufaktur gesponsert. Suchst du dir deine Partner gut aus?

Ja, absolut und das viel genauer als früher. Ich werbe nur für Firmen, hinter denen ich auch stehe. Nachhaltigkeit ist mir da sehr wichtig oder wie die Firmenphilosophie ausschaut und welche Message ich vermittle. Tempeh beispielsweise bringt mir keinen finanziellen Gewinn. Das ist aber ein total gutes und gesundes Produkt, das ich gerne promote, um es ein wenig populärer zu machen.

Apropos gesund. Alex, du ernährst dich wahrscheinlich extrem gesund und seit Langem vegan. Aber hast du nicht auch mal Bock auf Kuchen bei Oma Eichler oder ein Schäuferle und dazu ein Bier aus einer der fränkischen Kleinbrauereien?

Kuchen, Schäuferle und Bier gehört nicht gerade zu meinen bevorzugten Lebensmitteln. Ich war noch nie ein Fan von der fränkischen Küche, um ehrlich zu sein… ;-). Da bevorzuge ich doch Tempeh und Schokolade von Cacao Crudo.