Caroline Ciavaldini klettert Le Voyage (E10 7a/ 8b+) in Annot
Am 8. November 2023 holte sich die französische Kletterin Caroline Ciavaldini eine Wiederholung von Le Voyage (E10 7a/ 8b+) in Annot, Frankreich.
Damit ist sie die zweite Frau, nach Barbara Zangerl, der eine Begehung von Le Voyage gelungen ist. Mit dem erfolgreichen Durchstieg der Linie, die 2017 von Carolines Ehemann James Pearson erstbegangen wurde, wird sie nun auch zu einer der sehr wenigen Frauen weltweit, die jemals eine Trad-Route in diesem Schwierigkeitsgrad klettern konnten.
Es ist die bisher härteste Kletterei für die 38-Jährige, und sie gelingt ihr gerade mal zwei Jahre nachdem sie zum zweiten Mal Mutter geworden ist.
Es hat 2 Jahre gedauert, bis ich da war, wo ich heute bin. 2 Jahre, um mich von Baby Nummer 2 zu erholen, mit der ständigen Hilfe von Maddie Cope und Lattice. Die Leute sagen, schwanger zu werden, sei keine Verletzung… Ich würde sagen, dass es viel schlimmer für das Klettern ist als jede Ringbandverletzung (ich hatte 2) oder irgendeine andere Kletterverletzung.
Mutter zu sein könne das Leben als Kletterin zwar ganz schön durcheinander wirbeln bemerkt Caroline, als sie von ihrem Durchstieg erzählt, aber ihr Mann und die Kids sind auch ihre größten Fans.
Kurz vor der Crux hörte ich, wie James, der 4-jährige Arthur und der 2-jährige Zozo mich von unten anfeuerten. James und die Kinder hatten sich vorher zurückgezogen, vielleicht weil James hoffte, dass ich mich so besser fokussieren könne… Aber kurz vor der Crux wollte ich sie dabei haben.
Le Voyage ist mit 2 Jahren Dauer Caroline Ciavaldinis bisher längstes Projekt. Als kletterndes Elternteil hat man an einem Klettertag nicht viele Versuche. Manchmal eben auch nur einen einzigen, und zwar wenn das Kind gerade schläft. Man sieht sich nicht mehr nur ständig die Wettervorhersage an, man muss seine persönlichen sportlichen Ziele außerdem mit dem Familienleben in Einklang bringen.
Das hat auch seine Vorteile: Das Familienleben gibt einem mehr Rhythmus, und Rhythmus ist wiederum gut fürs Training.
So spezifisch trainiert habe ich noch nie, aber ich glaube nicht, dass ich obsessiv war. Das kann ich nicht, denn ich bin immer noch eine Mutter. An erster Stelle Mutter? Ich weiß nicht… Aber es hat mich sehr glücklich gemacht, diesen Raum für mein Klettern zu schaffen. Es hat mich wieder zu Caroline gemacht.
Aus ihrer Zeit als Weltcup-Kletterin hatte Caroline bereits Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Mentaltraining gemacht. Nach Monaten des inneren Dialogs und der Schuldgefühle in Sachen Vereinbarkeit von Mutterschaft und Profi-Klettern, beschloss sie, sich einen Mentaltrainer zu suchen.
Als sie „Le Voyage“ vor 5 Jahren zum ersten Mal versuchte, gelangen ihr nicht einmal alle Einzelzüge und abgesehen davon empfand sie den technischen Boulderstil der Route nicht unbedingt als ihre Stärke. Zu dieser Zeit hatte sie noch keine Kinder, James hatte die Route gerade Erstbegangen, und ein Durchstieg schien unerreichbar zu sein. Erst nach der Geburt ihres zweiten Kindes begann sie, überhaupt über einen Versuch nachzudenken. Der Durchstieg – eine Achterbahn der Gefühle:
Le Voyage endet mit einer letzten leichten Passage in ziemlich schlechtem Fels und einem letzten Riss im Schwierigkeitsgrad 7b+, man würde sich selbst hassen wenn man hier stürzen würde… aber es könnte passieren. Ich ruhe mich aus und versuche, meinen inneren Dialog zu kanalisieren. Ich habe das Zeug dazu, aber ich muss gut klettern. Die Emotionen sind immer da… die Angst, zu versagen, die Angst, einen Griff auszubrechen, die Angst, zu fest zu greifen, abzurutschen… Mein Gehirn will nicht aufhören, genau wie bei der Pause vor der Crux. Es ist schon so lange her, dass ich mich das letzte Mal so angestrengt habe, dass ich nicht weiß, wie ich das wohl vor meiner Mutterschaft in den Griff bekommen habe. Hatte ich schon immer all diese inneren Dialoge?
Dann kommt er doch, der Flow, und Caroline kann die letzten Züge ihrer langen Reise hinein in ihre bisherige Bestform, und hinauf zum Umlenker von Le Voyage voll und ganz genießen. Es ist ihr ganz persönlicher Erfolg, aber dennoch einer, den sie dankbar mit einigen Menschen teilt.
Vielen Dank an Maddie und Lattice für das Training, Angus für das mentale Training, Carl für das Sichern und die Freundschaft, James für alles, meinen Kinder für ihre Geduld, Marie für das Babysitten, Emmanuelle für die Physiotherapie und an alle meine Leute, die mich jeden Tag pushen!
Es ist an der Zeit, stolz auf mich zu sein.
Stimmt!