Jakob Schubert und Alfons Dornauer im Interview
Der Kletterverband Österreich haben sich mit Jakob Schubert und Alfons Dornauer getroffen, um über die neue Saison und einige kontroverse Veränderungen im Wettkampfgeschehen zu sprechen.
KVÖ: Wie weißt du vor dem ersten Wettkampf, wie gut du in Form bist? Ist der erste Wettkampf der Saison in der Hinsicht speziell?
Jakob: Ja, das ist schon speziell, weil der direkte Vergleich fehlt. Du weißt nicht genau, wie fit die anderen sind, denn beim Training sind nicht alle Konkurrenten dabei. Du weißt auch nicht wie schwer deine Boulder im Tivoli sind, denn es gibt keinen Schwierigkeitsgrad wie am Fels. Dadurch fehlt dir der direkte Vergleich, den kriegst du erst im Wettkampf. Beim Bouldern auch dann noch nicht unbedingt, weil es so viel auf die Boulder ankommt, und nicht nur auf die Fitness.
Alfons: Zu den Wettkämpfen hin hat man einen Projekt-Boulder in der Halle, den man vielleicht am Anfang von einer Periode noch nicht schafft und gegen Ende schon. Das gibt einem ein bisschen eine Bestätigung, aber es heißt nichts im Vergleich zu den anderen.
Was sind deine Erwartungen in Bezug auf Meiringen? In Bezug auf die neue Saison?
Alfons: Meiringen verpasse ich leider aufgrund eines Knieproblems. Mein Ziel ist danach konstant in die nächste Runde zu klettern, weil ich glaube, dass im Halbfinale oft vieles möglich ist.
Jakob: Beim Bouldern ist es schwierig einzuschätzen. Prinzipiell habe ich schon das Ziel regelmäßig ins Finale zu klettern und dort auch vorne dabei zu sein. Es kann aber passieren, dass das gar nicht funktioniert, das habe ich auch schon gehabt. Ich fühle mich fit, schauen wir mal wie es läuft.
Wer sind deiner Meinung nach im Boulder Weltcup heuer die Favoriten?
Alfons: Ich glaube, wenn sich der Stil von letztem Jahr auf heuer nicht extrem ändert, werden die üblichen Verdächtigen in Frage kommen, die Japaner und Jongwon Chon.
Jakob: Es ist im Bouldern schwer vorauszusagen, weil es vom Stil der Boulder abhängt, und das hängt viel von den Griffen und Volumen ab, die gerade „in“ sind. Ich glaube, dass sich heuer nicht viel ändern wird. Aber das dachte man meistens und am Ende hat es sich jede Saison komplett geändert. Trotzdem: ich rechne damit, dass Jongwon (Chon, Red.), Tomoa (Narasaki, Red.) und vielleicht auch wieder Alexey Rubtsov gut sind.
Der Stil der Boulder hat sich in den letzten Jahren immer weiter verändert, in eine spezielle Richtung. Wie würdest du diese Entwicklung beschreiben und einschätzen?
Jakob: Die größte Veränderung ist, dass sehr viele Volumen verwendet werden. Früher hat es einfach nicht so viele lässige und große Volumen gegeben wie heute. Vor allem im Finale sieht man oft nur mehr Volumen und es geht weniger um Griffpower. Das ist eine spezielle Kletterei, die komplett anders ist als das Felsklettern, das ist der größte Unterschied. Da geht es mehr um Bewegungsgefühl und nicht so viel um Fingerkraft. Optimal wäre, wenn man einen Mittelweg findet, so dass noch Boulder mit Griffen dabei sind, und welche mit Volumen. Eine Mischung aus technischen und kräftigen Problemen wäre am coolsten. Ich finde es nicht gut, wenn es nur mehr um Technik geht, oder nur mehr darum, sich auf Volumen herum zu schieben.
Wie hat das dein Training beeinflusst?
Jakob: Im Tivoli (Innsbruck, Red.) konnten wir in dem Stil nicht trainieren, da fehlt der Platz für so große Volumen, und Platten und Mantle gehen sowieso nicht. Heuer haben wir zum ersten Mal die Möglichkeit gehabt, in Telfs zu trainieren. Unseren Coaches und andere Routensetzern haben uns dort fast jede Woche Boulder gebaut. Wir haben das zum ersten Mal ein bisschen mehr trainieren können. Das war gut um ein besseres Gefühl und auch Selbstvertrauen auf Platten zu kriegen.
Kopfmäßig wird sich auch was verändert haben…
Jakob: Ja genau, vor allem auf Platten oder Mantles gehe ich jetzt mit dem Gefühl rein, „ok, das habe ich eh trainiert und ich kann das.“ Davor wäre ich vielleicht hingegangen und hätte gedacht „oh nein, keine Chance.“ Ich glaube schon immer noch, dass wir da ein bisschen einen Rückstand haben – die Franzosen zum Beispiel trainieren ausschließlich in dem Stil. Das wird sicher noch mal um einiges besser, wenn wir die neue Halle haben. Einmal in der Woche in Telfs trainieren war aber schon ein Riesenfortschritt. Es hat extrem Spaß gemacht und war eine super Abwechslung zum Training im Tivoli.
Alfons: Es ist, was den Stil angeht, wie Jakob gesagt hat: die Mischung macht es. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen Bewerb in Vail, da waren von fünf Bouldern drei Mantle-Probleme. Dann stellt sich die Frage, ob das die Vielseitigkeit abdeckt, oder ob es nur auf eine Fähigkeit ankommt.
Was hältst du von der Regeländerung, die Zeit im Bouldern von 4+ auf 4 Minuten zu reduzieren?
Jakob: Ich finde das nicht gut. Ich bin in der Athletes Commission (IFSC Athletenvertretung, Red.) und weiß, dass alle Athleten gegen sowohl diese Änderung waren, als auch die im Vorstieg. Das ist einfach ignoriert worden. Manchmal entscheidet die IFSC und es interessiert das Board nicht wirklich, was andere denken.
Das Argument, die IFSC müsste genauer einschätzen können wie lange das Finale dauert, macht für mich nicht wirklich Sinn. In fast jeder anderen Sportart gibt es auch ein Zeitfenster wo man nicht genau weiß, wie lange es dauern wird. Die 4+ Regel war ein extrem spannender Faktor und hat vielen Zuschauern gefallen. Es war eh schon wenig Zeit und jetzt ist es nochmal ein Versuch weniger. Wenn es so weitergeht, wird es meiner Meinung nach irgendwann gar nichts mehr mit Bouldern zu tun haben, weil es dann nur mehr darum geht, die Boulder zu flashen.Alfons: Es schaut einfach blöd aus, wenn im Finale einer in den letzten Sekunden einsteigt und er hätte eine Chance, aber es geht sich von der Zeit her nicht mehr aus.
Was hältst du vom neuen olympischen Format?
Jakob: Das Format ist keine Überraschung. Ich hätte mir vielleicht erhofft, dass Classic Speed (jedesmal eine neue Route, Red.) wieder eingeführt wird, oder zumindest die aktuelle Weltrekord-Route geändert wird. Das wurde leider nicht getan. Wirklich spannend für die Athleten ist, wie man sich für Olympia qualifiziert. Davon hängt ab, wie sich mein Training gestaltet. Wenn die Qualifikation durch alle drei Disziplinen erfolgt, muss ich natürlich auch Speed trainieren.
Was haltet ihr von der Entscheidung der IFSC, nur noch einen kostenpflichtigen Live-Stream anzubieten?
Alfons: Die Qualität vom Stream hat oft zu wünschen übrig gelassen. Jetzt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zu entscheiden, exorbitante 20€ pro Monat dafür zu verlangen ist eine sehr schlechte Idee. Das Ziel sollte sein, möglichst viele Leute zu erreichen, und nicht den Sport an das meistbietende Streaming-Portal zu verkaufen.
Jakob: Ja, das ist der falsche Weg. So sehr ich mich auf den Auftakt freue, so sehr bin ich enttäuscht über diese Entscheidung der IFSC. Man stellt einmal mehr fest, dass die IFSC die Interessen der Klettergemeinschaft nicht beachtet.