
Alleingang: Soline Kentzel klettert The Nose am El Cap
Erneut ist es eine Frau, die sich in der legendären El Capitan-Linie The Nose im Yosemite Valley einen Namen macht. Die 24-jährige Französin Soline Kentzel kletterte die Route innerhalb von dreieinhalb Tagen als Rope-Solo.
Ich kann nicht glauben, dass ich diese riesige und steile Wand ganz allein erklommen habe!!! Ich bin so glücklich und dankbar, dass ich mich für etwas entschieden habe, das mich wirklich inspiriert hat und sich sooooo sinnvoll anfühlt.
Es ist nicht ihr erster Erfolg am El Cap: Als 21-Jährige hatte Soline bereits zusammen mit ihrem Freund und Mentor Sébastien Berthe Golden Gate (8a) (1000 m) frei begangen. Vor grob einem Jahr holte sie sich zudem eine Begehung des Trad-Testpieces Le Voyage (E10, 7a) in Annot.

In einem Instagram-Post erzählt die 24-Jährige, wie sie ihre 3-tägige Reise durch die prominenteste aller Bigwalls erlebt hat:
Am ersten Tag hatte ich so viel Wind, dass es schwer war, sich auf etwas anderes zu konzentrieren als auf den Lärm des Windes. Ich blieb erstaunlich ruhig, während ich meine beiden Seile, die um mich herumflogen, managte. An eine Pause zum Essen oder Trinken war nicht zu denken. In diesem Moment, am Stoveleg Crack, wurde mir klar, worum es beim Bigwall-Rope-Soloing geht: keine Pause, immer etwas tun und vor allem ein wirklich hohes Maß an ständiger Konzentration.
Das Konzentrieren ist für Soline Kentzel laut eigener Aussage der Lieblingsbestandteil des Kletterns. Ihr Biwak erreichte sie an Tag 1 noch vor Einbruch der Dunkelheit, erschöpft, aber immer noch mit zu aktivem Gehirn, um zu schlafen.
Über meinem Kopf ging der Mond auf und beleuchtete diese riesige Wand, die ich so sehr liebe. Ich war allein, bis eine Gruppe an mir vorbeikam, mitten in der Nacht, schnell kletternd, geräuschlos. Es war wie ein Traum.
Am nächsten Morgen benötigte sie einige Zeit, um wach zu werden, ihren Flow zu finden und wieder effizient zu sein. Eine Seilschaft aus zwei Freundinnen überholte sie und brachte eine wertvolle Menge an Motivation vorbei, als sie die Crux der Nose erreichte: The Great Roof.
Ich war so konzentriert, so glücklich, so froh, hier zu sein. Am Standplatz angekommen, wusste ich, dass ich es bis zum Gipfel schaffen würde. Ich kehrte zum vorherigen Stand zurück, um meinen Rucksack zu reinigen und abzunehmen. Mein Haulbag war so weit weg von mir, dass ich mich plötzlich sehr einsam und klein fühlte. Ich kletterte weiter bis zum Lager 5 und rastete nach einem 15-Stunden-Tag. Ich fühlte mich erfüllt, zuversichtlich und ruhig.
Doch dass eine Tour wie die Nose an den mentalen und körperlichen Ressourcen zehrt, vielleicht noch mehr, wenn man ohne Seilpartner*in unterwegs ist, machte sich an Tag 3 für die junge Französin bemerkbar. Nach einem Erwachen, das sich anfühlte, als habe sie die Nacht in einem Nachtclub verbracht, begann die Kletterei mit dem unangenehmen Gefühl, sich übergeben zu müssen, bis ihr Körper begriff, was sie von ihm erwartete. Das Klettern machte Spaß und war angenehm, aber die Logistik des Bigwallkletterns verlangt eben einiges an harter Arbeit darüber hinaus.
Schließlich kam ich auf dem Gipfel an. Während ich meinen ganzen Aufstieg damit verbracht habe, diesen Moment zu erwarten, habe ich fast nichts gefühlt: Mein Gehirn war zu müde, es gab noch keinen Platz für Emotionen.
Solines vielleicht wesentlichste Erkenntnis aus ihrer Begehung:
Früher hatte ich Probleme damit, meinen Fähigkeiten zu vertrauen, um in jeder Klettersituation sicher zu bleiben. Also habe ich mich immer gefragt: „Was wäre, wenn ich mit einem anderen Ich unterwegs wäre? Was würde ich tun?“
Jetzt kenne ich die Antwort: Ich komme wunderbar alleine klar!