Florian Riegler gelingt Wiederholung von "Via delle Cattedrale"
Florian Riegler klettert zusammen mit Rebecca Finch in 12 Stunden durch die 21 Seillängen der „Via della Cattedrale“ an der Marmolada Südwand. Es gelingt ihnen dabei wahrscheinlich die erste Rotpunkt- Wiederholung, 5 Jahre nach Pietro dal Prà.
1983 kletterten Graziano Maffei, Mariano Frizzera und Paolo Leoni als erste durch die kompakten Platten an dieser Wand und überwanden ein Riesen- Dach.
Nach 10 Tagen standen sie auf dem höchsten Punkt der „Canna d`organo“. Es muss wohl ein grosses Abenteuer für das sympathische Trio aus dem Trentino gewesen sein. 850 Meter, 6+, A4, ohne Bohrhaken! Ein Meilenstein der aber kaum Beachtung fand.Pietro dal Prá, einem ganz besonderem Kletterer Italiens, gelingt der erste freie Durchstieg und holte die Tour aus ihrem Dornröschenschlaf. 21 lange Seillängen mit Kletterschwierigkeiten bis 8a+.
Anfang Juni ist es endlich soweit und wir starten in Richtung Marmolada Südwand. Ich freue mich sehr die „Cattedrale“ heute zu versuchen. Schon seit Tagen schwirren mir die einzelnen Züge im Kopf herum. Es ist noch anfangs etwas kalt, aber ich bin hochmotiviert und ich klettere los. Die ersten Seillängen laufen gut. Vor der ersten 7c Seillänge machen wir kurz halt und warten einen Moment ab und warten auf die Sonne. Mit den ersten Sonnenstrahlen im Rücken geht’s weiter. Mit klammen Fingern starte ich los, tue mich schwerer als die letzten Male, doch schließlich erreiche ich den Stand. Ich fühle mich etwas müde und es kommen Zweifel auf, ob ich heute alles punkten kann. Doch die folgenden Seillängen (7b, 7c, 6c…) laufen wie geschmiert und ich gewinne mein Selbstvertrauen zurück. Wir sind am Stand unter der 8a+ Seillänge angekommen. Kurze Pause, dann geht’s weiter. Mein Puls steigt an. Mich erwartet der erste Durchstieg Versuch. Einige heikle Züge und ein schwieriger Einhänger bereiten mir Sorgen. Ich ziehe ein anderes Paar Kletterschuhe an (Miura vx), um einen besseren Grip auf den winzigen Tritten zu haben. Über die beiden plattigen Schlüsselstellen komme ich gut drüber, traversiere an Untergriffen und nutze noch die letzte gute Schüttelposition.
Jetzt kommt die steile Passage, die mir besser liegt. Die folgenden athletischen Züge zehren etwas an meiner Ausdauer. „Flo, jetzt nicht mehr loslassen!!!“ schreit Rebecca vom Stand herauf. Ich mobilisiere meine letzten Kräfte und erreiche mit dem Notakku den rettenden Seitgriff, stelle die Beine nach und „Yes“, ich habs geschafft. 10 Seillängen die wir nicht kennen liegen noch vor uns. Es folgen nun Risse, Verschneidungen und Platten auf herrlichem Marmoladakalk. Fünf Seillängen – traumhaft! Die letzten beiden Seillängen sind eine wahre Freude und ein perfektes „finish“.
Wir haben den höchsten Punkt der „Orgelpfeife“ („Canna d`organo“) und unser Ziel erreicht. Jede Seillänge sturzfrei und das in nur 12 Stunden! Es ist vor allem meiner Seilpartnerin Rebecca zu verdanken, daß wir so schnell waren. Wir haben bewusst auf einen Haulbag verzichtet um schneller zu sein. Sie ist trotz Rucksack extrem schnell nachgeklettert. Die Anspannung fällt von mir.
Civetta, Pelmo und Mont Agner stehen mächtig gegenüber. Es ist ein gutes Gefühl hier oben zu stehen! „La cattedrale“ ist für mich die schönste Route in den Dolomiten die ich je geklettert bin. Doch genau das haben Graziano Maffei und Pietro dal Pra` vor mir ja auch schon gesagt.
TEXT: Florian Riegler FOTOS: Thomas Ulrich