„Es fehlt an Trainingsmöglichkeiten“ Bundestrainer Ingo Filzwieser im Interview
Der letzte Weltcup der Saison 2023 ging am vergangenen Wochenende in Wujiang (China) über die Bühne. Das japanische Team zeigte dort eine beeindruckende Dominanz: Bei den Damen kamen vier Finalistinnen, bei den Herren sogar fünf Finalisten aus Japan, insgesamt gewann das Team fünf der sechs Medaillen. Und bei den Herren war sogar das gesamte Podest von japanischen Athleten besetzt. Vom Team Germany schaffte niemand den Sprung ins Finale: bei den Herren belegte Sebastian Halenke Platz 10 und verpasste es knapp, bei den Damen war Martina Demmel auf Platz 25 die beste deutsche Starterin.
Kurz nach dem Weltcup konnte Kletterszene.com mit dem deutschen Bundestrainer Ingo Filzwieser eine Bilanz der Saison 2023 ziehen – und einen Blick auf die kommende werfen. Hier das Interview:
Ks.com: Warst du zufrieden mit dem Auftritt von deinem Team in Wujiang?
Wir hatten eine Dame und vier Jungs im Halbfinale dabei, das war nicht schlecht. Dennoch hätte das Halbfinale besser laufen können. Sebastian Halenke hat als Zehnter nur knapp das Finale verpasst, das war natürlich schade. Allerdings muss man berücksichtigen, dass er sich im August leider sehr stark in den Finger geschnitten hat, das hat ihn trainingsmäßig natürlich zurückgeworfen. Von daher war seine Leistung bei der für ihn möglichen Vorbereitung eigentlich sehr gut.
Blicken wir auf die Saison 2023: Abgesehen von Alex Megos, der konstant ablieferte, lief es insgesamt nicht optimal, oder?
Alex hatte tatsächlich eine sehr gute Saison. Der dritte Platz im Lead bei der Weltmeisterschaft in Bern und drei Weltcup-Medaillen sind ein super Ergebnis. Insgesamt aber war die Saison 2023 für uns durchwachsen. Wir hatten einen guten Start in Asien mit dem zweiten Platz von Hannah Meul in Japan und Lucia Dörffel konnte in Korea die Qualifikation gewinnen. Dennoch fehlten uns immer wieder Kleinigkeiten, um ganz vorne dabei zu sein. Wir analysieren jeden Wettkampf und arbeiten hart an den Schwächen. Daneben arbeiten wir daran, die Stärken noch weiter auszubauen.
Woran liegt es, dass es dem Team nach wie vor schwerfällt, den Anschluss an die absolute Weltspitze zu finden?
Die Weltspitze ist, wie der Name sagt, die „Spitze“ der Welt. Da kommen nur eine Handvoll Athletinnen und Athleten hin und dafür muss Einiges gegeben sein: Talent natürlich, harte Arbeit, passende Rahmenbedingungen, immer neue anspruchsvolle Boulder und Routen, kompetente Routensetzer und Trainer. Unser Nachwuchs macht uns aber Hoffnung, die jüngeren Kletterer haben heuer gut aufgezeigt. Das Jugendteam hat gerade bei der Jugend-Weltmeisterschaft in Korea sehr gute Ergebnisse geliefert: Yannick Nagel wurde Vizeweltmeister bei den Junioren im Bouldern. Daneben ist er Doppeleuropameister im Bouldern und Lead bei den Junioren. Und beim Weltcup in Wujiang war er nach der Quali Fünfzehnter, das ist schon ziemlich stark.
Was müsste bei den Rahmenbedingungen verbessert werden? Die Trainingsmöglichkeiten?
Es fehlt auf jeden Fall an Trainingsmöglichkeiten. Viele Nationen haben eine Teamtrainingshalle, einen Stützpunkt mit regelmäßigem Routenbau von internationalen Routensetzern. Wir trainieren nach wie vor in Breitensporthallen, die zwar gut sind, aber halt keine dauerhaften Weltcupboulder haben. Die Hallen unterstützen uns sehr gut und wir sind sehr froh um diese Hilfe, aber es ist kein Vergleich mit dem, was andere Nationen haben. Die Einstellung unserer Athletinnen und Athleten ist grundsätzlich zwar die richtige, aber wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, hilft jede noch so gute Einstellung nichts.
Was muss sich konkret verändern?
Wir brauchen mehr Wettkampfboulder, an denen wir als Vorbereitung für die internationalen Wettkämpfe trainieren können. Das fehlt uns am meisten, aber mit dem Neubau der Spray Wall in Augsburg und mit dem Neubau in Thalkirchen haben wir ja glücklicherweise gute Voraussetzungen, um in diesem Bereich besser arbeiten zu können. Im Lead ist es genauso, uns fehlen einfach genügend schwere Trainings- und Wettkampfrouten. Zumindest hilft es uns etwas, regelmäßig nach Augsburg und Innsbruck zu fahren und dort zu trainieren.
Blick auf 2024 und Paris: ist eine Teilnahme eines deutschen Athleten oder einer Athletin derzeit ein realistisches Ziel?
Die Qualifikation über die OQS, die Olympische Qualifikations- Serie, ist realistisch. Über die Serie qualifizieren sich die Top Ten der Gesamtwertung. Da stehen die Chancen, sich für Paris ein Ticket zu holen, ganz gut. Die Athleten und Athletinnen, die sich für die OQS qualifizieren konnten, sind Alex Megos, Yannick Flohé und bei den Damen Hannah Meul, Lucia Dörffel und Sandra Hopfensitz.