Unfallzahlen auf Höchststand [DAV-Bergunfallstatistik 2022]

Der Deutsche Alpenverein veröffentlicht seit 1952 eine Bergunfallstatistik. Der aktuelle Berichtszeitraum reicht vom 1. November 2021 bis zum 31. Oktober 2022 und umfasst je die komplette Winter- und Sommersaison in den Bergen. Datengrundlage sind ausschließlich Meldungen zu Unfällen von DAV-Mitgliedern weltweit. Für das Jahr 2022 weist die DAV-Bergunfallstatistik einen Rekord bei den absoluten Unfallzahlen aus, bei einem gleichzeitigen Höchststand der Mitgliedschaften. Erfreulich ist, dass trotz des Bergbooms die Zahl der Toten auf verhältnismäßig niedrigem Niveau blieb. Auffällig hingegen: Die Unfälle durch Stein- und Eisschlag im Hochtourengelände nahmen zu. Dies belegt die Notwendigkeit eines adäquaten Umgangs mit den Veränderungen im Hochgebirge.

Unfallgeschehen erreicht Höchststand bei absoluten Zahlen 

Im Jahr 2022 waren insgesamt 1243 DAV-Mitglieder von Bergunfällen oder Notfällen betroffen. Absolut gesehen sind diese Zahlen so hoch wie nie zuvor in der Geschichte der DAV-Bergunfallstatistik. Allerdings hatte der DAV in diesem Jahr über 1,4 Millionen Mitglieder und damit ebenfalls so viele wie noch nie zuvor. Die Unfallquote ist deshalb nicht ungewöhnlich hoch, sondern befindet sich in etwa auf dem Niveau vor der Pandemie. Das bedeutet: Auf 1128 Mitglieder kommt im Durchschnitt ein Unfall oder Notfall. Ein Rekord bei den Unfallzahlen schlägt jedoch noch an einem anderen Punkt ins Gewicht: Bei der Arbeit der Bergrettungsorganisationen vor Ort. 

Die tödlichen Unfälle bewegen sich im dritten Jahr in Folge auf niedrigem Niveau. Im Jahr 2020 waren 28 tote Mitglieder zu beklagen, 2021 waren es 33 und im vergangenen Jahr 35.

Bemerkenswert ist das durchaus, denn in Coronazeiten waren deutlich weniger Menschen in den Bergen aktiv als in 2022, als die Restriktionen bereits deutlich nachgelassen haben. Zum Vergleich: Im Vor-Corona-Jahr 2019 kamen 54 DAV-Mitglieder beim Bergsport ums Leben, in den Jahren davor schwankte die Zahl zwischen 30 und 44. 

Höhere Temperaturen im Hochgebirge verstärken Stein- und Eisschlagaktivität

Neun Prozent der Unfälle beim Bergsteigen und Hochtourengehen waren in 2022 auf Stein- und Eisschlag zurückzuführen – deutlich mehr als in den Vorjahren. Damals lag der Anteil bei drei Prozent. Zwar können einzelne Ereignisse nicht dem Klimawandel zugerechnet werden. Doch das Auftauen des Permafrostes und die starke Gletscherschmelze infolge einer steigenden Null-Grad-Grenze sowie Hitzewellen führen zwangsläufig zu mehr Stein- und Eisschlag. Es gilt, durch eine entsprechende Tourenauswahl und -planung dem erhöhten Risiko entgegenzuwirken.  

Auch eine zeitliche Verschiebung von Unfallmuster und -ursachen zeichnet sich ab: Durch den schneearmen Winter und das warme Frühjahr haben sich im Jahr 2022 die Unfälle wegen Ausrutschens auf (Alt-)Schneefeldern in den März und April verschoben, anstatt wie üblich zwischen Mai und Juli. 

Die DAV-Bergunfallstatistik weist aber auch einen positiven Trend aus: Insgesamt gehen die Unfallzahlen beim Bergsteigen zurück. In 2022 waren 58 Unfälle und Notfälle zu verzeichnen, drei Mitglieder kamen ums Leben. Im Jahr 2021 betrugen diese Zahlen 74 und sieben, davor waren es 70 und fünf und 2019 59 und neun. 

Wandern: Blockierungen rückläufig 

Wandern ist nach wie vor mit großem Abstand die beliebteste Bergsportdisziplin der DAV-Mitglieder. Entsprechend hoch sind natürlich auch die Unfallzahlen: Im vergangenen Jahr waren 384 DAV-Mitglieder von Unfällen und Notfällen beim Wandern betroffen, 17 Menschen kamen ums Leben. Dabei bleibt die Quote im Rahmen der letzten Jahre, es ist kein neuer Trend zu erkennen. Die Blockierungen nahmen dabei einen Anteil von 23 Prozent ein. Im Vergleich zu den Vorjahren kann man hier eine absteigende Tendenz erkennen: 25 Prozent (2021), 33 Prozent (2020) und 34 Prozent (2019). Als Blockierungen werden diejenigen Notfälle geführt, bei denen die Betroffenen zwar nicht verletzt sind, jedoch die Tour aus eigener Kraft nicht mehr bewältigen können. 

Wintersport: Zahlen steigen wieder an

Im Winter haben die klassischen Disziplinen – Skitourengehen und Pistenskilauf – wieder das Unfallniveau vor Corona erreicht. Beim Skitourengehen waren 132 DAV-Mitglieder von Unfällen oder Notfällen betroffen, fünf kamen ums Leben. Bei den Ursachen steht der Sturz mit weitem Abstand an erster Stelle, Lawinen spielen bei den nicht tödlichen Unfällen nur eine untergeordnete Rolle. Im Tourengelände können eine solide Skitechnik und eine an die Verhältnisse angepasste Fahrweise sowie Geschwindigkeit Unfälle vorbeugen. Deutlich mehr Unfälle als beim Tourengehen haben sich beim Pistenskilauf ereignet: Insgesamt waren 375 DAV-Mitglieder betroffen, die allermeisten Unfälle (98 Prozent) wurden durch Sturz verursacht, vier Prozent davon durch Kollisionen. Dabei ist die Unfallquote so hoch wie seit 2011 nicht mehr. 

Trend bei Mountainbiken und alternativem Wintersport macht sich bemerkbar 

Bemerkenswert für den Winter sind zwei Zahlen für Disziplinen, die bislang nur sehr untergeordnet in der Unfallstatistik vertreten waren: Rodeln und Langlaufen. Während sich beim Rodeln elf Unfälle ereigneten, waren es beim Langlaufen 17. In beiden Fällen ist das eine Vervielfachung im Vergleich zu den Vorjahren. Zwar ist das Niveau relativ niedrig, aber der Sprung lässt den Trend vermuten, dass DAV-Mitglieder außerhalb der traditionellen Bergsportarten vermehrt auch andere Disziplinen ausüben. 

Mountainbiken ist im DAV seit Langem etabliert. Die Unfallzahlen weisen allerdings deutlich nach oben: Waren es 2016 noch 31 Verunfallte und 2019 41, so stiegen die Zahlen in den Folgejahren auf 65 (2020) und 54 (2021).

Im aktuellen Berichtszeitraum ereigneten sich 66 Unfälle und Notfälle. Bikeparks spielen im Unfallgeschehen eine immer größere Rolle. 

Detaillierte Zahlen finden Sie im Factsheet, das Sie unter folgendem Link herunterladen können.

  • Credits Text Franz Güntner/ DAV, kletterszene.com
  • Credits Fotos DAV/Wolfgang Ehn, DAV/Silvan Metz, DAV/Christian Pfanzelt, DAV/Julian Rohn,
  • Beitragsdatum 27. August 2023