Alex Luger eröffnet Sangre de Toro 8b+/ 7Sl an der Roten Wand im Vorarlberg [News, Video]

Eine  unberührte,  steil  nach  oben  ziehende  300  Meter hohe Felswand. In der Mitte dieser Mauer ein steiler Überhang, einer Riesenwelle ähnelnd, der anstatt die Wand mit wildem Getöse in die Tiefe zu rauschen, einfach an Ort und Stelle verharrt. Rote Streifen ziehen über den verwitterten Kalk. Dohlen schweben spielend in den starken Aufwinden.

IMG_0006Hier ist vom steilsten Wandbereich der „Roten Wand“ die Rede. Und meine Rolle in diesem Stück ist es, eine  Erstbegehung von unten, ohne vorheriges Erkunden und in freier Kletterei zu versuchen.

Die  „Rote  Wand“, früher auch „Madrischa“ genannt, bedeutet für mich Heimat. Nicht nur im geographischen Sinn. Viele Emotionen sind an diesen Ort gebunden. Auch eine Verbundenheit hinsichtlich meiner Haltung zum Klettern. So sind für mich nach wie vor Routen, die ein eigenverantwortliches Absichern erfordern, am wertvollsten. Klettereien in denen Instinkt und Erfahrung mindestens so wichtig  sind  wie  die  körperliche  Leistungsfähigkeit. Sie hinterlassen in meinen Erinnerungen einfach mehr als nur einen schönen „ereignisreichen“ Tag. Es liegt etwas ursprünglich Natürliches in dieser Form des Kletterns. Der Fels mit seinen Rissen, Verschneidungen und Platten, er gibt die Wege vor, nicht umgekehrt.

Die Protagonisten der 80er Jahre kreierten Routen in freier Kletterei mit meist mobiler Absicherung und nur unter spärlicher Verwendung von Normalhaken. Dieser späten Blütezeit verdanken wir heute, dass die Rote Wand vom Eisenzeitalter und der folgenden Sanierungswelle verschont geblieben ist. Nach  wie vor sind die Routen von Brandauer und Co. anspruchsvoll. Dass hier der Schwierigkeitsgrad beherrscht werden muss, sollte sich von selbst verstehen.

Nun stehe ich also acht Jahre nach meiner ersten 5P2C5552-1 Klettertour, die mehr einer Irrfahrt glich, wieder unter der Roten Wand. Acht Jahre später, weiß ich Wieso? und vor allem Wie? ich  eine  Erstbegehung durch diesen Wandteil versuchen möchte. Ich fühle mich stark und bereit. Mein Erstbegehungscredo, wenn möglich mobil Absichern und in freier Kletterei erstbegehen. Letztlich musste ich 6 Tage in die Erstbegehung investieren, obwohl ich wahrscheinlich mit künstlicher Kletterei in 2 Tagen am Ausstieg hätte sein können. Was die Absicherung anbelangt, war ein Mittelweg zu finden. Ich habe keinerlei Interesse „Todes Touren“ zu erschließen. Dennoch kann es während dem Erstbegehen passieren, dass ich in eine Art Wahn verfalle. So klettere ich dann immer weiter, weil ich da oder dort ein Placement IMG_0018-1 vermute, wobei sich dann herausstellt, dass es keine Möglichkeit gibt eine Sicherung zu legen, womit nur die Flucht nach oben bleibt. Erst im Nachhinein wird mir dann so richtig bewusst, welche Folgen ein Sturz hier hätte und solche Stellen werden auch bewusst nachträglich entschärft.

Nachdem ich die Erstbegehung erfolgreich abgeschlossen habe war für mich  klar,  dass die Route machbar ist, da ich alle Kletterpassagen schon während der Erstbegehung frei geklettert bin. Trotzdem dauerte es noch weitere 6 Tage mit vielen luftigen Stürzen und manch haar- sträubender Situation, bis sich mein Traum eine Route durch diesen Teil der Wand zu eröffnen und frei zu durchsteigen, in die Tat umsetzen ließ. Die Route „Sangre de Toro“ ist sieben Seillängen (300 Meter) lang. Die Kletterschwierigkeiten reichen bis 8b+ (UIAA  10+), die Absicherung ist eine Mischung aus mobiler Absicherung und mit Normal-­‐ bzw. Bohrhaken. Ich hoffe, dass die Rote Wand ihren Charakter beibehält. Das bereits bestehende Routen nicht blind nach einem fragwürdigen Sicherheitstrend mit Bohrhaken saniert werden. Und kommende Klettergenerationen noch die Möglichkeit haben, das pure selbstbestimmte Klettern in den Touren an der Roten Wand zu erleben.

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Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=o9xVbs1jlJc

 

    Text: Alex Luger Foto: Beat Kammerlander
  • Beitragsdatum 1. April 2014