Alexandra Schweikart über ihre Begehung von El Corazon im Yosemite Park

Alexandra Schweikart war diesen Herbst mit Seil- und Lebenspartner Christopher „Frodo“ Igel in den USA, genauer dem Yosemite National Park, um am El Capitan die Huberbuam Route El Corazon (8a / 35 Sl.) zu klettern.

Der El Capitan mit seiner 900 Meter hohen Granitwand übt eine magische Anziehungskraft auf jeden Kletterer aus. Von den Bildern, die man beispielsweise vom Einstieg kennt, sieht man das vermeintlich flache Gelände und schnell ist auch die — ebenfalls vermeintliche — Vorstellung, dass man da hochkommen könnte, da. Zur Not kann man ja Trittleiter und Skyhooks verwenden. Dass der Schein auf den Fotos trügt und der El Cap nicht immer mitspielt durften schon viele, sehr viele Seilschaften am eigenen Leib erfahren und sind unverrichteter Dinge wieder heimgefahren. Was im Endeffekt bedeutet, so viele Begehungen wie Anreisen ins Camp 4 hat die Wand im Yosemite nicht. Und dass Mädels auch noch gleich ’ne schwerere Route frei und Rotpunkt klettern, geht quasi gegen Null.

Alexandra Schweikart El Capitan1Fast am gleichen Tag, nur 14 Jahre früher als Alexandra und Christopher, standen Alex Huber und Maxi Reichel mit einer Idee am Einstieg des El Capitans.

Der Plan war die Erstbegehung von El Corazon (10-/ 35 Sl.), einer Kombination aus den Routen Salathé, Albatross, Son of Heart, Heart Route und einigen neuen Varianten. Nachdem sich Alex insgesamt sechs Tage mit dem Freiklettern einzelner Seillängen auseinandersetzt hatte und dieses ausreichend ausgebouldert hatte, stieg er am 3. Oktober nochmals ein um El Corazon in einem Zug Rotpunkt zu durchsteigen. Was ihm auch nach drei Klettertagen gelang.

Wie schon gesagt, standen nun auch Frau Dr. Schweikart und Herr Igel mit Portaledge, ca. 80kg Friends, Klemmkeilen und sonstiger Eisenhartware, plus Verpflegung für acht Tage und demselben Plan wie Herr Huber am Einstieg von El Corazon.

Aber das ist so’n Ding mit einem Plan! Meistens sind da ein paar Faktoren am Start — Wetter zum Beispiel — die man nicht 100%ig einplanen kann. Da können dann mal schnell aus acht Tagen, zwölf Tage werden und das geplante Essen muss dann 700 Meter über dem Boden bei bescheidensten Bedingungen reduziert werden. Dies ist aber nur ein Teil der Geschehnisse, die in der Wand passiert sind. Grund genug Richtung Bodensee aufzubrechen und bei den beiden Protagnisten mal nachzufragen, wie es denn so am El Capitan war.

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Servus, ihr Zwei! Ihr seht ja wieder ganz fidel aus.

Danke Gerhard. Als wir nach der Tour wieder im Tal waren haben wir sogleich unsere jährliche, spätherbstliche Kletterpause ausgerufen und die restlichen Tage in den USA haben wir die amerikanische Küche genossen (hauptsächlich Burger mit Pommes). Und spätestens seit Weihnachten mit der Familie vorbei ist, können wir die Existenz des Jojo-Effekts bestätigen!

Wie würdet ihr in einem Wort rückblickend euren Trip beschreiben?

#Werockhardbutrocksrockharder

Was macht das Klettern am El Capitan eigentlich so „schwer“, so dass doch verhältnismässig viele Seilschaften den Weg in die Heimat unverrichteter Dinge antreten müssen.

Die meisten Seilschaften unterschätzen die Logistik. Die Alexandra Schweikart El Capitan2Handhabung der Statikseile, Tagline, und Kletterseile mit schwerem Haulbag und auch der Standplatzbau müssen sitzen. Wer hier keine Erfahrung aus den Alpen mitbringt verschießt zu viele Körner beim ‚learning by doing‘ im Yosemite. An zweiter Stelle kommen dann die Kletterschwierigkeiten, die auch in der „am wenigsten schweren“ freien Big Wall  Route am El Cap, dem Freerider, schon 5.12d, 7c (Rissbewertung) sind. Rissklettern ist nochmal ein ganz anderer Sport als Alpinklettern: alles selber absichern mit 25 Cams am Gurt und völlig andere Kletter-und Klemmtechniken! Die Psyche spielt eine große Rolle, spätestens, wenn man in einem unabsicherbaren Risskaminsteckt. Dann ist es nämlich egal, ob man 6er oder 10er klettern kann, der Kopf muss mitspielen!

Wie habt ihr euch denn konkret auf die Reise vorbereitet? Also abgesehen von der Kletterei. Da steckt ja doch einiges an Logistik und Planung dahinter…

Die Vorbereitung aufs Rissklettern ist schon der wichtigste Part, sonst verbringt man seinen gesamten Yosemite Urlaub mit Vorbereitung aufs Rissklettern ;)  Zu empfehlen sind: Valle dell’ Orco, das Tessin, Chamonix natürlich und der Petit Clocher du Portalet in der Schweiz. Eigentlich ist die Planung recht einfach! Ein Trip ins Yosemite ist doch recht ‚zugänglich‘. Mit dem Flugzeug nach San Francisco und mit dem Mietauto weiter ist man in weniger als 24 Stunden im Camp 4.
Das komplexeste und wichtigste ist eher das Packen für die Big Wall selbst. Wir haben im Tessin schon mal geübt, das volle Programm: Klettern, haulen, im Portaledge schlafen und das morgendliche Geschäft in Tüten verpacken! Wenn man kein eigenes Portaledge oder keinen Haulbag hat, findet man immer jemand vor Ort der eins auszuleihen oder zu verkaufen hat. Auch der Gebrauchtwaren Handel im Camp 4 kann sich sehen lassen.

Gab es dann vor Ort noch „Überraschungen“ oder lief alles soweit nach Plan? Und wie seit ihr an die Sache mit El Corazon herangegangen?

Alexandra Schweikart El Capitan3Ohja, ein wirklich großes Problem war das Ausmaß der Dürre dieses Jahr im Yosemite. Praktisch alle Bäche oder Quellen oberhalb des Talbodens waren ausgetrocknet. Wir sind zweimal in die Wand vom Gipfel reingeseilt um die schweren Längen am Ende der Tour auszubouldern. Beim zweiten Reinseilen haben wir einen Sack voll Wasserkanister in der Wand deponiert um Gewicht beim Durchstieg zu sparen. Normalerweise gibt es am Gipfel vom El Capitan eine Quelle. Das Wasser mussten wir aber aus einem Bachbett schöpfen, das bis auf wenige tiefe Pfützen vollständig ausgetrocknet war. Wir haben mit Kaffeefiltern den groben Dreck gefiltert und das Wasser anschließend mit UV-Lampe und Jod-Tabletten gereinigt. Das Wasser hatte dann die Farbe von Pipi und den Geschmack von Hallenbad. Ein Genuss!
Ein großartiger Schachzug war auch, einen unserer Chalkbags am zweiten Tag der Tour ins Tal zu werfen! So mussten wir für die restlichen 20 Seillängen immer den Chalkbag an einer dünnen Tagline hin-und hergeben-vom Vorsteiger zum Nachsteiger.

Wir haben gehört, dass auch Guido Unterwurzacher — begnadeter Alpinist mit diversen 8b-Alpinseillängen in der Tickliste — am Start war. Da es mit Guido nie langweilig wird, habt ihr bestimmt auch die ein oder andere Story am Start, die wir hören sollten?

Phänomenal! Guido ist super, aber Stories sind eben nur Stories, man muss Ihn erlebt haben! Wir verraten aber so viel: Er hat neben seiner Bergschule und seiner Familie ein Abrissunternehmen gegründet, das sich auf hohe Wände spezialisiert hat, und auch von Nationalpark-Rangern mit Elektroschockwaffen solltet Ihr euch mit ihm fernhalten =)

Mal ganz allgemein gefragt, wie läuft denn der Alltag so in einer Mehrtagesroute? Wer kocht, wie geht man da auf’s Klo, und habt ihr auch „spezielle“ Utensilien dabei, wie beispielsweise die Favresse-Brüder, die ja immer ein Sammelsurium an Musikinstrumenten mitschleppen.

Man sagt „anything is a bigwall thing if you attach a carabiner to it“ Johannes Ingrisch.3alles was man dabei hat braucht einen Aufhänger, der auch tunlichst benutzt werden sollte, sonst gibt’s lange Gesichter, wenn der Schlafsack oder gar der Kocher ins Tal rauschen. Kochen, Räumen und sich Bewegen macht man immer zu zweit, da das Portaledge gut und gerne mal 20 cm absackt, wenn einer von beiden ohne Vorwarnung aufsteht. Das anstrengendste aber ist der begrenzte Raum: während man in der Wand ist geht man keine 10 Schritte, man sitzt, liegt oder hängt im Gurt! Für die Toilette hatten wir eine Kinderschaukel als Donnerbalken dabei und mit etwas Übung kann man sauber in eine Tüte machen. Gut verschnürt kommt diese dann in eine ‚Poop-Tube‘, ein luftdicht verschließbares PVC Rohr. Wer sein Recycling auf dem schnellen Wege entsorgen will muss im National Park mit drakonischen Strafen rechnen, die weit aus harmloser sein dürften als der Unmut der anderen Kletterer.
Wir hatten ein Buch und eine kleine Musikbox dabei die wir fast im Dauereinsatz hatten. Das Buch (Grand Hotel von Jaroslav Rudis) war für die Pause/Regentage und wir haben uns abwechselnd daraus vorgelesen. Mit noch einem Tag Regen mehr hätten wir das Buch sogar ausgelesen bekommen. Pech, das Ende wird erst bei der nächsten BigWall verraten!

Abgesehen davon, dass wir unser bequemes Bett maximal mit na Matratze von ner Gite oder unserem Redaktionsbus tauschen, kommen wir nicht so schnell in die Versuchung ein Portaledge auszuprobieren. Sagt doch mal, wie ist es so mit 6, 7 oder 800 Meter Luft unterm Hintern zu schlafen?

Ziemlich geil! Vor allem die Füße über die Kante baumeln zu lassen und runter zu schauen macht einen irgendwie kribbelig!

Und wenn ein Unwetter – wie in eurem Fall – über den Schlafplatz zieht. Hat man da wenigstens ein mulmiges Gefühl? Man hängt ja nur mit ein paar Alustangen an nem Stahlhaken – und die Verbindung ist bei Regen bekanntlich nass.

Nö, wir haben schon ab und zu den Abstand zwischen Blitz und Donner gezählt aber näher als 1km war das Gewitter nie an uns dran. Der Blitz schlägt ja eher am Gipfel ein und außerdem ist man ja nur ein sehr kleiner Punkt in einer riesigen Wand! Ungut war eher der Wasserfall, der sich nach einiger Zeit Regen gesammelt hat und genau auf unser Portaledge geprasselt ist. Nach einer Weile war so viel Kondenswasser im Zelt, das wir auch im Zelt die Regenklamotten angezogen haben. Außerdem war’s irgendwann so laut, dass wir den Musikplayer nicht mehr hören konnten

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Wie ist das so, wenn man merkt, dass einem das Essen ausgeht, aber man noch ordentlich Klettermeter vor sich hat? Und wie kam es eigentlich dazu?

Wir hatten Essen für maximal 8 Tage dabei, dann kam der große Sturm und wir wussten, dass wir länger brauchen würden, vor allem die ‚Roof Traverse‘ Länge (die schwerste Seillänge der Tour, Seillänge 28) ließ sich einfach nicht knacken! Zu allem Überfluss hat sich Alex dann auch noch das Schlüsselbein ausgerenkt. Uns war aber beiden klar, dass wir solange in der Wand bleiben würden bis diese Länge geklettert ist oder wir wirklich gar kein Essen mehr hätten. Wir fingen an, das Essen zu rationieren. Zum Glück konnten wir die „Roof Traverse“ dann an Tag 11 kurz vor knapp punkten. An Tag 12 hatten wir für die letzten 6 Seillängenzum Gipfel, jeder noch einen Riegel und vier Zuckerpäckchen. Länger wäre dann wirklich nicht gegangen. Chrissi wollte in der Nacht den Riegel essen weil er vor Hunger nicht schlafen konnte. Glücklicherweise brachte ihn eine Halslutschtablette dann zum Einschlafen.

Menschen (Frauen), Hunger, Extremsituation, ziemlich viel Luft unter’m Hintern… das hört sich nach einer Lage an, bei der die Stimmung schnell kippen kann. Wie war das bei euch?

Alexandra Schweikart El CapitanGenau hier haben wir unser Ass im Ärmel. …. Wir haben gelernt an diesen angespannten und extremen Bedingungen Gefallen zu finden und immer noch Witze über die Situation zu machen und über uns selber zu lachen, anstatt uns zu ärgern. Die Ausgesetztheit und die kompromisslose Situation, dass du dem jetzt nicht entfliehen kannst, scheint uns sogar noch zu beflügeln. Du kannst eben nicht ‚heute mal keine Lust haben‘ oder ‚lieber etwas anderes machen wollen‘. Das Beste, um endlich aus dieser Wand wieder herauszukommen ist eben du kneifst die Arschbacken zusammen und gibst Vollgas. Schlussendlich blieb uns aber auch nichts anderes übrig, da Abseilen bei dieser Route ab der Hälfte unmöglich ist.

Hört sich ja fast an, wie ne schlechte Abnehm-Sendung auf einem der privaten TV Sender. Wenn man das leckere Trockenfutter nur noch auf Sparflamme essen darf, aber noch die ein oder andere Seillänge im Grad (welcher Grad?), die mit Bohrhaken nicht gerade übersät sind, vor sich hat. Kommt da nicht irgendwann der Punkt, wo man auf die freie Begehung verzichten möchte und einfach nur noch raus aus der Wand?

Es kommt tatsächlich der Punkt an dem die größte Motivation weiter zu machen diejenige ist, dass man – wenn man jetzt nicht aufgibt und es schafft – nie wieder nochmal antreten muss. Es gibt in der Wandmitte einige Seillängen, die man nur einmal im Leben klettern will: eine grausig brüchige 50 Meter Traverse, eine 9er Platte und die berüchtigten Klemmkamine: Nietzsche Chimney und Kirkegaard Chimney. Unser Entschluss stand also fest: es wird erst aufgegeben, wenn wir überhaupt kein Essen mehr haben!

Nachdem ihr dieses Abenteuer überstanden habt. Wohin geht’s als nächstes?

Wir bleiben erst einmal im Ländle und hoffen auf Frau Holle in Powder Contry, wir haben nämlich eine Ski Saisonkarte!

Danke ihr beiden und bis bald!

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Video-Link: https://youtu.be/k_4UXOF1SiU