Oriane Bertone und Toby Roberts holen sich in Laval das Ticket für Paris 2024

Es waren die jungen Wilden, die in Laval bei der Europäischen Qualifikation abräumten: sie besetzen den obersten Platz auf dem Podest. Bei den Damen holte sich die 18-jährige Oriane Bertone (Frankreich) den Sieg und damit das Ticket für die Olympischen Spiele in Paris 2024, bei den Herren war es der 18-jährige Brite Toby Roberts. 

Damen

Oriane Bertone hatte schon zuvor deutlich gesagt, was ihr Ziel in Laval war: nämlich der Startplatz in Paris. Die junge Französin zeigte dann auch in allen drei Runden einen souveränen und selbstbewussten Auftritt, sie belegte schon nach der Quali mit vier Tops und einem Top beim Lead (insgesamt 199,8 Punkte) Platz 1. Dicht hinter ihr die Italienerin Laura Rogora (199,4 Punkte) und die Serbin Stasa Gejo (195,8 Punkte). Auch nach dem Halbfinale übernahm Oriane die Führung – mit 144,2 Punkten lag sie mit doch deutlichem Vorsprung vor Stasa (120,8 Punkte). Laura belegte nach dem Halbfinale mit 99,4 Punkten nur noch Platz 8, sie hatte beim Bouldern eine schlechte Runde. Auch im Finale  lief es für die 22-jährige Italienerin beim Bouldern nicht optimal, sie belegte mit 49,6 Punkten den letzten Platz. Oriane dagegen zeigte noch einmal sehr deutlich, wie sehr sie on fire war, sie war die einzige Finalistin, die alle vier Boulder toppte und sich 99,9 von möglichen 100 Punkten holte. Aber auch Stasa lieferte ab: mit drei Tops und einer Zone sammelte sie 84,5 Punkte und lag damit nach dem Bouldern hinter der Führenden Oriane auf Platz 2. 

Aber noch kam ja Lead, dort erst fiel die Entscheidung. Dass Laura eine exzellente Leadkletterin ist, bewies sie an der nicht allzu dynamisch geschraubten, erst im oberen Bereich physischen Route wieder einmal. Sie legte einen furiosen Go hin, schraubte sich immer weiter die Wand nach oben – und stürzte erst beim Zug zum Topgriff. 96,1 Punkte brachte ihr dieser Auftritt, der sie im Ranking weit nach vorne katapultierte. Laura legte mit ihrer Leistung eine Bestmarke hin, die von keiner der folgenden Starterinnen übertroffen werden konnte. lympiStasa, eine Boulderliebhaberin, dagegen zeigte, wie viel sie zuletzt ins Training mit dem Seil investiert hatte, sie kämpfte um jeden Zug und jeden Punkt – und holte sich 64 Punkte. Dass sie mit ihrem Auftritt dennoch nicht wirklich zufrieden war, sah man ihr an, sie schüttelte den Kopf, als sie wieder auf dem Boden stand.

Aber noch war Oriane ja noch nicht geklettert, noch war eine endgültige Entscheidung nicht gefallen. Oriane war die letzte Starterin, sie blieb cool und kletterte flüssig nach oben: 

I was trying to pay attention to the crowd’s reaction whenever I was grabbing a new hold,”erzählte die junge Französin später über ihren Go.  „I was thinking ‘Is it this one? No.’ ‘Is it the next one? No.’ And when I took the one I heard everybody go crazy, I turned my head so that I could see the screen and saw my name up there. I don’t even know what to say, I’m crazy happy.

Oriane holte sich beim Lead 72 Punkte, insgesamt also 171,9 Punkte und damit den Sieg, Stasa belegte mit 148,5 Punkten Platz 2 und Laura dank ihres grandiosen Leadergebnisses mit 145,7 Punkten den dritten Platz. Auch zwei deutsche Athletinnen schafften den Sprung ins Finale: Lucia Dörffel belegte dort Platz 6, Hannah Meul Platz 7.

Herren

Nach der Quali hatte noch der Altmeister, der Tscheche Adam Ondra, mit 155,4 Punkten geführt, hinter ihm lag auf Platz Toby mit 148, 3 Punkten, auf Platz 3 dann der Franzose Paul Jenft mit 147,5 Punkten – ein deutlicher Favorit also war noch nicht zu erkennen. Das änderte sich dann allerdings beim Halbfinale, dort war Toby der einzige Starter, der sich beim Bouldern drei Tops (und dazu noch eine Zone) holen konnte – und er kam auch beim Lead deutlich höher als seine Konkurrenten. Toby schloss diese Runde mit 180,8 Punkten ab, gefolgt von Adam Ondra mit 128,7 Punkten und dem Spanier Alberto Ginés López mit 113,4 Punkten. Alberto hat übrigens bereits an den Olympischen Spielen teilgenommen, er holte sich 2020 in Tokio, als das Klettern seine olympische Premiere feierte, Gold. Sam Avezou (Frankreich) lag in Laval mit 113,1 Punkten dicht hinter ihm auf Platz 4. 

Das Finale bot dann Spannung pur: Sam brillierte beim Bouldern, er hatte als einziger Finalist drei Tops (davon zwei im Flash) und holte sich 84,8 Punkte – zu diesem Zeitpunkt belegte er Platz 1. Toby sammelte mit zwei Tops und zwei Zonen 69,8 Punkte, Alberto 69,7 Punkte und Adam 68,9 Punkte. Aber auch der Franzose Mejdi Schalck lieferte ab, er verbuchte 69,6 Punkte für sich – das Feld lag also nach dem Bouldern extrem dicht beieinander. Für den Deutschen Yannick Flohé lief es beim Bouldern nicht wirklich optimal, er konnte nur einen Boulder toppen und sammelte 54,7 Punkten.

Ganz anders sah es bei dem 24-Jährigen dann aber beim Lead aus, dort zeigte Yannick eine wirklich beeindruckende Vorstellung und kam in der sehr physischen Tour sehr weit nach oben – 76,1 Punkte katapultierte ihn dann in der Gesamtwertung auch nach vorne. Seine Bestmarke im Lead wurde dann auch nur von einem einzigen Starter geknackt. Sam tat sich beim Lead dagegen nicht so leicht, er holte sich 48,1 Punkte, das reichte dank seines Boulderergebnisses aber schlussendlich doch noch für den dritten Platz. Adam bot eine eigentliche stabile Vorstellung, er kippte dann aber etwas überraschend und ohne ersichtlichen Grund aus der Wand – und nahm 64 Punkte mit. 64 Punkte holte sich auch Alberto, der sich aber dank seines besseren Boulderergebnisses vor Adam platzierte und Zweiter wurde.

Toby bot als letzter Starter dann eine unglaubliche Show. Er hatte an einigen Stellen eine etwas ungewöhnliche, manchmal etwas riskante Beta – war damit aber erfolgreich. Er überkletterte die Höchstmarke von Yannick und kletterte wie im Rausch immer weiter nach oben: als er dann ganz oben angelangt war – der Topgriff war nur noch einen weiten Sprung von ihm entfernt – wusste er natürlich, dass er gewonnen hatte. Er schien den Moment in sich aufzusaugen, dann sprang er und hielt tatsächlich den Topgriff und brach in Jubel aus.

I have literally no words now. I don’t think is ever going to sink in,” sagte Toby nach dem Wettkampf. „Coming into this event, I tried not to have any expectations and just enjoy climbing. It is such a big dream for me, I’ve been training for it for so long.

Er holte sich mit insgesamt 169,8 Punkten Gold,  mit 133,7 Punkte belegte Alberto Platz 2 und Sam nur ganz knapp hinter ihm mit 132,9 Punkten Platz 3. Yannick belegte mit 130,8 Punkten Platz 5. 

Für die Olympischen Spiele in Paris 2024 haben sich für das Combined-Format aus Bouldern und Lead bislang folgende Athletinnen und Athleten qualifiziert:

Damen:

Janja Garnbret (Slowenien)
Jessica Pilz (Österreich)
Ai Mor (Japan)
Natalia Grossman (USA)
Oriane Bertone (Frankreich)

Herren:

Jakob Schubert (Österreich)
Colin Duffy (USA)
Tomoa Narasaki (Japan)
Jesse Grupper (USA)
Toby Roberts (Großbritannien)

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Video-Link: https://youtu.be/CAeh_yGVIGk?si=WRci9hPDpxRSHKbl
  • Credits Text Gudrun Regelein für Kletterszene.com
  • Credits Fotos © Jan Virt/IFSC
  • Beitragsdatum 30. Oktober 2023