Interview kletterszene Moritz Perwitzschky

Die jungen Wilden im Interview [ Moritz Perwitzschky ]

„Klettern gehen und meinen Spaß dabei haben“

Dass Moritz Perwitzschky ein Franke ist, merkt man sofort: Er textet nicht lange rum, sondern beantwortet die Fragen knapp und präzise. Ähnlich ist der Kletterstil des 21-Jährigen: Es muss schnell gehen, das lange Projektieren schätzt er nicht, sagt Moritz. „Die Motivation, ewig wo hinzulaufen, fehlt mir.“ Langzeit-Projekte gibt es bei ihm eher selten, nach vier oder fünf Tagen sollte ein Boulder oder eine Route gemacht sein, sagt der „junge Wilde“ im Gespräch mit Kletterszene.com.

Kletterszene.com: Moritz, was war dein Highlight des Jahres?

Moritz: Das war „Classified“ an der Holzgauer Wand. Ich habe die Route –  eine 11 / 11+ –  im Herbst geklettert, im Oktober war das. Im letzten Jahr war ich öfters dort und habe sie probiert, dieses Jahr lief es dann erstaunlich gut. Das ist eine der wenigen Touren, in die ich viel Zeit investiert habe und mich echt gefreut habe, als ich sie gemacht habe.

Moritz Perwitzschky Klettern, Frankenjura Kletterszene

Wie kamst du eigentlich zum Klettern?

Ich bin mit dem Klettern groß geworden. Meine Eltern klettern beide und nahmen mich von Anfang an jedes Wochenende mit an den Fels. Zuerst habe ich nur leichte Touren im Toprope gemacht. Mit acht Jahren habe ich dann meine erste Tour erstbegangen: das war eine 6+, „EM Finale 2008“ (mittlerweile mit 7- bewertet, Anm. Ks.com) an der Klausener Wand, daran kann ich mich noch gut erinnern. Später war ich dann ziemlich häufig in der Halle, habe dann auch eine Zeitlang bei Wettkämpfen mitgemacht – aber in den letzten Jahren war ich dann eigentlich nur noch am Fels. Im Winter vor allem bouldern und im Frühjahr und Sommer dann mehr Seilklettern.

Wo siehst du die Unterschiede zu den Kids, die in der Halle anfangen?

In der Halle kann ab dem Zeitpunkt, an dem man alle geschraubten Boulder klettern kann, eigentlich nur noch an den Definierwänden trainiert werden. Klettert man viel am Fels, dann lernt man meiner Meinung nach sich vielfältig und besser zu bewegen, da in der Halle durch vorgegebene Tritte der Bewegungsradius eingegrenzt wird. Außerdem fehlt teilweise auch der Aspekt der Kreativität, die man beispielsweise bei Erstbegehungen braucht. Aber Wettkämpfe werden immer populärer, die Hallen immer besser. Ich kann schon auch verstehen, dass man in Hallen klettert beziehungsweise klettern muss. Ich suche mir meine Herausforderungen aber lieber am Fels: mit ein paar Kumpels einen Tag lang draußen sein zu können, gibt mir mehr, als in der Halle zu trainieren. In diesem Jahr und momentan trifft man aber Corona-bedingt auch wieder mehr Hallenkletterer an den Felsen.

Sind Hallen- und Felsklettern für dich zwei unterschiedliche Disziplinen?

Definitiv. Wettkampf hat mit dem, was ich eigentlich unter Klettern verstehe, nicht mehr viel zu tun. New-School, akrobatische Bewegungen und  neue Griffe… das entwickelt sich in eine ganz eigene und andere Richtung. Aber auch das Felsklettern entwickelt sich weiter. Heute wird ja auch nicht mehr in Bergstiefeln geklettert, so wie noch zu Beginn des Sportkletterns.

Wie siehst du die Entwicklung, dass immer jüngere Kletterer immer schwerer klettern oder bouldern?

Klettern ist ein junger Sport, es ist normal, dass sich das so entwickelt. Aber irgendwann wird natürlich eine Grenze erreicht sein. Also ich sehe das nicht negativ. Die Top-Leute klettern ja auch immer schwerer, da ist es nur ein logischer Schritt, dass die Jungen das auch tun. Solange es deshalb keine Spätfolgen gibt, finde ich das nicht schlimm.

Du bist früher auch bei Wettkämpfen gestartet – hast du da noch Ambitionen?

Prinzipiell finde ich Wettkämpfe ja ganz cool. Aber für mich gäbe es nur zwei im Jahr. Und die eine Deutsche Meisterschaft ist im Sommer- da habe ich keine Lust darauf, da klettere ich lieber draußen. Außerdem müsste ich dann erst einmal wieder viel in der Halle trainieren, um die Griffe kennenzulernen und die spezifischen Bewegungen einzuschleifen… auch nicht gerade meins. Nee, das mache ich einfach nicht.

Die fränkische Kletterszene gilt als sehr eigen. Wie siehst du als Franke das?

Na ja, es gibt schon viele Meinungsverschiedenheiten und oft einen Kleinkrieg. Ich halte mich da aber komplett raus. Ich will einfach nur Klettern gehen und meinen Spaß dabei haben. Stress brauche ich da nicht.

Franken wurde während und nach dem Lockdown im Frühjahr überrannt. Müsste man das zukünftig mehr kanalisieren oder reglementieren?

Also ich denke nicht, dass das notwendig ist. Es gibt in Franken so viele unterschiedliche Felsen, auch abgelegene – das muss man den Leuten halt mal vermitteln. Und dann kommen immer wieder Felsen, wo jahrelang kaum jemand war, auf einmal wieder in Mode und alle wollen hin. Also das wechselt ständig. Je mehr Leute da sind, umso besser muss man sie eben verteilen. Beim Corona-Peak waren aber sicher auch sehr viele Leute, die eigentlich sonst in der Halle klettern, in Franken am Fels. Das wird sich nach Corona wieder ändern.

Moritz Perwitzschky Klettern, Frankenjura Kletterszene

Und der Boulderappell?

Den finde ich prinzipiell ganz gut. Sonst müssten nämlich viele Boulder zoniert werden und könnten nicht mehr beklettert werden. Also es ist schon richtig, dass das so geregelt ist. Und wenn jemand nett fragt, dann verraten die Locals schon einen oder auch zwei Boulder. So ist es ja nicht, dass man gar keine Infos bekommt.

Wie trainierst du jetzt im Winter?

Wenn es irgendwie geht, dann gehe ich draußen bouldern. Und dann habe ja auch ich einen Beastmaker zu Hause, da kann man auch schon mal trainieren.

Hast du momentan Projekte, gibt es eine Route, die du unbedingt mal klettern möchtest?

Momentan habe ich keine, ich habe alle noch im Herbst abgehakt. Jetzt bin ich auf der Suche nach einem Boulderprojekt für den Winter. Den Boulder „Montecore“ wollte ich demnächst aber mal angehen.

Inzwischen studierst du: Ist Klettern für dich eine Freizeitbeschäftigung oder mehr?

Ja, ich bin mittlerweile im fünften Semester: Lehramt für Mittelschule in Nürnberg. Studium und Klettern sind mir gleich wichtig. Ich versuche aber schon, den Stundenplan so zu legen, dass ich unter der Woche rauskomme – das ging während des Online-Semesters im Frühjahr problemlos. Also ich lege den Fokus jetzt nicht mehr so wie früher nur aufs Klettern, das Studium leidet auf jeden Fall nicht darunter.

Kannst du dir vorstellen, von Franken wegzuziehen?

Ich bin prinzipiell offen für Neues. Ich muss nicht für immer und ewig hier bleiben… irgendwann hat man ja auch alles, was möglich ist, geklettert. Also der Fels im Voralpenland würde mich schon reizen. Ich könnte mir vorstellen, dort eine Zeitlang zu leben. Aber ich warte jetzt einfach mal ab, wohin  es mich im Referendariat verschlägt.

https://youtu.be/kOw3n4s_O8I

  • Credits Text Gudrun Regelein & Moritz Perwitzschky
  • Credits Fotos Moritz Perwitzschky
  • Beitragsdatum 5. Dezember 2020