Ueli Steck am Makalu Westpfeiler "8463m" [Abschlussbericht]
Seit einer Woche bin ich zurück in der Schweiz. Meine angefrorenen Füsse erholen sich langsam und ich habe bereits wieder mit dem Klettertraining begonnen. Der Alltag schleicht sich langsam wieder ein. Dennoch: Ich brauche diese Pause dringend. Der Makalu hat mich bis aufs Letzte gefordert.
Die Expedition war – trotz der Tatsache, dass ich den Gipfel des Makalu nicht über die ursprünglich geplante Route über den Westpfeiler erreicht habe – ein grosser Erfolg. Die Bedingungen waren auf der Normalroute bereits sehr schwierig, so dass eine Begehung über den Westpfeiler schlicht unmöglich war.
Von Lager zwei auf ca. 6500 Meter kämpften Robert Bösch und ich uns Richtung Gipfel. Wir wechselten uns immer wieder ab in der Spurarbeit. Stets waren wir am überlegen, wo die Sonne bereits am längsten auf die Schneeflächen geschienen hat, oder der Wind bereits Schnee abgeblasen hat oder – noch besser – wo Lawinen bereits über die Hänge abgerutscht waren und den Schnee weggeräumt haben, um so herauszufinden, wo am wenigsten Schnee liegen würde. Zusammen haben wir uns auf diese Art und Weise bis auf 7100 Meter hinaufgespurt und sind dann zurück ins Lager zwei abgestiegen. Immer neben der Spur, damit die Tritte vom Aufstieg nicht zerstört würden. Auf diese Weise hatten wir beim Wiederaufstieg tags darauf bereits festen Boden unter Füssen.
Am folgenden Tag beschliesst Andy nicht weiter aufzusteigen. Seine gesundheitlichen Beschwerden sind zu stark, um einen weiteren Aufstieg zuzulassen. Röbi Bösch und ich steigen alleine weiter auf. Das letzte Lager (Nr. 3), errichten wir auf einer Höhe von 7350 Metern. Von da waren es noch genau 1113 Meter bis Gipfel. Wieder und wieder kämpfen Röbi und ich uns durch die knietiefen Schneemassen. Draussen ist es noch stockdunkel. Um 3 Uhr morgens sind wir losmarschiert. Während einer Pause muss ich meine Füsse massieren. Röbi nimmt sich meinem rechten Fuss an, der sich bereits sehr hölzern anfühlt. Zusammen steigen wir bis auf 7900 Meter auf. Röbi entscheidet dann, abzusteigen. Es sei zu spät für ihn. Ich gebe mir Zeit bis 16 Uhr. Bin ich dann nicht auf dem Gipfel, kehre ich ebenfalls um. Ich denke, dass ich auch in der Nacht absteigen kann, da es ja bereits eine Spur gibt. So ziehe ich weiter. Meter um Meter. Die Sonne blendet, spendet aber nur wenig Wärme. Ich kämpfe. Versuche zu trinken und zu essen. Die Luft ist dünn. Endlos zieht sich der Grat dahin, der auf dem Gipfel endet. Ich schaue schon gar nicht mehr nach oben. Dann endlich bin ich oben angekommen. Der Gipfel ist Messerscharf. Dass ich nun da oben stehe, auf dem Gipfel des Makalu, auf 8463 Meter über Meer fühlt sich als nichts Aussergewöhnliches an. Schnell mache ich noch ein Selbstportrait, ziehe die dicken Fäustlinge an und steige ab.
Der Berg hat mich bis aufs Letzte gefordert. Noch jetzt spüre ich die Auswirkungen der enormen Belastung. Noch nie in meinem Leben habe ich so gekämpft. Es war am Ende eine reine Kopfsache. Mein Verstand sagte mir schon lange, ich solle dieser Quälerei ein Ende setzen. Der Wille trieb mich aber auf den Gipfel.
Wir sind alle gesund wieder zurück in der Schweiz. Meine Zehen erholen sich ganz langsam. Dank Röbi, der grossartige Spurarbeit geleistet hat und mir in grosser Höhe noch kräftig mein Zehen massiert hat, stand ich am Ende überhaupt da oben. Ich bedaure es sehr, dass er es nicht auf den Gipfel geschafft hat. Es wäre ein toller gemeinsamer Erfolg gewesen.
Danke auch an Andy. Auch er hat seinen Teil dazu beigetragen, dass ich auf dem Gipfel stand.
Herzlichen Dank für Eure vielen Mails und Eure moralische Unterstützung während der letzten beiden Expeditionen!
Unterstütz wurde diese Expedition von Petzl, Scarpa, Beal, Mountain Hardwear, Audi [KS: Wie weit kommt man wohl mit dem Quattro den Berg hoch und vor allem wie schnell? Die Speedbegehungen werden wir noch einmal unter die Lupe nehmen müssen! ;o) ]Suunto, Julbo, Nikon ….
Text: Ueli Steck / Patricia Bamert Fotos: Ueli Steck