Eisklettern in den Kanadischen Rocky Mountains [Michi Wohlleben]

Am 25.Dezember startete ich zusammen mit Peter Albert, einem mittlerweile sehr treuen Kletterpartner Richtung Galgary. Dort wurden wir von Joachim Feger, der zusammen mit seiner Frau Simone schon einen Tag vor uns anreiste, vom Flughafen mit unserem 1. Auto (Jeep Liberty) abgeholt. Von Calgary ging es in einer guten Stunde nach Canmore, unserem Ausgangspunkt zum Eisklettern für die nächsten 2,5 Wochen.

p1030866Voller Motivation starteten wir am nächsten Tag zur Stanley-Headwall, einer 200-250m hohen Wand mit ca. 10 Eis-und Mixedlinien.
Peter und ich entschieden uns für die direkte Mixedroute der Suffer Machine, „Teddy bears Picnic“ M8/WI6, 240m, eine gigantische Linie. Die erste Seillänge konnte ich onsight klettern. Sie hängt auf einer Länge von ca. 30m etwa 5 über und ist mit Bohrhaken abgesichert, zusätzlich helfen Camelot Nr.1 und 0,4. Vorsicht: da die Abrisslinie des freihängenden Eiszapfens sehr weit oberhalb des letzten Bohrhaken liegt, sollte man die erste Eisschraube erst nach 5-10m setzen.

Am nächsten Tag kletterten wir an der Lower Weeping Wall den „Central Pillar“ (WI5+/200m)
Die Weeping Wall ist der Inbegriff des Kanadischen Eiskletterns, ein ca. 70m breites kompaktes Eisschild. Das coole an der Weeping Wall: sie ist Südseitig exponiert und deswegen warm, was später dann an der Upper Weeping Wall zum Abbruch geführt hat, wir mussten nach der 1. Seillänge wegen Eisschlag abbrechen. Simone und Joachim kletterten den „Left Pillar“ (WI4/200m).

Tags drauf machten wir einen Ruhetag, diesen verbrachten wir mit Einkäufen und damit, den Weg in das Ghost-Valley zu finden. Ein happy-days1Tal ca. 120km östlich von Canmore, bekannt für seine riesigen Eis-und Mixedlinien, allerdings auch bekannt für seine abenteuerliche Anfahrt. Das letzte Dorf das wir gesehen haben, war Morley danach ging es 80km ins Niemandsland, überall Wald, Wald und nochmals Wald, irgendwann ging es nach links in die „Ghost“. Dank unserem Jeep konnten uns die Straßen- ,wenn man es noch Straßen nennen kann, -verhältnisse nichts mehr anhaben. Es ging noch weitere 15km Richtung Berge und da war er auf einmal „The real big Drip“ M7+/WI6 220m.

Handyempfang hatten wir keinen mehr und aufeinmal begann der Motor des Jeeps auch zu stottern, zusätzlich gab es unregelmäßige akkustische Signale des Motormanagments und zusätzliche Disco-Unterstützung der Motorstörlampe. Auf letzter Rille sind wir in die Lodge gerollt. Unser Service-Banny (Simone) zauberte dann innerhalb einer Stunde aus dem Schrott-Jeep eine Dodge mit V8 Motor :-). Am nächsten Tag wieder voller Energie, machten wir den Sack an der Stanley Headwall zu: „Teady bears Picnic“ bekam eine der raren Rotpunkt Begehungen. 4 55m-Seillängen und wir waren oben!Joachim uns Simone kletterten gleichzeitig „Nemesis“ WI6/180m einer der Klassiker in den Rockies.

Nach einem Ruhetag fuhren wir bei angenehmen Temperaturen mal wieder den Icefield-Parkway hoch, diesmal war das Ziel, „Ice-Nine“(WI6) bzw. „Happy Days“(WI6+) zwei Säulen die in einem Abstand von 2 Metern nebeneinander stehen und etwa 20m freistehen. Nach langem überlegen entschied ich mich Happy Days anzugehen. „Happy Days“ war am Sockel allerdings nochmal in 2 kleine Zapfen mit jeweils einem Durchmesser von ca. 40cm und 80cm geteilt. Da die dicke von Happy Days war am Sockel nicht viel mehr als 30cm betrag und erst nach einigen Metern zunahm, happy-days5machte mir ihre Stabilität ein bisschen Sorgen. Ich versuchte es trotzdem, kletterte „Happy Days“ allerdings nicht einfach so, sondern kletterte sie zum testen erst im Nachstieg. Es fühlte sich ok an, ich setzte die erste Eischraube im Toprope, auf etwa 14m, die 2. auf ca. 16m.

Als die Sonne dann abends hinter dem Berg verschwand, entschied ich mich nach langem hin und her „Happy Days“ vorzusteigen. Ich wusste ich muss die ersten 14m 100% sicher klettern, wenn nicht, sind 14m zuviel zum runterfallen!

Im Durchstieg lief dann alles super. Innerhalb weniger Minuten war ich oben…und überglücklich allerdings auch ein bisschen sauer, ob diese Aktion sein hat müssen…?

Als ich 3 Tage später die Nachricht von 2 Kumpels bekam, dass „Happy Days“ und „Ice Nine“ zusammen gebrochen ist, wusste ich die Antwort auf diese Frage. Ja! Ich weiß welches Risiko ich eingehe, „Happy Days“ ist bis jetzt nur wenige Male gewachsen und ich habe die Chance genutzt es klettern zu können. Die Temperaturen dafür waren perfekt und das Eis war ok.Joachim und Peter konnten die Mixedroute an die Säule „Slaughte House“ M8+ Rotpunkt klettern.
Peter in Slaughter House

So langsam geht unser Kanada Trip zu Ende. Die letzten Tage machte uns das Wetter ein einen Strich durch die Rechnung, nach einer langen sehr sufferskalten Periode bis ca. -30°C haben wir in Canmore jetzt +5°C…

Bedingt durch die kalten Temperaturen, konnten wir leider nur in das Mixedklettergebiet Haffner Creek gehen. Einmal mussten wir nach einer Route schon wieder gehen, da unser Nasentermometer NEIN zu den Temperaturen gesagt hat und wir dann lieber einen Café in Banff trinken gegangen sind.
Auch für die letzten Tage blieb dann nur noch Haffner Creek übrig.

Allerdings war das auch gut. Mir gelang eine Begehung der Route Caveman (M10) im 2. Versuch und eine Onsight-Begehung einer M9 zusätzlich viele weitere leichtere Routen onsight.
Über die Rotpunktbegehung der Route Caveman habe ich mich sehr gefreut, da es einer meiner Wünsche war auch hier in Kanada eine schwerere Mixedroute zu klettern.

Am 31. Dezember, entschieden Peter und Ich uns einmal zum Sportmixedklettern in den „Cineplex“ zu gehen, dort gelang mir eine Flash-Begehung der Route „Orgasmo“ (M9) eine schöne, hauptsächlich ausdauernde Route, mit guten Hooks.
Simone und Joachim gelang am selben Tag ein Begehung des Klassikers „Polar Circus“ WI5, 500m

Im Hinterkopf hatten wir immer noch die Weeping Wall ganz zu klettern. Deswegen starteten wir tags drauf wieder Richtung Icefield Parkway, das Gebiet in dem die Weeping Wall liegt. Schon in Canmore zeigte der Termometer -20°C an, wir fuhren trotzdem los. An der Weeping Wall angekommen, zeigte er -24°C an und es war wirklich kalt. Abgesehen davon, dass das Eis total spröde war, hörte man in der ganzen Weeping Wall immer wieder laute Knackgeräusche, was Entspannungen im Eis waren. So passierte mir es auch 2 mal, das beim einschlagen des Eisgeräts, ein kompletter Riss durchs Eis zog. Nach diesen „Erlebnissen“ entschied ich mich nicht weiter zu klettern.

trbg1-sl2_Wieder einmal wollte die Weeping Wall uns nicht…

Das konnte unsere Motivation allerdings nicht bremsen und wir nahmen am 2. Januar dann den „Ganz großen Tropfen“ (The real Big Drip) in Angriff. Schon Zuhause, war das die Route die ich unbedingt klettern wollte!

Diesmal zusammen mit Joachim, wir standen morgends um 5 Uhr auf, Simone begleitete uns zum Fotos machen und leistete seelischen Beistand. Danke!
Der Zustieg stellte sich als ziemlich komplitziert heraus, es ging etwa 1,5 Stunden durch den Wald, hier in Kanada nennen sie es „Bushwalk“. Spuren hatten wir keine, allerdings fanden wir uns trotzdem relativ gut zurecht und standen ca. 2 Stunden später am Einstieg.

Ich stieg die erste Seillänge vor, es ging über lose Schuppen und wackelige Hooks etwa 30m in leicht überhängendem Fels bis an einen freihängenden Zapfen, an dem man einen „No-Hand-Rest“ hatte-meine Rettung im onsight :-)

Danach musste ich diesen Zapfen etwa 5m oberhalb nach links traversieren. Das Eis war sehr wild: teilweise meterhohe „Mushrooms“, insgesamt sehr luftig und eben am Anfang noch freihängend, deswegen kletterte ich ohne Zwischensicherung im Eis bis zum Stand. Für diese Seillänge würde ich wie Kurt Astner M8+ vorschlagen.

In der nächsten Seillänge wurde ich mit einem Boulder über ein ca. 1m herausragendes „Mushroom-Eisdach“ überrascht, welches allerdings mit ein bisschen Kraft im Bizeps trbgnos-doskletterbar war.

In der nächsten Seillänge war Joachim dran, er konnte sie ohne Probleme onsight klettern, eine M7+. Am Anfang musste man eine dünne Eisglasur klettern, diese führte in einen flache Felsplatte, die an einem ca. 1m Dach endete. War das Dach erst mal überwunden, ging es in einem Riss noch ca. 8m bis zum Stand. In der nächsten Seillänge stieg wieder ich vor. Vom Stand ging es nach rechts hinter einem Eisvorhang auf die andere Seite des großen Eisdaches. Dank meines kleinen, aber feinen Hinterteils, passte ich gerade so durch den Durchschlupf und kletterte auf der anderen Seite weiter. Nach etwa 10m in glasigem Eis, musste ich auf den Vorhang drauf, dies viel mir relativ schwer, da das Eis an der kannte sehr röhrig und luftig war.

Nach ein bisschen Suchen und Schauen, fand ich eine gute Linie etwas unterhalb, wo ích mit den Füßen auf „Mushrooms“ gut queren konnte. Erst einmal auf dem Vorhang drauf, waren es nur noch ca. 5-10 steilere Meter bis das Eis abflachte.

Am Stand angekommen, ein lauter Hurra-Schrei, mussten wir noch noch 2 weitere Seillänge im Eis (WI5+,50m und Wi4,60m) klettern und standen letztendlich wirklich ganz oben auf dem Drip!
Wir Zwei, überglücklich!

Für uns beide ein unbeschreibliches Gefühl. Mitten in der Wildniss, keine Menschenseele weit und breit, der nächste Handyempfang 3h entfernt. Für mich ging ein kleiner Traum in erfüllung diese Route zu klettern. Allerdings alles onsight zu klettern, war die Krone! Wie sich die Route uns präsentierte, würde ich einen Bewertungsvorschlag von M8+ im Fels und WI6+ im Eis vorschlagen. 240 Meter lang.

Michi wird von folgenden Firmen unterstützt:

  • Salewa
  • Würth
  • Julbo
  • NÜFNA

[KS.com: Michi hält auch 1A Vorträge! Wenn ihr mal für Eure Halle oder Sektion einen sympathischen Jungen sucht, der nicht nur 9a´s klettert, sonder ein richtiges Multi-Bergsporttalent ist, dann meldet Euch doch einfach bei Ihm! Er beißt nicht!]

Text: Michi Wohlleben, kletterszene.com Fotos:Michi Wohlleben Blog

  • Beitragsdatum 1. März 2010