Die jungen Wilden im Interview [Elias Arriagada Krüger]
Es gibt Boulder, die mich inspirieren
Es lief gut für Elias Arriagada Krüger bei der Deutschen Meisterschaft Bouldern: die Quali und das Halbfinale beendete er auf Platz 1. Im Finale dann konnte er einen der Boulder nicht toppen, was für den jungen Berliner Silber bedeutete. Eigentliches Ziel war zwar der Meistertitel, sagte Elias ein paar Tage vor dem Wettkampf im Interview mit Ks.com, aber: „Ich bin sehr stolz und zufrieden mit meiner Performance, da ich in der Lage war, wirklich alles zu geben und zu zeigen, was ich kann.“
Richtig gut lief es für den 23-Jährigen zuletzt auch am Fels, seit 2023 ist er im Abzockmodus unterwegs. Dort fühlt er sich offensichtlich wohl und liefert ab, seine Ticklist zumindest ist lang und beeindruckend: „From Dirt Grows The Flowers“ (8C), der Klassiker von Dave Graham, findet sich da beispielsweise. „Es war ziemlich geil, das zu klettern“, sagt Elias. Oder die „Unendliche Geschichte 1+2+3“ (9a). „Benchmark für mich und für mein eigenes Klettern aber war Dreamtime (8C) und Off the Wagon (8B+)“, sagt Elias. Es habe gedauert, bis er realisiert hat, dass er solche Boulder klettern kann.
Elias, ein paar schnelle Fragen zum Warmmachen: Plastik oder Fels?
Langfristig auf jeden Fall Fels.
Wieso Bouldern und nicht Lead?
Bouldern ist insgesamt ein sozialerer Sport – und leichter zugänglich.
Lieblingsgebiet?
Puh… es gibt viele Gebiete, die ich sehr mag. Es sind aber eigentlich immer eher einzelne Boulder, einzelne Linie, die mich faszinieren und die ich gerne machen würde. Aber wenn ich ein Gebiet auf die Schnelle nennen müsste, würde ich Gotthard sagen.
Wann warst du zuletzt am Seil?
Hm, gute Frage… weiß ich tatsächlich nicht mehr. Warte, das war vor ein paar Monaten in Innsbruck.
Wie bist du zum Klettern gekommen?
Ich habe früher ein paar Jahre Leichtathletik gemacht. Als ich zehn Jahre alt war, habe ich bei einem Leichtathletik-Event einen DAV-Stand entdeckt, die hatten da auch eine kleine Kletterwand. Ich bin daran geklettert und habe dann nie mehr damit aufgehört.
Was fasziniert dich so am Klettern?
Ich habe ziemlich viel durchprobiert, Badminton, Tennis oder Karate beispielsweise. Aber das waren immer Sportarten, die ich nur kurz gemacht habe – beim Klettern ist das anders. Klettern ist vielfältiger und komplexer, ist immer wieder etwas anderes. Es sind nie die gleichen Abläufe. Das ist ein sehr facettenreicher Sport, das Spektrum beim Bouldern oder Lead ist viel größer als bei anderen Sportarten. Es ist für mich aber auch Lifestyle, ich fühle mich in der Community sehr wohl. In den vergangenen Jahren habe ich durch das Klettern viele Menschen kennengelernt und Freundschaften geschlossen. Das Klettern ist ein sehr offener Sport.
Du hast mit dem Klettern angefangen als du zehn Jahr alt warst. Ab wann wurde es mehr als etwas, was man gerne macht?
Das war 2019, ich habe damals Abi gemacht, wurde in den Nationalkader aufgenommen und konnte an meinen ersten internationalen Jugendwettkämpfen und dem ersten Weltcup teilnehmen. Seit 2019 kann ich mich komplett aufs Klettern konzentrieren. Insofern war das für mich ein Schlüsseljahr.
Was ist für dich der Reiz an Wettkämpfen?
Das ist nicht unbedingt der Vergleich mit den anderen Jungs. Sondern eher, dass ich auf den Punkt abliefern muss, dass die eigene Performance möglichst perfekt sein sollte. Bei Spaßwettkämpfen läuft das ganz gut. Mein Ziel ist, das auch bei den Weltcups zu erreichen, das ist für mich gerade das Wichtigste.
Hört sich so an, als hätte sich bei dir der Schalter bei Weltcups noch nicht so richtig umgelegt…
Ja, das Gefühl habe ich. Ich war schon ein paar Mal close, aber es hat nie gereicht. Physisch habe ich zugelegt, das ist nicht mehr der Grund – da kann ich mittlerweile mithalten. Aber mental läuft es noch nicht optimal, der Kopf müsste noch stimmen. Es sind noch oft viele Kleinigkeiten, die mich aus dem Konzept bringen. Ich hoffe, dass es beim Weltcup in Innsbruck klappen wird.
Wie gehst du mit Niederlagen um?
Letztes Jahr lief es bei den Wettkämpfen nicht optimal, ich war häufig krank und es war sehr frustrierend. Ich brauche dann erst einmal Abstand von dem Ganzen, meistens fahre ich dann raus an den Fels. Dort finde ich Ruhe, kann mich auf mich und das Klettern konzentrieren, ohne Stress zu haben. Grundsätzlich aber versuche ich, aus Niederlagen zu lernen und die Energie mitzunehmen, um einfach noch besser zu werden.
Olympia steht ja momentan absolut im Mittelpunkt, alle anderen Wettkämpfe scheinen eher Nebensache zu sein. Findest du das manchmal nicht so ganz witzig?
Jein. Also ehrlich gesagt bin ich eigentlich froh, dass ich da nicht drinstecke, das ist noch einmal eine ganz andere Nummer – das ist schon extrem stressig. Was mich aber nervt, ist, dass die Boulder-Weltcup-Saison so gestreckt und verteilt ist. Im April der China-Weltcup, erst jetzt im Juni der nächste in Innsbruck… im August sind dann die Olympischen Spiele und Weltcups erst wieder im September und Oktober. Das heißt, dass ich in dieser Saison eine Ewigkeit in Kletterhallen verbringen werde, um mich auf die Wettkämpfe vorzubereiten. Trips sind da nur sehr schwer planbar.
Trotzdem die Frage: sind die Olympischen Spiele nicht auch für dich ein Traum?
Also 2028 wird es in Los Angeles sehr wahrscheinlich Bouldern als eigene Disziplin geben. Und da hätte ich dann auf jeden Fall Interesse. Wenn sich bei mir der Schalter umlegt, dann wäre das sicher mein Ziel, dort zu starten. Olympia ist sicher für jeden Spitzensportler ein Traum – das ist einfach etwas ganz Besonderes… aber es wäre mir nicht so wichtig, dass ich deswegen komplett auf den Fels verzichten würde.
Was sind deine Ziele für 2024?
Ja, wie gesagt, ich fühle mich da ein bisschen lost, weil ich nicht groß planen kann. Bei den Weltcups werde ich mit dem Ziel, es ins Halbfinale zu schaffen, starten – und dann habe ich noch eine Liste mit Bouldern, die ich gerne klettern würde. Wahrscheinlich werde ich den Sommer über in den Alpen bleiben und dort ein paar Sachen versuchen, eine oder zwei 8c’s würde ich mir in diesem Jahr schon noch gerne holen. Und Ende des Jahres – nach den Wettkämpfen – dann vielleicht einen Trip in die USA oder nach Chile machen. Mein Vater ist Chilene, mein Halbbruder lebt auch dort. Ich war im vergangenen Herbst nach 15 Jahren das erste Mal wieder in Chile und ich hatte eine echt gute Zeit – auch die Klettercommunity dort ist sehr toll. Ich werde es dann aber spontan entscheiden, wohin es gehen wird.
Gibt es denn Boulder, die du irgendwann in deinem Leben mal unbedingt machen möchtest?
Klar, The Finnish Line in den Rocklands beispielsweise, das ist eine 8C. Eine krasse Kingline. Davon träume ich nicht nur, sondern es ist realistisch, dass ich das inzwischen klettern kann – und es ist cool, das zu realisieren. Also es geht mir nicht um den Grad, nicht darum, eine 9A zu bouldern – das ist für mich nicht so wichtig und beeindruckend, wie eine 8C zu machen, die eine grandiose Linie ist. Es gibt Boulder, die mich inspirieren, die eine mega coole Optik, schwere und coole Züge haben. Understanding, das ist ein 8C-Boulder im Magic Wood, zählt beispielsweise auch dazu.
Was machst du eigentlich, wenn du nicht kletterst?
Zum Beispiel filme und schneide ich Videos für Blocz und Lines, das ist ein Youtube-Channel von Kletterer für Kletterer. Oder ich mache für meine Sponsoren Blocz und Ostbloc Designs für T-Shirts oder so. Also ich bin immer beschäftigt, aber grundsätzlich würde ich gerne studieren – etwas Kreatives, wie Grafikdesign. Es muss nur hier in Berlin sein. Ich habe schon einmal mit einem Fernstudium begonnen, war dafür dann aber nicht diszipliniert genug – und habe das wieder abgebrochen.
Am Wochenende ist jetzt aber erst einmal Deutsche Meisterschaft Bouldern. Dein Ziel?
Platz 1 natürlich.
Video-Link: https://youtu.be/HO7Fc-OtEhg?si=cOhK1v7i-Xo19mSg