Die jungen Wilden im Interview [ Eva Hammelmüller ]
„Krafttraining in der Quarantäne hat mich weit gebracht“
Eva Hammelmüller:
Die österreichische Kletterin Eva Hammelmüller hatte einen furiosen Start beim ersten internationalen Wettkampf der Saison, den Austria Climbing Summer Series in Innsbruck. Beim Bouldern belegte sie in der ersten Runde den zweiten Platz, eine Woche später verpasste sie wegen nur eines Versuchs das Podium und wurde Vierte. „Eigentlich bin ich ohne große Erwartungen hineingestartet“, sagt die 20-jährige Niederösterreicherin. „Auch weil ich zuletzt viel am Fels unterwegs war.“ Dort hat sie dann so nebenbei ein paar 8c-Touren abgezockt – zuletzt in den Tagen zwischen den beiden Boulder-Runden „Passport to Honesty“, eine maximalkräftige 8c-Tour.
Kletterszene.com: Eva, hat sich bei dir in diesem Frühjahr jetzt endgültig der Schalter umgelegt oder gibt es einen anderen Grund, dass du leistungsmäßig so explodiert bist?
Eva: Das war mein Krafttraining in der Quarantäne: Beastmaker und Klimmzüge, das hat mich weit gebracht. Mein Kraftniveau ist dadurch deutlich höher geworden und das Blockieren fällt mir wesentlich leichter. Ich war während des Lockdowns bei meinen Eltern in Niederösterreich und habe mir dort auf dem Dachboden eine Trainingskammer eingerichtet. In diesen Wochen habe ich mich auf meine Defizite fokussiert und an meiner Kraftdynamik gearbeitet. Diese Zeit war – so gesehen – auch eine Chance für mich, denn während des normalen Wettkampfjahres bleibt dafür kaum Zeit.
Du bist während dieser Zeit aber auch viel am Fels geklettert und hast ziemlich abgeräumt…
Ich bin schon immer sehr gerne am Fels geklettert und habe das sehr genossen, das taugt mir voll. Fels ist etwas ganz anderes als das Training in der Halle mit seinem Parcoursstyle. Dass es jetzt auch am Fels so gut lief, lag vor allem an der gewonnenen Fingerpower und natürlich auch daran, dass wegen der abgesagten Wettkämpfe viel Zeit fürs Felsklettern blieb.
Seit wann kletterst du?
Ich habe 2004 bei einem Pfarrfest in unserem Ort eine mobile Kletterwand entdeckt und mir war schon damals klar, dass ich das unbedingt machen möchte. Das durfte ich aber noch nicht, mit vier Jahren passte ich nicht in den Gurt. Zwei Jahr später konnte ich es dann endlich ausprobieren. Seitdem ist das Klettern Teil meines Lebens, mit acht Jahren bin ich dann meinen ersten Wettkampf geklettert.
Wie motivierst du dich?
Ich motiviere mich durch das Felsklettern. Dort kann ich mir eine Rote aussuchen und sie mir in aller Ruhe erarbeiten. Das gibt mir viel. Im Wettkampf ist es von vielen Faktoren abhängig, wie es läuft. Motiviert zu klettern, bin ich aber eigentlich immer, sonst wäre auch kein Training möglich.
Wie trainierst du?
Fünfmal die Woche unter der Leitung der beiden Nationaltrainer Kilian Fischhuber und Katharina Saurwein und in Absprache mit meinem Jugendtrainer Hannes Brunner, mit dem ich die Pläne individuell abstimme. Zu Jahresbeginn liegt der Fokus auf dem Bouldern, auf dem Aufbau von Maximalkraft. Später sind vor allem qualitativ hochwertige Einheiten wichtig und die Quantität rückt etwas in den Hintergrund. Etwa im April beginnt die Seilkletter-Saison, da geht es dann in erster Linie darum, Ausdauer zu bekommen. Ich bin aber während des ganzen Jahres über immer wieder am Fels, das ist für mich auch mental sehr wichtig.
Deine Stärken und Schwächen sind?
Zu den Stärken zählen Platten und technisches Klettern. Meine Schwächen sind die kräftigen Sachen – die Fingerpower, Körperspannung und Schulterstabiltät.
Die österreichischen Mädels sind stark, die Konkurrenz groß: pusht dich das?
Auf alle Fälle. Es ist total wichtig, mit anderen starken Kletterern trainieren zu können und sich zu vergleichen. Zu sehen, dass ein anderes Mädel etwas schafft, von dem man gedacht hat, es ist zu schwer, motiviert mich voll. Wir haben aber viel Spaß miteinander, es ist keine Konkurrenz untereinander.
Was ist für dich der Schlüssel zum Erfolg?
Die Freude und der Spaß am Klettern. Ich klettere nicht nur für den Wettkampf. Das Klettern bedeutet mir sehr viel, es ist für mich nicht nur ein Sport, es ist ein Lebensstil. Wenn ein Wettkampf schlecht läuft, klettere ich genauso weiter. Die Freude am Klettern hilft mir, mich vom Druck zu befreien und lockerer und befreiter klettern zu können. Den Kopf frei zu bekommen, ist für mich der Schlüssel zum Erfolg.
Das Klettern zählt zu einer Sportart, die zunehmend professionalisiert wird. Dazu gehört auch die Selbstvermarktung: wie gehst du damit um?
Sponsoren sind extrem wichtig für die Vermarktung, aber ich mache das nur bis zu einem bestimmten Punkt mit und lasse mich nicht vollständig vermarkten. Wenn ich ein Kletterthema habe, dann poste ich es, Persönliches gehört für mich aber definitiv nicht dazu, da ist für mich eine Grenze. Ich bin auch kein Mensch, der drei Stunden auf Insta und Facebook abhängt.
Was sind deine Ziele für diese Wettkampfsaison und welche Pläne hast du sonst noch für 2020?
Für das Wettkampfjahr habe ich keine konkreten Ziele, international zumindest. Wir wissen ja nicht, ob die angekündigten Weltcups tatsächlich stattfinden können. Die nationalen Wettkämpfe möchte ich natürlich mitklettern – mit dem Ziel Podestplatz. Die Saison wird keine wirklich Saison sein. Aber ändern kann man das eh nicht, so bleibt mir dann viel Zeit fürs Felsklettern, darauf freue ich mich. Ich habe im Ötztal zwei 8c´s und auch eine 8c+ ins Auge gefasst und möchte auf jeden Fall auch ins Magic Wood.
Und die Olympischen Spiele 2021 oder auch 2024? Spielen die bei deiner Planung eine Rolle?
Für die Olympischen Spiele 2021 ist die Qualifikation schon so gut wie abgeschlossen und ich hatte es auch nicht zum Ziel, schon dort starten zu dürfen. Die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 ist aber ein definitiv sehr großes Ziel von mir. Bis dahin ist aber noch sehr viel Zeit – deshalb spielt das in der Planung nur insofern eine Rolle, dass das Bouldern und Lead von der Bedeutsamkeit her gleich gewichtet werden.