Die Folgen des Klimawandels für Bergwelt und Bergsport

Wassermangel auf Hütten, Steinschlaggefahr und Wege, die durch den Rückgang der Gletscher unbegehbar werden – die Auswirkungen des Klimawandels auf die Alpen und die Bergsportwelt sind vielfältig. Bei einer zweitägigen Wanderung im Ötztal konnten Medienschaffende einen umfassenden Einblick in die vielfältigen Probleme, die der Klimawandel mit sich bringt, gewinnen. Die Expert*innen des DAV auf diesem Gebiet erklärten dabei nicht nur den Status Quo, sondern skizzierten auch, welche Anpassungen künftig nötig sein werden – und was der Deutsche Alpenverein unternimmt, um seine eigene Klimaneutralität voranzutreiben.

Klimawandel trifft besonders Alpenvereinshütten

Der Klimawandel betrifft die alpine Infrastruktur des Deutschen Alpenvereins mit seinen Hütten und Wegen. Bei Hütten sind die Auswirkungen vor allem in Wasserknappheit in trockenen Sommern, Schäden durch vermehrte Starkregenereignisse sowie zunehmender Instabilität des Untergrunds durch Frost-Tau-Wechsel auch in großen Höhen spürbar. Die Wegeinfrastruktur ist nicht weniger betroffen als die Hütten: Verstärkte Murentätigkeit durch Starkregenereignisse sorgt für mehr Instandhaltungsaufwand einiger Wege. Durch den Gletscherrückgang sind Routen nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form begehbar. Ein Beispiel dafür ist die Errichtung der Hängebrücke zwischen Langtalereckhütte und Ramolhaus.Abtauender Permafrost sorgt für zunehmende Steinschlaggefahr, was bis hin zu großen Bergstürzen wie am Fluchthorn führen kann. Dies gefährdet die Sicherheit der Bergsportler*innen. 

Als Reaktion auf die Klimawandelfolgen werden im Umgang mit Wasserknappheit auf Alpenvereinshütten Wasserspararmaturen eingebaut oder Duschen geschlossen. Im letzten Sommer kam es sogar wegen Wasserknappheit zu einer frühzeitigen Schließung der Neuen Prager Hütte. 

Ausgehend von diesen Klimawandelfolgen hat der Deutsche Alpenverein als Betreiber der alpinen Infrastruktur ein ureigenstes Interesse an der Bekämpfung bzw. Verlangsamung des Klimawandels. Ein Baustein ist dabei die Energieversorgung der Hütten ausschließlich auf regenerativer Basis. Das Speisenangebot wird zunehmend an den Klimawandel angepasst. Bei Baumaßnahmen werden die Emissionen ermittelt und daraus Maßnahmen abgeleitet, um zukünftige Baumaßnahmen nachhaltiger zu gestalten. Besonders wichtig ist, die Besucher*innen und Alpenvereinsmitglieder über die Maßnahmen zur Klimawandelbekämpfung zu informieren und zu motivieren, auch im eigenen Gestaltungsspielraum den CO2-Fußabdruck zu verkleinern. 

Ein völlig neues Landschaftsbild? – Gletscherrückgang und bröckelnde Berge 

Die schmelzenden Gletscher gehören zu den offensichtlichsten durch den Klimawandel bedingten Veränderungen in den Alpen. Sichtbar werden sie zum Beispiel am Langtalferner in den Ötztalern: Seit 1990 hat sich der Gletscher um rund 500 Meter zurückgezogen, allein in den letzten zehn Jahren waren es etwa 130 Meter. Doch nicht nur die sichtbaren Veränderungen haben dramatische Folgen:

 Die Erwärmung macht die Alpen instabil – das hat der Bergsturz am Fluchthorn zuletzt sehr eindrücklich gezeigt Durch die Erwärmung steigt die Nullgrad-Grenze – seit 1961 in den Wintermonaten um rund 400 Meter. Mit drastischen Konsequenzen, wie Hipp deutlich macht:

Für einen Bergsturz wie am Fluchthorn muss der Permafrost noch nicht einmal ganz aufgetaut sein. Wenn das Eis wärmer wird, verändert es seine Eigenschaften und wird elastischer. Das reicht, um Hänge und Felswände zu destabilisieren. Der Gletscherrückgang verstärke die Problematik. Die Eismassen haben die umgebenden Hänge stabilisiert. Diese Stütze geht gerade in Rekordgeschwindigkeit verloren.

so Hipp

Die durch den Klimawandel bedingte Zunahme von Extremwetterereignissen wie Starkregen, Trockenheit, Hitzeperioden und starke Temperaturschwankungen beschleunigen diese Prozesse und können Steinschläge, Fels- und Bergstürze auslösen. Das bedeutet nicht nur veränderte Bedingungen für Bergsportler*innen im Hochgebirge, sondern auch für Infrastruktur am Berg und im Tal.

Weniger Wasser aus dem Hochgebirge: Auswirkungen über den Alpenraum hinaus 

Weit über den Alpenraum hinaus wirken die Folgen des Gletscherrückgangs, denn die Eismassen sind ein wichtiger Wasserspeicher. Bei hochgelegenen Flüssen mit stark vergletschertem Einzugsgebiet, wie zum Beispiel bei Venter Ache und Gurgler Ache der Fall, stammt in den Sommermonaten 60-80 Prozent des Wassers aus der Gletscherschmelze.

Die Alpenbäche und -flüsse, die letztendlich auch die großen europäischen Ströme speisen, werden auch in Zukunft Wasser führen – aber eben genau in den ohnehin trockenen Sommermonaten bedeutend weniger,

erklärt Hipp.

Bis Mitte des Jahrhunderts wird ein Großteil der Gletscherfläche in den Ostalpen verschwunden sein, und damit ein wichtiger Wasserspeicher. Die Flüsse werden dann überwiegend durch den Niederschlag und die Schneeschmelze gespeist. Damit haben wir insgesamt weniger Wasser. In heißen und trockenen Sommermonaten wird das vor allem in den niederschlagsarmen Alpenregionen, wie zum Beispiel Ötztal, Vinschgau oder Engadin, schmerzlich zu spüren sein – in Kombination mit einem Hitzesommer oder geringer Schneeschmelze zu einem gewissen Grad dann auch über die Alpentäler hinaus,

so Hipp.

Bergsport Sicherheit

Der Klimawandel hat dramatische Auswirkungen auf den Bergsport, die sowohl die Sicherheit als auch die Attraktivität der verschiedenen Disziplinen beeinflussen. Ein besonders sichtbares Zeichen des Klimawandels ist das Schwinden der Gletscher. Die steigenden Temperaturen führen zu einer beschleunigten Eisschmelze, wodurch Gletscher schneller schrumpfen und letztlich ganz verschwinden. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf das landschaftliche Erscheinungsbild der Berge, sondern beeinflusst auch die Zugänglichkeit einiger Gipfel. Gletscherspalten, die einst sicher überquert werden konnten, werden nun oft zu gefährlichen Hindernissen und der Weg dorthin führt oftmals durch Moränenlandschaften mit losem Geröll. Dies erfordert eine sorgfältige Einschätzung der Routen und eine erhöhte Vorsicht.

Ein weiteres Problem ist die erhöhte Steinschlaggefahr. Durch das Auftauen des Permafrosts lockern sich große Mengen an Geröll und Steinen, die zu gefährlichen Felsstürzen führen können. Steinschlag kann schwerwiegende Verletzungen verursachen. Eine entsprechende Planung von Routen sowie die vermehrte Verwendung von Schutzhelmen werden zu entscheidenden Maßnahmen, um das Risiko zu minimieren. Bereits heute werden immer wieder Routen wegen Steinschlaggefahr längerfristig gesperrt oder müssen komplett verlegt werden.

Darüber hinaus führt der Klimawandel zu einer Zunahme extremer Wetterbedingungen im Hochgebirge. Wetterereignisse wie Stürme und Schneefälle dürften intensiver und unvorhersehbarer werden. Plötzliche Wetterumschwünge können Bergsteiger*innen überraschen und ihre Sicherheit gefährden. Die Gefahr von Lawinen steigt ebenfalls, da sich die Schneeverhältnisse verändern.  Die Auswirkungen des Klimawandels auf den Bergsport zeigen sich auch in anderen Bereichen.

In einigen Regionen schwinden saisonale Eis- und Mixed-Kletterrouten, da die Bedingungen nicht mehr ausreichend stabil sind. Auch der Zustand der Felsformationen kann sich durch Auswirkungen wie Frost-Tau-Zyklen verändern, was zu brüchigem Gestein und instabilen Kletterrouten führt. Die biologische Vielfalt in den Bergen wird ebenfalls beeinflusst, da Pflanzen und Tiere, die an kalte Hochgebirgsumgebungen angepasst sind, sich in höhere Lagen zurückziehen oder sogar aussterben können. Gleichzeitig erhöht sich die Baumgrenze, da es insgesamt wärmer wird.

Klimabilanzierung im Deutschen Alpenverein

Der Deutsche Alpenverein hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 klimaneutral zu werden – und zwar nach dem Prinzip „Vermeiden vor Reduzieren vor Kompensieren“. Ein erster Schritt hin zur Klimaneutralität ist die erste verbandsweite Emissionsbilanzierung, welche die Sektionen und der Bundesverband im Jahr 2022 durchgeführt haben. Rund 38 Prozent der Sektionen, die insgesamt fast die Hälfte der Mitglieder repräsentieren, haben sich an der Bilanzierung über den Bundesverband beteiligt, einige weitere in Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern. Wie hoch die Emissionsbilanz insgesamt ausfällt, wird aktuell noch ermittelt. Belastbare Daten können voraussichtlich im Herbst 2023 veröffentlicht werden. Bereits seit 2021 fördert der DAV Klimaschutzmaßnahmen, die in Sektionen konzipiert und umgesetzt werden. Durch diese geförderten Projekte können bereits rund 660 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. Das entspricht etwa dem Jahresverbrauch von 60 Haushalten.

  • Credits Text Franz Güntner/ DAV, kletterszene.com
  • Credits Fotos J. Gassner, DAV/Tobias Hipp, DAV/Hans Herbig, DAV/Jens Klatt, DAV/Silvan Metz, DAV/Karl Dörnemann, DAV/Marco Kost, DAV/ Franz Güntner
  • Beitragsdatum 1. September 2023