1300 Kilometer und 2 Erstbegehungen – es geht weiter
Alle reden von Micro-Abenteuern vor der Haustür. Der WALLRIDE von Stefan Glowacz und Philipp Hans beginnt ebenfalls vor der eigenen Haustür – als Macro-Abenteuer über 2500 Kilometer und 50.000 Höhenmeter, mit 3 Kletter-Erstbegehungen in 3 Ländern.
Sie sind mit dem Rad zur Arbeit gefahren. Stefan Glowacz und Philipp Hans schwangen sich auf die Sättel ihrer Fullys und strampeln nach Süden.
Zur Arbeit, das bedeutet für die beiden Kletterer meist: in die Berge, zu einer Felswand. Oft in abgelegenen Regionen am Ende der Welt, als Expedition. Da fährt man nicht mit dem Fahrrad. Die allermeisten nehmen das Flugzeug. Oder man ist mit Segelboot, Kanu und zu Fuß unterwegs, wie es Stefan Glowacz bei seinen bisherigen Expeditionen gemacht hat. Diesen Stil nennt man „by fair means“, also mit möglichst wenig technischem Aufwand und ohne Unterstützung etwa durch Hubschrauber ab dem letzten Punkt der Zivilisation.
Aber warum immer in die Ferne schweifen? Das dachte sich Stefan während vieler eintöniger Stunden bei einer Expedition auf dem schier endlosen grönländischen Inlandeis. Die Idee einer „Alpenexpedition“ war geboren: WALLRIDE.
Ich habe Freude daran, zwei Sportarten miteinander zu verbinden. Im Klettern kenne ich mich aus, das ist meine zentrale Leidenschaft. Aber mich interessiert mehr. Das war auch bei meinen bisherigen Expeditionen so. Ich suche neue Aspekte, um ein Projekt und auch mich selbst zu entwickeln.
Erstbegehung an der Croda Bianca
Aus der Horizontalen in die Vertikale: Nach fast 400 Kilometern und 9000 Höhenmetern auf dem Bike stiegen Stefan Glowacz und Philipp Hans in den Dolomiten vom Sattel in die Klettergurte.
Die Felskathedrale der Croda Bianca mit ihrer 800 Meter hohen Südostwand war das erste Bergziel des Wallrides. Die Marmarole-Gruppe ist ein relativ einsames Gebirgsmassiv südöstlich von Cortina d’Ampezzo. Sehr oft bleiben Kletterer an Traumzielen wie der Tofana, den Drei Zinnen oder der Sella lange vor dem weltbekannten Städtchen hängen. In die Marmarole verirren sich die Wenigsten. Genau dies war für die beiden Abenteurer ein Grund, in dieser wilden Dolomiten-Region eine Erstbegehung zu versuchen.
Die Spanier sind bei der Fußball-WM gegen Italien rausgeflogen. Aber der Sport und die Berge können Grenzen überwinden. Ein stolzes „Cumbre“ ist zwar Spanisch, passt aber am Gipfel der 2841 Meter hohen Croda Bianca ebensogut wie ein gesungenes „Sommità“, um die Freude über eine Erstbegehung mit der Welt zu teilen.
Zwei Tage waren Stefan und Philipp in der Wand. Mit minimaler Ausrüstung konnten sie ihre Route „Wallride Volume 1“ erstbegehen. Schwierigkeiten bis zum 8. Grad (UIAA), über 20 Seillängen, Wind, Wetter, Ungewissheit.
Unser Ziel war es, eine schöne, logische und möglichst schwere Linie zu klettern, nicht, den Weg des geringsten Widerstands zu suchen. Wir sind minimalistisch unterwegs und haben nicht lange Zeit. Deshalb müssen wir bei unseren Routen genau abwägen und einen Kompromiss aus Schwierigkeit und Schnelligkeit finden. Das ist uns hier bei unserem ersten Kapitel geglückt.
sagt Stefan
Das Abenteuer kam dabei nicht zu kurz.
Die Marmarole kannte ich bisher noch nicht. Das machte es extra spannend. Und oben war es noch nicht vorbei. Der Abstieg folgte dem Normalweg, aber hey, das ist echt anspruchsvoll, richtiger Oldschool Alpinismus. Es lag relativ viel Schnee, teilweise haben wir Schneefelder runter gesichert. Wir waren froh, als wir wieder unten waren.
Ein Weg ohne Spuren: „Leave no Trace“
Der CO2 Abdruck der beiden „Wallrider“ auf ihrem langen Weg ist minimal. Essen, Atmen, fertig. Und auch auf ihren neuen Wegen am Berg hinterlassen sie keine Spuren. Stefan und Philipp haben eine neue Kletterroute begangen, beließen aber keinerlei Material in der Wand: keine Bohr- oder Normalhaken, kein Schlingenmaterial und natürlich keinen Müll.
Spuren hinterlässt der Wallride trotzdem – auf seine Art, körperlich und mental: Die Anstrengung schlaucht und das Erlebnis bleibt für immer. Den Ruhetag auf der Chiggiato Hütte feierten Stefan und Philipp zusammen mit den Italienern. Italien wurde Fußball-Europameister. Cumbre. Campiones. Auch hier gilt: nach dem Spiel ist vor der Tour. Das zweite Kapitel hat begonnen. Der Wallride führt weiter in die Schweiz Venga, zum nächsten Gipfeli!