
Dritte Begehung: James Pearson wiederholt Mystic River (8C) in Brione
Eigentlich sind wir es gewohnt, bei News über James Pearson vor allem über dessen Begehungen am Seil zu berichten – wie zuletzt bei seiner Wiederholung von Jacopo Larchers Trad-Testpiece Shikantaza im Valle dell’Orco. Ab und zu sorgt der britische Traditionalist aber dann noch mit ausgewählten Boulderbegehungen für die nötige Abwechslung: etwa im vergangenen Frühjahr bei seiner (Gott sei Dank nur fast) schiefgegangenen Wiederholung von 29 Dots, einem 14 Meter-Highball von Bernd Zangerl.
Jetzt ist James Pearson mit Mystic River (8C) die dritte Begehung eines gar nicht mal so neuen Brione-Problems gelungen:

Die Linie wurde nämlich nach der Erstbegehung von Giuliano Cameroni im Januar 2021 und der ersten Wiederholung am selben Tag (!) durch Shawn Raboutou laut James gar nicht mehr geklettert.
Mystic River wurde teils wegen der Schwierigkeit, aber auch wegen seiner logistisch ungünstigen Lage im Fluss seit Giulianos und Shawns Begehungen nicht mehr wiederholt. Ich habe seit meinen ersten Versuchen im Februar 2023 etwa zehn Sessions in die Linie investiert.
James Pearson
James Pearson: nicht der Typ für lange Boulderprojekte

Dass sich James Pearson wenn dann am liebsten im Trad- und Sportkletterbereich seine großen Projekte sucht, ist kein Geheimnis. Fast fünfzehn Jahre lang – insbesondere nach dem vielbeachteten Drama um seine verhängnisvolle Fehleinschätzung bei der für kurze Zeit „ersten E12-Tradroute der Welt“ Walk of Life im Jahr 2008 – hatte sich der Brite in seine heutige Heimat Frankreich zurückgezogen, bis er Ende 2023 mit Bon Voyage einen Versuch wagte, seine Reputation in der britischen Trad-Welt wiederherzustellen.
Deshalb überrascht es auch wenig, dass Mystic River James‘ erstes längeres Boulderprojekt seit langer Zeit ist: seit seinem 18. Lebensjahr, um genau zu sein. Damals hatte der junge Kletterer aus dem Peak District mit The Buttermilker (8A+) in Bishop nach nur drei Jahren im Sport sein letztes längeres Projekt getickt – ebenfalls nach zehn Sessions.
Als ich vor ein paar Jahren das erste Mal Aufnahmen von Mystic River gesehen habe, war ich von der Schönheit des Felsens und der Komplexität der Bewegungen beeindruckt. Ich weiß noch, dass ich mir vorgenommen habe, die Linie eines Tages zu probieren. Ich hatte keine Ahnung, was für ein großer Teil meines Lebens das werden würde.
James Pearson über Mystic River
Mystic River hat James Pearson zwei Jahre lang als Hauptprojekt begleitet und ihn dabei nicht nur an seine körperlichen, sondern auch an seine mentalen Grenzen gebracht: zum Beispiel beim wiederholten Aufbau des ohnehin schon prekären Landings im Flussbett, das immer wieder durch den saisonbedingten Wasserstand überschwemmt wurde.
Dass es mit dem dazu passend getauften Boulder doch noch geklappt hat, verdankt James Pearson neben seinem eigenen Durchhaltevermögen übrigens auch Pietro Vidi. Der Italiener stieg spontan mit in das Projekt ein und holte sich zwar bisher nicht wie sein britischer Kollege den Durchstieg, aber stand diesem mit mentaler Unterstützung zur Seite – und mit einem Beta-Tipp für ein besonders wichtiges Kneebar in der Crux.
Ein Video von James Pearsons Begehung von Mystic River findet ihr auf seinem Instagram-Account.