Neue Route am Serkhe Khollu – 5546 m
Silber glänzt der glatte Spiegel des Sirki Khota– Sees. Zwei Wildgänse ziehen langsam ins Tal hinein und landen auf dem Wasser, während der 5546m hohe Serkhe Khollu im Abendlicht errötet. Das friedliche Idyll täuscht: Starke Stürme lassen See und Berg von einem Moment zum anderen zu tobenden Wilden werden. In meine warmen Daunenjacke gehüllt, mit Blick auf den Serkhe Khollu, zeichne ich in Gedanken unsere neue Route nach die wir einen Tag zuvor im Alpinstil eröffnet haben.
Die Freude ist groß als wir die Fortsetzung des Eisschlauchs erreichen. Hier können wir unser Klettertempo entscheidend steigern. Über unseren Köpfen scheint bereits die Sonne in einsturzgefährdete Seracs, aus deren Gefahrenzone wir uns noch rechtzeitig entfernen. Die weiteren Seillängen über den obligatorisch 75-85 Grad steilen Gletscher können wir in einem Kletterflow zügig abspulen. In den letzten zwei Seillängen vor dem Gipfelgrat, steilt sich der Gletscher abermals auf, die Stefan souverän nach unserer fast 10 Stündigen Kletterei in Fels und Eis bewältigt.
Der technisch nicht anspruchsvolle aber dafür spaltenreiche Abstieg führt über den Gipfelgrat hinunter auf ein Geröllfeld, das nochmal Trittsicherheit und Konzentration erfordert. Als wir unsere Eisschrauben vom Klettergurt nehmen und das restliche Material in den Rucksäcken verstauen, kramen wir schon nach unseren Stirnlampen. In Äquatornähe erfolgt der Übergang vom Tag zur Nacht ohne wirkliche Dämmerung.
Unerwartet stehen wir in der 4. Seillänge vor dem Ende des schmalen Eisschlauchs. Die folgenden Mixed-Seillängen können wir im brüchigen und eisüberzogenen Fels nur spärlich absichern – ein Sturz verbietet sich hier von selbst. Mit mobilen Absicherungsgeräten (Friends-und Keile) richten wir unsere Standplätze ein so gut es uns möglich ist.
In völliger Dunkelheit und bei Minusgraden suchen Stefan, Robert und ich über wegloses Gelände den Einstieg. Keine drei Meter breit, zieht sich der nahezu senkrechte Eisfall in die Höhe. Wir sortieren unser Material am Gurt und steigen in uns noch nicht bekanntes Terrain ein. In der zweiten Seillänge überrascht uns das Eis mit schlechter Qualität. Schollenartig bricht das Eis bei jedem Pickelschlag weg. Jeder Pickelschlag in dieser Höhe und in diesem Gelände ist Schwerstarbeit.
Durch die starke globale Klimaerwärmung und den daraus resultierenden Gletscherschwund haben sich an der Süd-West-Wand des Serkhe Khollu ganz neue Routen und Möglichkeiten für schwere Mixed-Kletterei ergeben. Die für uns logisch erscheinende Linie auf den 5546 m hohen Gipfel, folgt einem neu entstanden Eisfall der durch den beschleunigten Schmelzprozess entstanden ist.
FACTS:
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Text: Florian Hill, kletterszene.com Fotos: Florian Hill