Kletterhallenunfallstatisktik 2022 [Klever e.V & DAV]

Nachdem in den Jahren 2020 und 2021 keine Kletterhallenunfallstatistik im gewohnten Stil erstellt werden konnte – die Daten waren aufgrund der Corona Einschränkungen stark verzerrt – präsentiert der Klever e.V und der Deutsche Alpen Verein für das vergangene Jahr wieder eine etwas detailliertere Übersicht zu Unfallereignissen in Kletter- und Boulderhallen.

Der DAV und KLEVER betreuen zurzeit in etwa 250 Hallen und betreuen somit die Mehrheit der Kletteranlagen in Deutschland ab. Das gemeinsame Ziel von KLEVER und DAV ist, möglichst wenige Unfälle in künstlichen Kletteranlagen verzeichnen zu müssen.

Deutsche Meisterschaft Bouldern

Die Erkenntnisse der statistischen Auswertung der Unfalldaten werden genutzt, um letztlich den Klettersport noch sicherer zu machen.

Es werden lediglich Unfälle erfasst, bei denen ein Rettungsdiensteinsatz erfolgte, da in diesen Fällen meist eine recht gute Datenbasis vorzufinden ist. Weiterhin ist leider immer noch von einer nicht unerheblichen Dunkelziffer auszugehen, da nicht alle Hallen ihre Unfälle melden.

Unfälle mit Rettungsdiensteinsatz

Insgesamt wurden 210 Ereignisse mit Verletzungen erfasst:

Gesamt:

13 Kopfverletzungen
18 Rumpfverletzungen
51 Armverletzungen
106 Beinverletzungen
13 Multiple Verletzungen
9 Sonstige

Kletterhalle

5 Kopfverletzungen
4 Rumpfverletzungen
5 Armverletzungen
13 Beinverletzungen
12 Multiple Verletzungen
0 Sonstige

Boulderhalle

4 Kopfverletzungen
13 Rumpfverletzungen
45 Armverletzungen
90 Beinverletzungen
1 Multiple Verletzungen
7 Sonstige

Sonstiges beinhaltet: Verletzungen, die im Hallenumfeld, Trainingsbereich oder beim Spielen passierten oder wenn ein Rettungsdienst auf Grund Kreislaufbeschwerden gerufen wurde.

Unfallereignisse beim Bouldern:

  • Den Hauptanteil der Boulderunfälle machen die Mattenstürze aus. Anprall- und Sportverletzungen sowie sonstige Unfälle sind seltener.
  • Es wurden keine Verletzungen im Zusammenhang mit Kollision (Unfall durch Zusammenprall mit anderer Person) gemeldet.
  • Wie auch in den letzten Jahren, ist die Anzahl der Verletzungen an den Extremitäten (Arme und Beine) sehr hoch – 84% der gemeldeten Fälle betreffen diese Bereiche. Die anderen Verletzungskategorien spielen beim Bouldern eine eher untergeordnete Rolle.
  • Bei der Hälfte der Boulderunfälle liegen keine Informationen zur Bouldererfahrung vor.
    27% der verletzten Personen gaben an nur ein Jahr oder weniger Bouldererfahrung zu haben. 23% gaben mehrere Jahre als Erfahrung an. 

Durch gesunde Selbsteinschätzung, Aufwärmen sowie Abklettern, kann die Gefahr vor Verletzungen gesenkt werden.

Mattenstürze haben mit großem Abstand den Hauptanteil der Verletzungen beim Bouldern. Gerade größere Sturzhöhen bei gleichzeitig unkontrolliertem Abrutschen bergen ein hohes Verletzungsrisiko. Falls die Möglichkeit besteht ist eine Reduzierung der Absprunghöhe immer anzuraten – gerade Verletzungen nach kontrolliertem Absprung vom Top sind unnötig und vermeidbar.

Unfallereignisse beim Klettern

  • 39 Seilkletterunfälle mit Rettungsdiensteinsatz wurden gemeldet, fast die Hälfte davon waren Bodenstürze.
  • Verletzungen durch Anprall an der Wand werden meist durch unkontrollierte Stürze in Kombination mit zum Teil nicht idealem Sicherungsverhalten hervorgerufen, in den meisten Fällen erlitt dabei die kletternde Person Verletzungen. In einem Fall wurde die Sichernde durch harten Anprall an der Wand schwer verletzt.
  • Bei der Hälfte der Kollisionen waren Dritte betroffen, bei zwei weiteren Fällen erlitten jeweils sichernde Personen nicht unerhebliche Verletzungen – Ereignisse solcher Art gehen oft mit Kopf- sowie Verletzungen der Wirbelsäule einher.

Die Verteilung der Unfälle bezogen auf die verwendeten Geräte, bei denen von einem Sicherungsfehler ausgegangen wird, entspricht in etwa der erhobenen Geräteverteilung der Hallenbesucher.

Bedienfehler können demnach mit jedem Sicherungsgerät auftreten. Auf der folgenden Seite ein paar typische Unfallmuster.

*Umfrage bei Eintritt in mehreren großen deutschen Kletterhallen an 4 Tagen

Bodenstürze beim Seilklettern

Der Anteil an Bodenstürzen, die beim Ablassen passiert sind, ist im Vergleich zu den Vorjahren zurückgegangen. Ab diesem Jahr werden Unfälle an Selbstsicherungsautomaten explizit ausgewiesen, hier war bei allen gemeldeten Unfällen das Nicht-Einhängen in das System ursächlich für den Bodensturz. Die Meldungen bzgl. der Bodenstürze im Vorstieg deuten meistens auf eine Fehlbedienung des Sicherungsgerätes hin.

Ursachen:

  • Bei einem Unfall löste sich beim Setzen in das Seil der Knoten, es handelte sich um einen Einbindefehler, der wahrscheinlich mit einem korrekten Partnercheck entdeckt worden wäre.
  • 72% der Bodenstürze im Vorstieg passierten zwischen der 5. und 7. Exe.
  • Vier der Bodenstürze ereigneten sich bei einem geplanten Sturztraining. Zu geringer Bodenabstand, fehlende Hintersicherung oder schlechte Kommunikation sind häufig Probleme bei Unfällen während eines Sturztrainings. Fehlerquellenanalyse und Hinweise für ein schrittweise Herangehen an ein Sturztraining gibt es im Artikel der Sicherheitsforschung in der DAV Panorama 5/2023.
  • Bei 4 der Bodenstürze ist bekannt, dass die sichernde Person Handverbrennungen davon trug.
  • Eine häufige Fehlerquelle, die zu Bodenstürzen führt sind Fehlbedienungen von Sicherungsgeräten: z.B. Verharren in Gerät-Offen-Position beim Seilausgeben, Verletzung des Bremshandprinzips.

Ein Blick auf gerätespezifische Unfallmuster:

  • Ablassen: Insgesamt gab es 4 Ablassunfälle mit einem Grigri, die 2- mal in einem Bodensturz sowie 2-mal in einer Kollision resultierten. Bei einem der Fälle wurde das Seil falsch eingelegt, bei den anderen 3 Fällen wurde der Ablasshebel zu schnell gezogen und das Bremsseil nicht kontrolliert
  • Vorstieg: Bei 2 Fällen mit dem Megajul wurde genau im Moment des Reinsetzens das Bremshandprinzip verletzt und in der Seilausgebeposition verharrt, beide Fälle resultierten in einem Bodensturz. Auch mit anderen Halbautomaten ist dieses Unfallmuster aufgetreten.

Eine ausreichende Schulung sowie Übungszeit und das Kennen der Grenzen des jeweiligen Sicherungsgeräts sind für gutes und unfallfreies Sichern zwingend erforderlich!

Bodenstürze bei Selbstsicherungsautomaten

Die Benutzung von Selbstsicherungsautomaten erfordert ein sehr hohes Maß an Aufmerksamkeit, bei allen vier Unfällen (3 schwerverletzt, 1 tödlich) war das Nichteinhängen des Systems ursächlich für den Bodensturz. Weitere Fälle mit demselben Unfallmuster, die nicht in diese Statistik eingeflossen sind, sind bekannt.

Besonders heikel beim Klettern am Selbstsicherungsautomaten ist der fehlende Partnercheck.
Der DAV hat ein Video veröffentlicht zum Thema, was bei der Benutzung von Selbstsicherungsautomaten beachtet werden sollte

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Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=__0HJTK02j0

  • Credits Text Lehrteam des Kletterhallenverbandes KLEVER e.V., DAV Sicherheitsforschung, kletterszene.com
  • Credits Fotos Marco Kost/ DAV, Lehrteam des Kletterhallenverbandes KLEVER e.V., DAV Sicherheitsforschung,
  • Beitragsdatum 18. September 2023