Giftiger Gummiabrieb – Forschung zur Luft in Kletter- und Boulderhallen
Geahnt, dass die Luft in Boulder- und Kletterhallen nicht unbedingt die Qualität eines Luftkurorts aufweisen, haben wir wohl alle längst.
Jetzt ist diese Vermutung wissenschaftlich untermauert: Kletterer und Beschäftigte in Kletterhallen atmen sehr wahrscheinlich hohe Dosen potenziell giftiger Gummizusätze ein.
Die aus den USA stammende Umweltingenieurin und Doktorandin Anya Sherman forscht nicht nur aus rein wissenschaftlichem Interesse an diesem Thema. Sie verbringt ihre Freizeit selbst gerne bouldernd in der Halle.
Die Frage um die Arbeitsplatzsicherheit in Boulder- und Kletterhallen, in denen Mitarbeitende oft täglich viele Stunden als Aufsicht, in offenen Cafébereichen oder als Trainer verbringen, ist hier durchaus ein Thema. Insbesondere im Routenbau, bei dem durch die Arbeit mit Schlagschraubern bisweilen die Wand vibriert und sich so gerade der Feinstaub löst, der selbst bei regelmäßiger Hallenreinigung nicht erwischt wird, ist die Exposition groß.
Leute in den Kletterhallen atmen mehr von diesen Stoffen ein als Straßenbauarbeiter in chinesischen Megastädten.
Anya Sherman
Die Doktorandin hatte sich schon seit sie selbst zum Bouldern kam gefragt, ob ihre Kletterschuhe nicht die gleichen Gummiersatzstoffe abgeben wie Autoreifen durch Abrieb auf der Straße.
Inzwischen hat das Team 5 Boulderhallen in Wien beprobt und weitere in der Schweiz und in Frankreich. Sie haben den Staubgehalt in der Luft gemessen und den Abrieb der Kletterschuhe.
Das Ergebnis: Anya Shermans Vermutung hat sich bestätigt. Die Analysen belegen, dass aus den Kletterschuhsohlen durch die permanente Reibung an Wand und Tritten feinste Gummipartikel in die Hallenluft übergehen. Dort erhöht sie nicht nur den Anteil von Feinstaub, den Gummiteilchen haften auch etliche Chemikalien an.
Sie können so klein sein, dass sie wirklich bis in die Lunge reingehen und dann die Chemikalien abgeben.
Spezifisch haben wir uns angeschaut, was ist in diesem Gummi drinnen, welche Additive sind drinnen, und das sind nicht wenige.
Am Ende können es Hunderte sein […].
Thilo Hofmann, Professor für Umwelt- und Geowissenschaften an der Universität Wien.
Untersucht werden kann nur ein Bruchteil dieser Stoffe. Unter anderem auch deshalb, weil die Zusammensetzung der Sohlen von Kletterschuhen in der Regel ein Betriebsgeheimnis der Hersteller ist. Sherman analysierte 15 Chemikalien, darunter eine Menge Stoffe, die auch in Gummimischungen von Autoreifen zu finden sind.
Die folgende Überraschung war keine erfreuliche.
Über die meisten dieser Chemikalien wird erst seit Kurzem geforscht, deshalb konnten wir nur ein paar Studien darüber finden.
Anya Sherman,
Man hatte in diesen Studien Gummiadditive am Rande von Autobahnen und in Straßentunneln gemessen. Die junge Doktorandin musste feststellen, dass die von ihr erfassten Werte aus den Boulderhallen um bemerkenswerte Größenordnungen darüber liegen. Bei manchen Stoffen sind sie hundert oder sogar tausendmal so hoch.
Prof. Thilo Hofmann hält vor allem eine Stickstoffverbindung für bedenklich, die an der Luft mit Ozon reagiert und so zu einem Giftstoff wird. Dieser hatte in den USA ein Lachssterben ausgelöst, als Gummistaub nach Starkregen von Straßen in eine Fluss gespült wurde.
Einige Stoffe sollen in naher Zukunft als Zusatz in Autoreifen verboten werden. In Europa und den USA seine entsprechende Regulierungen in Vorbereitung. Anya Shermans größte Hoffnung ist, dass dabei andere Gummiprodukte wie beispielsweise Kletterschuhe nicht übersehen werden und Verbraucher- und Umweltschutz auch hier zukünftig im Vordergrund stehen.
Die Daten der Studie der Uni Wien als pdf: