Der Start in das Olympia-Jahr – Interview mit Lucia Dörffel

Anfang April startet die Weltcup-Saison: Vom 8. bis 10. April geht der erste Boulder-Weltcup in Keqiao über die Bühne, vom 11. bis 14. April folgen dann Lead und Speed in Wujiang. Insgesamt neun Stationen wird es in diesem Jahr geben, nach den beiden ersten in China folgen Salt Lake City / USA (Bouldern und Speed), Innsbruck / Österreich (Bouldern und Lead), Chamonix / Frankreich (Lead und Speed), Briançon / Frankreich (Lead und Speed), Koper / Slowenien (Lead), Prag / Tschechische Republik (Bouldern) und Seoul /Südkorea (Lead, Bouldern und Speed). Es wird spannend werden, das Feld ist unglaublich stark und sehr dicht – sowohl bei den Damen als auch bei den Herren.

Absoluter Höhepunkt der Saison 2024 werden aber die Olympischen Spiele in Paris vom 26. Juli bis 11. August sein, die Kletterwettkämpfe gehen vom 5. August bis zum 10. August über die Bühne. Jeweils 20 Starterinnen und Starter wird es in der neuen Kombination aus Bouldern und Lead geben, jeweils 14 Frauen und Männer beim Speed – insgesamt also 68 Athletinnen und Athleten, die um die vier Medaillensätze kämpfen werden. Schon nominiert haben sich unter anderem Janja Garnbret (Slowenien), Jessica Pilz (Österreich), Ai Mori (Japan), Oriane Bertone (Frankreich) und Natalia Grossman (USA) bei den Damen. Bei den Herren sind es Jakob Schubert (Österreich), Colin Duffy (USA), Tomoa Narasaki (Japan), Jesse Grupper (USA) und Toby Roberts (Großbritannien).  

Vom deutschen Team konnte bislang keine Athletin oder Athlet das begehrte Ticket für Paris lösen – aber eine neue Chance gibt es bei der Olympic Qualifier Series (OQS) in Shanghai im Mai und in Budapest im Juni. Insgesamt 30 Plätze gibt es dort: 20 für die Combined-Wertung und zehn für Speed – und vielleicht gelingt der derzeit sehr starken Franziska Ritter, die vor Kurzem den European Cup in Lublin / Polen mit einer neuen persönlichen Bestzeit von 6,849 Sekunden gewann, die Sensation, und sie holt sich ein Ticket. Aber auch Leander Carmanns und Sebastian Lucke sind zuletzt superschnelle Zeiten gelaufen. Beim Combined zählt bei den Herren neben Alex Megos auch Yannick Flohé zu den Favoriten, bei den Damen sind Hannah Meul und Lucia Dörffel am Start. Kletterszene.com sprach mit Lucia, einer der erfolgreichsten deutschen Kletterinnen. Die 24-jährige Wahlmünchnerin ist mehrfache Deutsche Meisterin im Bouldern, 2019 holte sie sich auch den Meistertitel beim Lead. 

Ks.com: Lucia, ist Paris dein großer Traum?

Ja, schon. Ich habe meinen Fokus daraufgesetzt und versuche, mich optimal vorzubereiten. Ich werde alles dafür geben, in Paris dabei zu sein… mal schauen, ob es klappt.

Beim Qualifier in Laval Ende 2023 warst du Sechste. Welche Chancen rechnest du dir aus, dir bei den Qualifiers in Shanghai und Budapest ein Ticket für Paris zu holen?

Laval lief gut. Und ein paar der ganz großen Konkurrentinnen sind weg, außerdem können von jedem Land nur zwei Athletinnen in Paris starten. Also so schlecht stehen meine Chancen nicht, würde ich sagen. Es ist machbar – und das motiviert mich natürlich. Ich habe zuletzt auch mehr Lead gemacht, ich fühle mich gut. Bis auf eine Fingerverletzung, die mich im Training etwas eingeschränkt hat… deshalb werde ich auch nicht beim ersten Weltcup in China starten.

Ist die Weltcup-Saison wegen der Olympischen Spiele eigentlich nur noch eine Nebensache?

Für alle, die sich für Olympia qualifizieren, ist das so – denke ich. Es gibt aber ja auch noch viele Einzelathletinnen und -athleten, die sich entweder aufs Bouldern oder auf Lead konzentrieren und gar nicht Combined machen – für die ist die Saison natürlich genauso wichtig wie immer. Und auf dem Podest zu stehen, ist schon krass. Außerdem geht es ja auch um die Platzierung in der Weltrangliste, die für 2025 eine Rolle spielt. Aber für die Kombinationskletterer und die Speedkletterer steht sicher zumindest momentan noch Paris im Fokus.

Mit Blick auf deine Konkurrentinnen: das Feld ist unglaublich dicht, oder?

Auf jeden Fall. Die Trainingsmöglichkeiten haben sich deutlich verbessert und immer mehr junge und sehr starke Kletterer kommen nach. Sorato hat bei den Herren den Gesamtweltcup im vergangenen Jahr gewonnen – mit gerade einmal 16 Jahren. Es gibt sehr viele, extrem starke Kletterer, alles kann passieren. Es ist nicht mehr wie früher, als immer die gleichen Athleten im Finale waren und es vielleicht einmal eine Überraschung auf dem Podest gab. Bis auf Janja, die ja fast immer gewinnt, ist alles möglich. Ein Athlet, der auf dem Podest stand, schafft es beim nächsten Weltcup vielleicht nicht einmal mehr ins Halbfinale. Das Niveau ist extrem hoch, die Top 20 beziehungsweise 30 sind stark besetzt.

Du hast gerade die Trainingsmöglichkeiten erwähnt: Einige Spitzenkletterer haben zuletzt kritisiert, dass die in Deutschland nicht optimal sind. Was sagst du?

Die sind sicher nicht optimal, ich fahre beispielsweise oft nach Berlin, um dort zu trainieren – dort gibt es meiner Meinung nach bessere Boulder, also mehr Wettkampfboulder, als in den Hallen in München. Jetzt gibt es im Olympiastützpunkt München auch keine Definierwand mehr und die in Augsburg konnten wir zwischenzeitlich nicht nutzen. In der Kletterhalle in Thalkirchen soll zwar ein Trainingszentrum für Spitzenkletterer entstehen, aber das dauert noch… wie gesagt: optimal ist es nicht. Eigentlich sollte doch aber im Leistungssport alles möglich gemacht werden, um uns ein optimales Training bieten zu können.

Du bist schon sehr lange dabei. Wie motivierst du dich immer wieder für das harte Training?

Klettern macht mir einfach mega viel Spaß und ich trainiere gerne für etwas, das ich liebe. Ich mache mich aber auch gerne komplett platt. Und es ist schön, wenn man sieht, dass das Training etwas bringt. Früher konnte ich beispielsweise mit New-School-Bouldern nicht wirklich etwas anfangen, inzwischen mag ich das auch gerne. Ich habe die koordinativen Sachen viel trainiert, auch die Sprünge und Weiterleiter gehen inzwischen gut.

In diesem Jahr wirst du 24 Jahre alt – denkst du manchmal schon über ein Ende deiner Wettkampfkarriere nach?

Ich werde sicher die Zahl meiner Wettkämpfe irgendwann zurückschrauben, also nicht mehr bei so vielen starten… aber so weit ist es noch nicht. Dieses Jahr konzentriere ich mich wegen Paris auf das Plastik, aber ich gehe auch sehr gerne an den Fels, um dort schwer zu bouldern oder zu klettern – und ich würde gerne wieder mehr draußen machen. Letztes Jahr lief es gut, gerade beim Bouldern. Ich konnte „One Summer in Paradise“ (8B), „Pura Vida“ (8A+) und „Le pilier“ (8A) machen. Ich denke, dass ich mein Potenzial am Fels aber noch nicht ausgeschöpft habe… da geht noch mehr. 

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Video-Link: https://youtu.be/VeqIveF2Pac?si=4JwF5raVXJ__tqh3

  • Credits Text Gudrun Regelein f. kletterszene.com
  • Credits Fotos Jan Virt, Blockokorb
  • Beitragsdatum 2. April 2024