Dave Graham befreit Magma (8C) am Gotthardpass
Er hat es schon wieder getan. Dave Graham, mittlerweile 43 Jahre alt, liefert erneut eine Erstbegehung mit dem Bewertungsvorschlag 8C.
Anfang Oktober war der gebürtige US-Amerikaner losgezogen, um Child of Hell, ebenfalls 8C, zu projektieren. Aufgrund der nassen Bedingungen in Passnähe und eines Mangels an Spottern hatte er beschlossen, zu einem anderen Projekt zu wechseln. Er richtete sich also unter dem Block, an dem schließlich Magma (8C) entstehen sollte, ein risikoarmes Sturzgebiet ein und legte los.
Einige würden vielleicht sagen, dass es ein Low-Ball ist, was vielleicht richtig ist, aber ich würde sagen, dass es eine sehr angenehme Kletterei ist, weil man sie ohne Stress alleine ausprobieren kann.
Dave Graham – IG
Den Boulder hatte Graham über einige vergangene Sommer immer wieder ausprobiert, sich aber nie wirklich festgelegt. In Anbetracht der Umstände schien ihm nun der ideale Moment dafür gekommen. Nachdem er die perfekte Beta für sich gefunden hatte, ging es vor allem darum, die perfekten Bedingungen zu erwischen. Ein wenig liest sich Daves Instagram-Post, als personifiziere er den Block oder Boulder, wenn er von seinem Projekt schreibt.
Der sitzt den ganzen Tag in der Sonne und heizt den Crux-Griff auf, der wie ein kleines Messer durch die Fingerkuppen schneidet.
Dave Graham – IG
Dieser Kerl! Könnte sich ja auch einfach mal im Schatten unterstellen, um dem Boulderer entgegenzukommen, einfach verdammt unflexibel, diese Blöcke …
Ein paar stürmische, bewölkte Wochen brachten Dave schließlich die erhofften Bedingungen und er begann, die Linie intensiv zu belagern, um sie noch vor dem unvermeidlichen ersten Schneefall unter Dach und Fach zu bringen.
Ich habe den Crux-Drop an die winzige Kante immer wieder gehalten, eine komplex vorzubereitende Bewegung, sich um eine fragwürdige Mini-Beule und einen unangenehmen Toehook rotierend. Aber ich bin ständig an der noch kniffligeren Tritt-Passage gescheitert, um mich in Position für den schlechten Pinch an der Kante zu bringen.
Schließlich tänzelte sich der Altmeister aber doch über die winzigen, polierten Tritte in einen fragilen Knieklemmer, der ein wohldosiertes Maß an Hüftspannung erfordert und vielmehr ein Balanceakt als auch nur annähernd eine Pausenposition bietet.
Meine Haut war am Limit, und ich hatte keine Woche Zeit, um sie zu heilen, also ging ich aufs Ganze, mit einigen richtigen „last try best try“-Vibes, und tippte tatsächlich den verdammten Boulder. Ich war absolut begeistert, dass es geklappt hat!!! Diese Kletterei passt perfekt zu mir, eine Seltenheit, und spielt mit meinen Stärken, also bin ich ziemlich zuversichtlich, dass der Grad halten wird, aber mal sehen.
Der 43-jährige David Graham hat sich längst seine Position in den Reihen der Kletter- und insbesondere Boulderlegenden seiner Generation gesichert.
Wie viele 8C-Boulder er in seiner über 25-jährigen Kletterkarriere bereits getoppt oder sogar erstbegangen hat, ist nicht genau zu beziffern. Durchgestiegen ist er jedenfalls über 700 in den Graden von 8A bis 8C+, etwa 40 davon im ersten Versuch, zu einer Zeit, in der mit Begehungen in diesen Graden noch in neue Dimensionen der Schwierigkeit vorgedrungen wurde.
Allein im Jahr 2023 gelangen ihm seine bisher schwierigste Erstbegehung Celestite, für die er den Grad 8C+ vorschlägt, außerdem Peace Corps (8C), die Erstbegehung Adularia mit dem Bewertungsvorschlag 8C und die dritte Begehung von Hazel Grace (8C). Im Jahr 2022 boulderte er 11 Blöcke in den Graden 8B+ bis 8C+.
Einige seiner Entdeckungen kann man mittlerweile als in Fels gezeichnete Ikonen des Bouldersports bezeichnen. Dazu zählen Alphane (9A) im Tessin, 2022 erstbegangen durch Shawn Raboutou, Off the Wagon (8B+) die ersten Versuche sind in frühen Bouldervideos (Dosage-Serie 2004) von Dave und Chris Sharma dokumentiert und Story of Two Worlds (8C) erstbegangen durch Dave selbst im Jahr 2005, um nur drei zu nennen.
Auch im Sportklettern knackte er einige historische Meilensteine der Klettergeschichte. Am 21. Mai 2001 gelang ihm die vierte Begehung der legendären Action Directe, der ersten Route im Schwierigkeitsgrad 9a weltweit, in der Fränkischen Schweiz.
Kleine Randnotiz: Man spricht den Routennamen französisch aus, denn der Name nimmt Bezug auf die französische Terrorgruppe Action directe, womit auf die „Anschläge“ auf die Finger, vor allem auf Sehnen und Ringbänder, beim Klettern der Route angespielt wird.
Im Sommer 2007 gelang es Graham, die mittlerweile klassische 9a+, Biographie/Realisation-Kletterei im Ceuse zu klettern. 2001 hatte er Chris Sharma während des gesamten Projektier-Prozesses bis hin zur Erstbegehung gesichert. Schließlich konnte er als dritter Wiederholer und nach über Jahre wiederholten Versuchen erfolgreich die 60 Züge der Linie halten.
Unermüdlich putzt Dave Graham seit nunmehr Jahrzehnten Blöcke, entdeckt und erschließt Gebiete, trägt zur Debatte um Ethik und Moral im Umgang mit dem Naturfels bei und ist und bleibt eine Triebkraft der Weiterentwicklung des Boulderns. Schwer vorstellbar, dass er jemals damit aufhören würde.