Der Querdenker – oder Gedanken zur fränkischen Querung

Macht es einen Sinn, den Alten Weg an der Kletterrosenwand im Leinleitertal zu sanieren? Eigentlich nicht. Es gibt viele Gründe, nicht dorthin zu gehen: Wenig Routenauswahl, schlechter Zustieg in steinigem Gelände, schlechte Parkmöglichkeiten und nicht zuletzt die Felsstruktur: glatt, griffarm, ab und zu eine Minileiste, so was ist out. Aber der wichtigste Grund, warum diese Route in den nächsten paar Jahren wohl nicht mehr als 10 Begehungen haben wird ist Folgender: ES IST EINE QUERUNG.

Und nicht irgendeine Querung, sondern auch noch eine sehr lange Querung, die angefangen vom Westteil des Blocks über den Nordteil an die Kante zum Ostteil geht, wo sie ausgestiegen wird. D.h. Zwischenstand am Wandbuch, dem eigentlichen Initiator dieses Artikels.

Mein erster Blick in das Wandbuch zeigt mir, dass ich gerade versuche, die Geschichte dieser Kletterroute wieder anzukurbeln, die seit 28 Jahren stillsteht! Der letzte Eintrag in das Wandbuch erfolgte im Mai 1980, erstbegangen wurde sie von Otto Sommer und Hans Schreiner Ostern 1933. Ich stöbere im Wandbuch und stelle fest, dass dieser Weg früher recht beliebt war. Sogar im Krieg gab es zahlreiche Begehungen, oft von Seilschaften von bis zu 5 Personen!

wandbuch

Nun ist die Route saniert und an der Bergseite gibt es 2 Neutouren und eine Einstiegsvariante zum Alten Weg. Wird die Sanierung einige Kletterer bewegen, sie zu steigen? Sicherlich nicht. Wenn sie nicht regelmäßig geputzt wird, wird sie sogar komplett aussterben.

Ich stelle mir die Frage, abgesehen von all den anderen negativen Aspekten (siehe oben), warum sind Querungen so wahnsinnig unbeliebt in der heutigen Zeit? Ich glaube, der Hauptgrund ist der, dass ein Sturz in einer Querung meist nicht so bequem ist. Natürlich ist man früher sowohl in Querungen als auch in geraden Linien so gut wie nie gestürzt, aber hat man in der heutigen Zeit nicht auch dasselbe Ziel, wenn man eine 5 klettert? Ich denke schon, dass sehr viele Kletterer heute viel sicherer klettern wollen und versuchen, das Risiko auf ein Minimum zu reduzieren, abgesehen von Anfängern, die gleich vorsteigen wollen, der psychischen Anstrengung nicht gewachsen sind und vorm 1. Haken fallen. Früher hat man aufgrund der schlechten Materialien gewusst, dass ein Sturz ins Seil schlimme Folgen haben kann, trotzdem hat man das Risiko in Kauf genommen. Heute traut sich fast keiner mehr an alten Rostis zu klettern, auch dann nicht, wenn man den Grad perfekt beherrscht. Aber ist es wirklich der Sturz in der Querung, vor dem sich viele fürchten?

Es gibt viele Felsen, bei denen die alte Querung von geraden Routen geschnitten wird. In diesem Fall ist man immer der Buhmann, wenn man bei der heutigen Frequentierung der Felsen in solch eine Querung einsteigt. Viele, oder eigentlich alle Anfänger lernen das Klettern in der Halle, in der es nur gerade Touren gibt. Man stelle sich vor, in der Halle gäbe es eine Querung über zwei Seillängen… bestimmt witzig!

Manch eine Uraltquerung wird in Führern schon gar nicht mehr aufgeführt, z.B. der Eichner Gedenkweg an der Eichner-Wand.

Der Trend geht eindeutig zu gnädig bewerteten, übersicherten, kurzen, geraden Linien, wobei Linien eigentlich der falsche Ausdruck ist. Wie schön, dass es bei uns die „Linie“ noch gibt, die in Arco z.B. ja schon fast komplett ausgestorben ist. Da denkt man sich manchmal, die haben die Routen mit Senklot und Meterstab eingerichtet. Heutzutage zählt doch nur noch der Grad und leidergottes kommt deshalb auch kein 8er Kletterer auf die Idee, 2 Grade herunterzuschrauben und zur Abwechslung mal eine Querung zu klettern, das würde ja viel zu lang dauern und hätte auch gar keinen Trainingseffekt…

Dabei gehen doch viele zum Bouldern und klettern ihre Traversen oder, um nun ganz vom Thema abzuschweifen, hat beispielsweise Würzburg mittlerweile eine riesige Buildering-Szene, die tagtäglich um die 2m hohe Kaimauer versammelt ist. Hier kann man nur Querungen klettern. Von der Technik her hätten es diese Leute also locker drauf, eine klassische Querung zu klettern, aber was sind schon 4er und 5er Züge im Vergleich zu den leistungs-grenzwertigen Zügen eines Boulders. Dieser Vergleich ist also absolut für die Tonne.

Ich werde den Trend sicher nicht aufhalten können und sollte lieber die Wurzelbürste holen, anstatt mir über dieses Thema den Kopf zu zerbrechen. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass hier keiner klettert, denn dann hab ich in zehn Jahren hier auch noch meinen Spaß, wenn die meisten Felsen der Fränkischen komplett abgeschmiert sind…

Nachtrag:

Eigentlich wäre es ein schöner Artikel geworden, hätte ich nicht heute (nachdem der Artikel schon geschrieben war) beim Putzen festgestellt, dass der Alte Weg bis zum zweiten Haken ganz schön brüchig geworden ist. Der erste Haken ist gefahrlos ankletterbar, wenn man nur die großen Tritte verwendet. Von der Absicherung her besteht im Bruch keine Gefahr, man kann es also klettern, sollte sich allerdings auf ein alpines Abenteuer gefasst machen…
oder man klettert einfach die neue Einstiegsvariante!

Meilensteine der Kletterrosenwand:

Ostern 1933:
1. Begehung
(Otto Sommer, Hans Schreiner) 5/A1
September 1942:
Alleingang (Sepp Weber)
Mai 1980:
letzter Wandbucheintrag vor 28-jähriger Pause
November 2008:
Sanierung

Übersicht über die Anzahl der Seilschaften pro Jahr: LINK

Text: Reimund Schuh  Quelle: IG Klettern.com

  • Beitragsdatum 24. August 2009