„Es war ein aufregendes Event“ Die erste Deutsche Meisterschaft im neuen Olympic Combined Format – ein Resümee von Bundestrainern und Athleten

Es war Neuland für alle: Die erste Deutsche Meisterschaft im Olympic Combined Format ging am vergangenen Wochenende im neuen Landesleistungszentrum Augsburg über die Bühne. Für die Zuschauer war es spannend bis zum Schluss, von den Athleten, die nacheinander in den Disziplinen Speed, Bouldern und Lead antreten mussten, forderte es viel ab. Am Sonntag war beim Finale auf der Suche nach dem besten Allrounder dann noch einmal Schnelligkeit, Maximalkraft und Ausdauer gefragt. Bei den Damen gewann die jüngste Finalistin, die 17-jährige Frederike Fell aus Freising. Bei den Herren war es Jan Hojer, der derzeit wohl erfahrenste deutsche Wettkampfkletterer, der Deutscher Meister wurde. Kletterszene.com sprach mit Bundestrainer Urs Stöcker über die Premiere.

Ks.com: Urs, was ist dein persönliches Resümee?

Urs Stöcker: Der Wettkampf war hervorragend organisiert und verlief absolut reibungsfrei. Das ist nicht selbstverständlich in einem neuen Format,  zeigt aber, wie erfahren der DAV in der Organisation von Wettkämpfen ist. Das neue Format war für die Athleten, als auch für uns Bundestrainer sehr interessant, um taktische Schlüsse aus dem Ablauf, der Belastung und der mentalen Einstellung der Athleten in diesem Dreikampf zu gewinnen. Damit können wir uns noch zielgerichteter Richtung Kombinations-WM in Innsbruck 2018 und die Olympiaqualifikation 2019 vorbereiten.

Wie bewertest du die Damen-Konkurrenz?

Freddi zeigte ihre ansteigende und bestechende Form. Sie war seit je her ein roher Diamant, der hin und wieder bei den Jugend-Europacups im Bouldern aufgeblitzt ist. Nun scheint der Knoten geplatzt und sie kann in allen drei Disziplinen ihr Potential zeigen. Ich freue mich, in Zukunft noch mehr von Freddi zu sehen und sie auf dem Weg nach Olympia zu unterstützen. Auch Hanni Holfeld zeigte eine beeindruckende Leistung und konnte ihr großes Klettertalent in den Disziplinen Lead und Bouldern unter Beweis stellen. Eine kleine Überraschung war Roxana auf dem dritten Rang, die schon die ganze Saison eine stetige Steigerung zeigte und durch ihre Neugier und Freude an den gestellten Herausforderungen überzeugt. Leider war die Top-Favoritin Hannah Meul nicht zugegen, da sie sich für die kommenden Jugend-Weltmeisterschaften und die Jugend-Olympiade schonte. Auch die zweite Favoritin Alma Bestvater musste wegen einer Verletzung am Handgelenk den Wettkampf abbrechen.

Und bei den Herren?

Jan war mit Yannick klare Favoriten in diesem neuen Format. Jan konnte mit seiner Abgeklärtheit und Erfahrung den entscheidenden Vorteil heraus kitzeln. Es wird spannend werden, wer von beiden in Zukunft die Nase vorne hat. Zumindest hat Jan nun einen Jäger. Jan ist ein Wettkampftyp und ich bin mir sicher, dass er dadurch nur noch stärker wird. Bei den Männern haben sich die Kombinationsfavoriten in der Qualifikation durchgesetzt und alle Finalisten haben ihr Können und auch Potential in dieser neuen olympischen Disziplin gezeigt. Insbesondere David Firnenburg und Alexander Averdunk. Es wird interessant, welche zwei Herren sich für Olympia qualifizieren können. Dabei ist auch Alex Megos nicht zu vergessen, der aufgrund seiner Finalteilnahme am Weltcup in Chamonix mit dem Erklettern der ersten deutschen Weltcup-Medaille dieses Jahres bei der DMOC fehlte.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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Frederike Fell, Deutsche Meisterin:

Bei ihr habe es eine ganze Weile gedauert, bis sie realisiert habe, Deutsche Meisterin zu sein, erzählt die 17-Jährige. „Damit gerechnet habe ich nicht, mein Ziel war die Finalteilnahme. Aber ich bin natürlich überglücklich.“ Den Wettkampf fand die Freisingerin cool. Der Dreikampf sei zwar ungewohnt gewesen, aber sich zwischen den Disziplinen umzustellen, fand sie nicht so schwierig. „Man weiß ja zuvor, dass es so sein wird.“ Speed, Lead und Bouldern parallel zu trainieren, findet Frederike dennoch schwierig: „Man hat immer das Gefühl, nicht genügend für jede Disziplin zu trainieren – alleine schon aus Zeitgründen.“

 

Jan Hojer, Deutscher Meister:

Für Jan war die erste DMOC ein Probelauf: „Man muss noch ein bisschen daran arbeiten. Bei der Quali waren beispielsweise die Pausen zwischen den Disziplinen zu lange“, sagt er. Das neue Format optimal zu trainieren, ginge nur in Vollzeit – nebenbei zu studieren oder zu arbeiten, sei nicht möglich. Zwar sei der Fokus auch in Deutschland nun mehr auf das Klettern gerichtet. „Der DAV leistet all das an Unterstützung, was ich mir erwarte“, betont Jan. Es gebe keinen Verband, in dem er lieber sein würde. Aber als Profi-Kletterer in Deutschland zu leben, sei derzeit noch immer nur wenigen Athleten möglich – leider.

 

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Yannick Flohé, 2. Platz:

Er fand den ersten Wettkampf im Olympic Combined „überraschend gut“ organisiert: „Alles ging flüssig über die Bühne. Es hat Spaß gemacht“, sagt der 18-Jährige. Mit seiner Leistung sei er auf jeden Fall zufrieden, „Jan ist einfach stärker als ich im Overall“. Und er habe Speed gewonnen. Dass er als Kandidat für Tokio 2020 gilt, setzte ihn nicht unter Druck. „Wenn es klappt, wäre es natürlich toll“, sagt der Essener. Aber er richte nicht sein Training auf dieses Ziel aus: „Andere Wettkämpfe – wie jetzt die Jugend-WM im August – sind mir auch wichtig.“

 

Bundestrainerin Friederike Kops:

„Für mich war es ein aufregendes Event“, sagt Friederike Kops. „Sportlich ist es ein sehr interessantes Format – und trotz langer Dauer kurzweilig für die Zuschauer.“ Die Veranstaltung sei sehr gelungen, lobt Kops. Wenn es auch für sie noch ein paar Stellschrauben gibt, an denen gedreht werden könnte. „Beim Routenbau beispielsweise. Dass bei den Damen im Finale beim Lead alle an der gleichen Stelle gefallen sind, war nicht so optimal.“ Von den Athleten allerdings werde nun eine ganz andere Leistung abgefragt  – da sie ja nicht nur, wie gewohnt, in einer Disziplin starten. „Die müssen sich mental andauernd umstellen – das ist kopfmäßig sehr anspruchsvoll. Der Dreikampf fordert auch eine ganz andere Substanz. Die Kräfte müssen eingeteilt werden, die Haut möglichst geschont werden“, sagt sie. Wie die Athleten zukünftig  alle drei Disziplinen parallel und sinnvoll trainieren können, sei aber auch beim DAV noch ein experimentelles Feld: „Das ist noch die große Frage.“

 

https://youtu.be/fb6xi2c539Y