Hansjörg Auer begeht Mephisto (8-/ 6Sl. ) am Heiligkreuzkofel free solo

Der Heiligkreuzkofel ist ein 2907 m s.l.m. hoher Berg in der Kreuzkofelgruppe in den Dolomiten. In den Westwänden des Heiligkreuzkofels befinden sich Kletterrouten bekannter Alpinisten wie Georges Livanos, Sepp Mayerl, Albert Precht, Reinhard Schiestl, Prem Darshano, Heinz Mariacher, Luisa Iovane und Christoph Hainz.

Besonders bedeutend ist der 1968 von Reinhold und Günther Messner eröffnete Mittelpfeiler, eine der damals schwierigsten Routen überhaupt. Sie wurde zu jener Zeit mit Schwierigkeitsgrad UIAA 6 bewertet (die UIAA-Skala war zu diesem Zeitpunkt eine geschlossene Skala), heute mit 7+. 1979 gelang der Seilschaft Darshano L. Rieser und Reinhard Schiestl mit der Erstbegehung von Mephisto (8-/6Sl.) was auch Zeitgleich die erste bohrhakenfreie Neuroute der Alpen im 8. Grad (UIAA) war, ein weiterer Meilenstein in der Alpen.

Nachdem Hansjörg Auer schon die Routen Tempi Moderni (6c/ 800 m), Fish (7b+/ 850 m), Locker vom Hocker (7a/ 350 m), Bayrischer Traum (7a/ 400 m) free solo geklettert ist und ihn seit einiger Zeit eine innere Unruhe plagte fand er mit Mephisto ein weiteres Projekt, das er kürzlich erfolgreich klettern konnte.

Hansjörg schreibt zu seiner Free Solo Begehung….

Seit einiger Zeit plagt mich eine innere Unruhe. HAuer_150823_unbenannt-4319-300x400Es schwierig ist zu erklären: ein Antrieb, der sich rund um meine Motivation, Selbstsucht und das Bedürfnis nach Einsamkeit, drängt mich. Diese Gedanken sind unmöglich mit anderen zu teilen. Wem soll ich sagen? Wer würde mich verstehen, und wen muss ich um Erlaubnis fragen, um mein Innere Unruhe plagt mich schon seit einigen Wochen. Ich weiß nicht warum, aber diese Kraft aus einem Gemisch von Motivation, Egoismus und dem Gefühl des Allein Seins wird immer stärker. Ich kann sie im Moment mit niemanden teilen doch ich weiß es, dass der richtige Zeitpunkt bald kommen wird. Doch wem soll ich es denn erzählen, dass ich es wieder tun möchte? Wer könnte es verstehen und vor wem müsste ich mich nicht rechtfertigen? Es sind Fragen die natürlich nicht direkt beantwortet werden müssen, aber einigermaßen in den Griff bekommen sollte ich sie.

Free Solo klettern ist weit aus mehr als es von außen erscheint. Auf den Moment, wenn alles perfekt ist und man am Einstieg der Route steht wartet man sehr lange und vor allem mit einer starken inneren Sehnsucht. Diese Feuer, entfacht aus einem kleinen Funken der vom Traum zur Realität übergesprungen ist, brennt mittlerweile in riesiger Flamme. Das schwierige daran ist, dieses Feuer vor deinen Angehörigen und Freunden zu verstecken. Man kann es nicht jedem erzählen. Doch diejenigen, die mich gut kennen, sehen es trotzdem. Doch nur die wenigsten sprechen mich darauf an. Sie wollen es nicht wahrhaben, wollen sich nicht mit dem auseinandersetzen, wollen nicht die Vorstellung, dass ihr Freund ohne Seil durch eine große Wand klettert, teilen. Doch derjenige der das Feuer sieht und auch mit mir darüber redet, versteht mich und vertraut mir.

HAuer_150826_unbenannt-1050529-400x267In diesem Fall war es mein langjähriger Freund Motte. Er hat mich darauf angesprochen und ihm erzähle ich es dann auch, dass ich morgen die „Mephisto“ am Heiligkreuzkofel im Alleingang ohne Seil klettern werde. Er schaut mir nicht in die Augen als er darauf antwortet doch er gibt mir zu verstehen, dass er mir vertraut, mit mir in die Dolomiten fahren wird, mich unterstützt, mit mir zum Einstieg gehen wird und oben am Ausstieg auf mich wartet. Ich bin froh darüber, ich spüre innere Erleichterung, weiß, dass dies das letzte Puzzleteil war und kann es kaum erwarten, dass es losgeht. Morgen um 6:30 Uhr wird er mich abholen. Wenn alles gut geht, möchte ich mit ihm, quasi als Dankeschön für sein Vertrauen und weil wir schon vor vier Jahren darüber geredet haben, tags darauf die „Moderne Zeiten“ an der Marmolada Südwand klettern.

Die Entscheidung, dass es die „Mephisto“, die erste mit UIAA 8 bewertet Route in den Alpen aus dem Jahre 1979!, sein wird, ist schon vor zwei Tagen gefallen. Zusammen mit meiner Freundin klettere ich zwei Tage vorher zum ersten Mal die Tour. Die Crux Seillänge ist kompliziert, exponiert und erfordert entschlossenes Klettern. Ich erreiche den Standplatz, schaue zurück, sehe die Griffe und Dellen in der kompakten Plattenwand und weiß es. Es ist die perfekte Route für mein Vorhaben. Wir erreichen bald den Ausstieg, gratuliere meiner Freundin für ihre tapfere Kletterei und wandern über den Normalweg zurück zum Auto, während dessen sich immer wieder mein Blick an der Westwand des Heiligkreuzkofels verliert.

Was dann passiert ist, kann man nicht wirklich gut HAuer_150826_unbenannt-1050531-780x585beschreiben. Morgen des 26. August 2015, Zustieg zur Wand, Abschied von Motte, totale Konzentration aber auch riesige Freude es geschafft zu haben, am Einstieg zu stehen. Nach gut einer Stunde Kletterei bin ich am Ende der Route. Den letzten Kamin sprinte ich förmlich hinauf. Ein lauter Schrei, ein letzter Blick hinunter über die Wolken verhangene Wand und der Handschlag mit Motte. Das ist alles was bleibt.

Ein langgehegter Traum ist Realität geworden und nach vier Jahren der Geduld darf ich ein weiteres Kapitel meiner Leidenschaft „Free Solo“ abschließen.

    Text: Hansjörg Auer, Kletterszene Quelle: Wikipedia & Ks.com Fachkompetentz Foto: © Hansjörg Auer,
  • Beitragsdatum 10. September 2015