Silvan Schüpbach, Matteo Della Bordella und Symon Welfringer kehren erfolgreich aus Grönland zurück
Vom 25. Juli bis 18. August war das Schweiz-Italienisch-Französische Team in der Wildnis von Grönland unterwegs. Die 350km von Tasiilaq zum Base Camp und zurück legten die drei aus eigener Kraft per Kayak zurück. Das Base Camp wurde im sogenannten „Mythics Cirque“ aufgebaut: Ein beeindruckender Felskessel mit riesigen Granitwänden. Objekt der Begierde war die unberührte Nordwand des „Siren Tower“, die steilste und kompakteste Wand des Gebiets. Nach „Shark’s Tooth“, „Apostel Tommelfinger“ (beide Grönland) sowie „Riso Patron“ (Chile) war dies die vierte Kayak Expedition für Schüpbach und die dritte mit Della Bordella.
Eigentlich hatten wir ein anderes Ziel gehabt, doch wegen Pandemie-bedingten Schwierigkeiten erreichten wir den Ausgangsort Tasiilaq – eine Siedlung an Grönlands Ostküste – erst mit einer Woche Verspätung. Ehrlich gesagt waren wir nach all den bürokratischen Hürden und unserer Verzögerung ziemlich demoralisiert. Aber als wir endlich an der Ostküste ankamen, steigerte sich unsere Motivation sofort: Das Gefühl von Freiheit und Abenteuer lag in der Luft – endlich!
Als Plan B entschieden wir uns für den „Mythics Cirque“ weil dieser schneller erreichbar ist als unser Plan A. Zudem schien die Nordwand des Siren Towers ein sehr attraktives Kletterziel zu sein und auch der Gipfel war noch unbestiegen.
Nur 36 Stunden nach unserer Ankunft in Tasiilaq hatten wir die 200kg Essen und Ausrüstung in unsere drei Kayaks gepackt und taten das, wovon wir schon lange geträumt hatten: Auf eigene Faust auf dem arktischen Ozean paddeln und einen tollen Berg ansteuern.
Die Anreise per Kayak entpuppte sich als deutlich einfacher als angenommen. Das Meer war meist ruhig und wir konnten 40km pro Tag zurücklegen. Wunderschöne und wilde Landschaften zogen uns in ihren Bann und bald lagen alle Alltagssorgen hinter uns. Nach dem harten Kayaktraining waren wir fast ein bisschen enttäuscht aber schneller ankommen bedeutet auch mehr Zeit zum Klettern und das ist ja unser Haupt-Metier.
Doch die Reise war doch ganz nicht ohne Überraschungen: Als wir am Mythics Circque ankamen, wer begrüßte uns da am Ufer? Nico Favresse und Sean Villanueva!. Die belgischen Bergsteiger, die zusammen mit ihrem Landsmann Jean-Louis Wertz und dem Schweden Aleksej Jaruta auf Expedition waren, wollten auch die entlegensten und am wenigsten erforschten Gebiete Grönlands erkunden. Zuerst wusste ich nicht recht, was ich davon halten sollte, andere Menschen auf einer möglichst wilden Expedition zu treffen. Aber ich merkte sofort, dass diese Jungs schon fast Seelenverwandte mit der gleichen Leidenschaft waren und deshalb war es für uns auch überhaupt keine Enttäuschung, als wir erfuhren, dass auch die Belgier den Siren Tower klettern wollen und dies vor uns vollbringen würden.
Siren Tower – Forum (800 m, 22 Seillängen, 7c max)
Nachdem wir das Base Camp aufgebaut hatten, machten wir eine Erkundungstour zum Fuss der imposanten Granitwänden und wir waren uns schnell einig, dass wir trotzdem die Nordwand des Siren Tower klettern wollten, auch wenn das andere Team bereits dort am Werk war. Der Sirene Tower ist mit seiner senkrechten, steilen und überhängenden Wand zweifellos der schönste Gipfel der Gegend. Wir sahen eine elegante Linie links der Route der Belgier und stiegen Tags darauf bereits ein. Es war schon witzig, in Rufweite eines anderen Teams zu klettern, wenn man bedenkt, dass es sich um eine bislang unberührte Wand handelt!
Nach fünf Tagen standen wir auf dem Gipfel. Da wir Zeit hatten, widmeten wir den sechsten Tag dem Klettern einiger Seillängen, die wir vorher noch nicht frei klettern konnten. Die Schlüsselseillänge ist ein Mix aus Wand – und Risskletterei, die wir mit 7c bewerteten. Insgesamt handelt es sich um eine eher psychologisch zu erschließende Route, da es keine offensichtlichen Sicherungsmöglichkeiten gibt, mit schönen vertikalen und überhängenden Seillängen.
Die gesamte Route wurde mit mobilen Sicherungen, Kielen und Friends geklettert. Die Stände wurden mit Normalhaken verstärkt. Zwei Bohrhaken wurden entlang der Route belassen: einer zum Aufhängen des Portaledges und einer zur Sicherung einer strukturlosen Stelle.
Wir tauften unsere Route „Forum“ weil wir drei starke Persönlichkeiten sind und jede Entscheidung darüber, was wir tun, wohin wir gehen und wie wir uns organisieren wollen, erforderte immer große Diskussionen. Konstruktive Momente, die es uns ermöglichten, unser Ziel zu erreichen.
Paddelwall – La cène du renard (440m, 7a)
Nach dem Erfolg am Siren Tower packten wir unsere Kayaks erneut und erkundeten die Fjorde der Umgebung nach weiteren Kletterzielen. 12km vom Mythics Circque entfernt fanden wir eine Wand, die zwar nicht so beeindruckend war aber in einer schönen Gletscherlandschaft stand und guten Fels versprach. Wir wollten das Beste aus den uns zur Verfügung stehenden Tagen machen. Es entstand keine besonders anspruchsvolle Route, aber es war eine gute Gelegenheit, die Gegend zu erkunden. Mit einem Kajak kann man sich frei bewegen, man ist nicht an einem Ort gebunden. Wir fanden also diese 400 Meter lange, sonnige Wand voller Risse, welche wir Paddelwall tauften. Es war wunderschöne Kletterei. Der Name bedeutet auf Deutsch „das Abendmahl des Fuchses“. Das einzige Tier, dem wir während der Expedition ganz nah gekommen waren, war ein Fuchs, der unterhalb der Wand unseren Käse gefressen hat.