Die Spielregeln in der Vertikalen [Standplatzbau]
Der Standplatz ist der „sichere Hafen“ einer Seilschaft. Er soll jeden möglichen Sturz überstehen – im Vorstieg, wie im Nachstieg. So spielt er eine zentrale Rolle in der alpinen Kletterei.
Auf den ersten Blick scheint ein Standplatzbau komplex: Je nach Fixpunktqualität und Sicherungsmethode muss der Kletterer auf ein anderes System zurückgreifen. Meist entscheidet der Kletterer zwischen einer Reihenschaltung oder einer Kräfteverteilung. In anderen Regionen sind weitere Standplatzsicherungen wie die Südtiroler Methode verbreitet. Grund für die unterschiedlichen Systeme sind die verschiedenen Gegebenheiten wie Anzahl und Qualität der Fixpunkte, die Zugrichtung, die Position zueinander sowie die Sicherungsmethoden.
Unabhängig vom System besitzt jeder Standplatz einen Zentralpunkt, an dem die Selbstsicherung und die Partnersicherung zusammentreffen. Wichtig ist, dass dieser gut und übersichtlich sortiert ist, um schnell und effektiv arbeiten zu können.
Wann benutze ich was?
Generell gibt es zwei Arten des Standplatzbaus: eine Reihenschaltung oder eine Kräfteverteilung. Die klassische Reihenschaltung kommt bei soliden Fixpunkten zum Einsatz. Hier wird ein Fixpunkt (Bohrhaken) allein belastet, der zweite, unbelastete Fixpunkt dient als Redundanz. Das heißt für den ersten Fixpunkt gibt es eine Hintersicherung, falls dieser ausbrechen sollte. Die Reihenschaltung kann mit dem Kletterseil oder einer vorher gebauten Standplatzschlinge mit weichem Auge (doppelter Bulin) aufgebaut werden. Dieses System wird ausschließlich an guten Fixpunkten verwendet.
Die Kräfteverteilung kommt bei fraglichen Fixpunkten wie Normalhaken oder mobilen Sicherungsgeräten zum Einsatz. Hier soll nicht nur ein Fixpunkt belastet werden, sondern die einwirkenden Kräfte auf alle Fixpunkte gleichermaßen verteilt werden. Sollte ein Fixpunkt herausbrechen, nehmen die anderen die Belastung gleichzeitig und ohne Ruck auf.
Reihenschaltung
- Gute Fixpunkte (Bohrhaken) bzw. mindestens ein solider Fixpunkt
- Bei der Reihenschaltung wird immer der untere, tiefer gelegene Fixpunkt allein belastet; der zweite wird als
- Die Fixpunkte werden dadurch in Reihe (einer nach dem anderen) belastet, falls der erste ausbrechen sollte.
Kräfteverteilung
- Bei mobilen oder zweifelhaften Fixpunkten, wird die Belastung auf alle Fixpunkte möglichst gleich verteilt
- Sollte einer ausbrechen, fangen die anderen die Belastung auf, ohne, dass ein Ruck entsteht
- Alle Fixpunkte sind als aktive Redundanz miteinander verbunden
Wichtig: An fraglichen Fixpunkten immer eine Kräfteverteilung aufbauen!
Reihenschaltung
Stand an einem soliden Fixpunkt
Besitzt ein Fixpunkt in allen Richtungen ausreichend Festigkeit, so kann ein Stand an einem Punkt errichtet werden. Neben normkonformen Bohrhaken kann ein Stand mit nur einem Fixpunkt an einem Köpfel, einem Block, einer armdicken Sanduhr oder einem dicken Baum errichtet werden.
Besteht die Gefahr, dass bei einer Sturzeinwirkung nach oben der Fixpunkt versagt (z.B. bei einem Köpfelstand), muss der Fixpunkt verspannt werden. Ist das nicht möglich, dann wird er in Ausnahmefällen mit dem Körpergewicht des Sichernden verspannt. In diesem Fall wird über Körper und einen Dummy-Runner am Fixpunkt gesichert. Der Dummy-Runner verhindert, dass der Stürzende in den Sichernden fallen kann:
Er bezeichnet eine Zwischensicherung am Stand, die garantiert, dass bei einem Stand-Sturz der Sturzzug im Sicherungsgerät nach oben wirkt und der Sichernde den Sturz halten kann.
Das weiche Auge der Schlinge dient am unteren Fixpunkt als Zentralpunkt. Hier sichert man sich selbst. Anschließend wird der obere Fixpunkt dazu geschalten und die Schlinge entsprechend mittels Sackstich oder Mastwurf verkürzt.
1.0 Vorbereitete Standplatzschlinge einhängen
1.1 Das weiche Auge bildet den Zentralpunkt am unteren Fixpunkt.
1.2 Selbstsicherung einhängen
2. Zur Selbstsicherung wird das Seil in der entsprechenden Länge mittels Mastwurf im Verschlusskarabiner eingehängt.
3. Sicherungsgerät einlegen
3.1 Jetzt wird das Sicherungsgerät eingehängt (Platte/Tuber zum Nachsichern, HMS oder Tuber für Vorstiegssicherung).
Stand an einem soliden und einem mobilen Fixpunkt
Eine Reihenschaltung kann auch bei zwei ungleich guten Fixpunkten angewandt werden, wenn ein solider Fixpunkt vorhanden ist. Neben dem soliden Fixpunkt können Normalhaken, Klemmkeile oder Klemmgeräte als zweiter Fixpunkt dienen.
Die Reihenschaltung kann entweder mit dem Seil(bei Wechselführung) oder mittels Standplatzschlinge aufgebaut werden. Wichtig ist dabei, dass der Zentralpunkt immer am unteren der beiden Fixpunkte platziert wird – unabhängig von der Qualität.
Ist man sich bezüglich der Qualität des „soliden“ Fixpunktes nicht sicher, wird im Zweifel eine Kräfteverteilung aufgebaut!
Zusammenfassung
- Übersicht verschaffen, Fixpunkte bewerten
- Zentralpunkt am tieferen Fixpunkt einhängen
- Selbstsicherung im Zentralpunktauge
- Oberen Fixpunkt dazu schalten und ablängen
- Sicherungsgerät zum Nachsichern einhängen
Merke: Der Zentralpunkt wird immer am unteren Fixpunkt aufgehängt. Wenn beide auf gleicher Höhe sind, dann ist der Zentralpunkt der, der in Kletterrichtung zeigt!
Kräfteverteilung
Stand an zwei mobilen Fixpunkten
Sind zwei mobile oder nur zwei fragliche Fixpunkte vorhanden, sollte der Standplatz verbessert werden. Geht das nicht und ist ebenfalls kein anderer Standplatz erreichbar, dann muss der Kletterer eine Kräfteverteilung aufbauen. Die Kraft wird auf beide Fixpunkte am Stand verteilt. Im Falle eines Sturzes ist die Kraft möglichst gleichmäßig auf beide Fixpunkte verteilt und bei Ausbruch eines Punktes kommt es zu keinem zusätzlichen Krafteintrag.
Bei zwei mobilen oder fraglichen Fixpunkten (z.B. Normalhaken), hängt der Kletterer für die Kräfteverteilung eine ausreichend lange Schlinge in den oberen und unteren Fixpunkt ein. Dann hängt er mit dem Mastwurf oder Ankerstich einen Zentralpunktkarabiner ein.
Südtiroler Stand
Beim Südtiroler Stand verwendet der Kletterer keine Karabiner in den Fixpunkten. Stattdessen wird der Stand mit einer vernähten Bandschlinge oder einer offenen Kevlar- oder Dyneema-Reepschnur aufgebaut, um schnell und einfach mehrere Fixpunkte zu verbinden. Um das Anbringen und Lösen zeitaufwendiger Knoten zu vermeiden, wird der Zentralpunktkarabiner mit einem Ankerstich in die Schlinge geknüpft.
Wird eine offene Kevlar- oder Dyneema Reepschnur verwendet, wird diese nach dem Fädeln mit einem einfachen Sackstich verknotet.
Standplatzbau an mehreren fraglichen oder mobilen Fixpunkten
Bei einem Stand mit mehreren fraglichen oder mobilen Fixpunkten, wie z.B. an Normalhaken, Keilen oder Klemmgeräten, muss eine Kräfteverteilung aufgebaut werden. Mit einer langen Reepschnur aus Dyneema oder Kevlar (5,5 mm; 6 – 7 m) oder einer langen, vernähten Dyneema-Bandschlinge (2,5 m), werden alle Fixpunkte miteinander verbunden. Offene Kevlar- oder Dyneema Reepschnüre werden mittels Sackstich verknotet. Der Zentralpunkt wird mit einem Ankerstich um den Verschlusskarabiner eingeschlauft.
1. Selbst- und Partnersicherung
1.1 Nun wird wiederum die Selbst- und Partnersicherung im Zentralpunkt eingehängt.
2. Zentralpunkt aufbauen
2.2Jetzt zieht man alle Schlingen-Abschnitte zwischen den Fixpunkten nach unten und schafft mit einem Verschlusskarabiner einen Zentralpunkt, indem man einen Ankerstich auf den Karabiner legt.
3. Durchfädeln durch alle Fixpunkte
3.1 Dazu wird die offene Reepschnur durch alle Fixpunkte durchgefädelt und dann mit einem Sackstich verknotet.