Yannick Flohé – Vom Spaß am Wettkampf und der Leidenschaft für den Fels

Yannick Flohè DAV Kader

In letzter Zeit hörte man vermehrt vom Essener Yannick Flohé – vor allem, wenn es um schwere Begehungen am Fels geht. Dabei war seine Erstbegehung von Return of Dreamtime (8C+) im Februar nur der Startschuss der noch so jungen Saison. Abseits vom Fels ist Yannick aber auch in der Worldcup-Szene seit seinem Debüt im Jahr 2014 beim European Youth Cup in Imst ist Yannick eine feste Größe im Wettkampfzirkus. Das Ticket für Tokio verpasste er denkbar knapp, für Paris 2024 soll das definitiv anders laufen und mit der Berufung in den DAV Olympiakader sind die ersten Weichen schon einmal gestellt. Wir trafen uns mit Yannick und sprachen mit ihm über seine Pläne.

Hallo Yannick! Dein Name ist in letzter Zeit ziemlich häufig auf meinem Schreibtisch gelandet. Erst 9a-News aus der Red River Gorge, dann so einige starke Begehungen aus dem Tessin…

Yannick Flohè DAV Kader

Ja, das ist zur Zeit mein Lieblingsgebiet.
Ich war jetzt leider nur zehn Tage da, bin auch schon eine Weile wieder zurück. Draußen ist erstmal durch.

Was treibt dich an zu klettern, abgesehen von möglichen Wettkampferfolgen?

Wettkämpfe machen mir Spaß, und ich verdiene zur Zeit mein Geld damit. Wenn ich es mir aussuchen könnte, wäre ich trotzdem lieber Profi-Felskletterer. Das Bouldern am Fels draußen macht doch nochmal ein bisschen mehr Freude, aber allein vom professionellen Felsklettern kann man glaube ich einfach nicht leben.

Ist ab sofort wieder Trainings- und Wettkampfmodus angesagt?

Wettkämpfe sind erst wieder im April, momentan muss ich für die Uni lernen und schreib einige Klausuren in nächster Zeit.
Vielleicht schaffe ich es ja im April nochmal ins Tessin zu fahren, bevor es mit den Weltcups losgeht.

Es gibt für dich also keinen harten Übergang vom Ende deiner Outdoor-Saison, hinein ins intensive Wettkampftraining?

Es ist nicht so, dass ich den ganzen Tag nur Wettkampfbouldern trainiere. Wir haben gar nicht so viele Möglichkeiten dazu. Wenn ich zwischendurch mal eine Woche ins Tessin fahre beeinflusst das ja nicht meine Wettkampfleistung. Es ist im Grunde eigentlich auch ein ganz gutes Training.

Eventuell beeinflusst es deine Wettkampfleistung sogar positiv.

Voll! Ab und zu fahr ich auch nach Fontainebleau vor den Weltcups. Das ist ein ganz gutes Zwischending in Sachen Drinnen und Draußen. Da gibt’s die Karma Halle der Franzosen, die haben immer richtig gute Wettkampfsimulationen.

Ansonsten trainierst du häufig in Frechen? Ab und an mit einigen starken KollegInnen wie Hanna Meul und Jan Hojer? Oder eher alleine? 

Ich bin oft in Frechen und da sind auch einige, die dort trainieren, aber das hat jetzt nichts von einer Trainingsgruppe oder einem festen Termin oder so. Neben Frechen gibt’s in Köln auch noch ganz gute Trainingsoptionen, Hilden ist noch eine Möglichkeit…
Zum Großteil trainiere ich alleine, an der Definierwand taugt mir das ganz gut, an diesen kleinen Wänden wird es sonst relativ schnell recht voll. 
Ab und zu trainiere ich auch wieder mit Jan (Hojer), der jetzt wieder sein Comeback gestartet hat.

Ihr seid also beide wieder mit Olympiaambitionen am Start?

Ja genau! Mit den Qualifikationen geht’s allerdings erst bei der Weltmeisterschaft im August los. Da können sich erstmal nur drei Athleten qualifizieren. Das wird wahrscheinlich schwer. Danach gibt es noch eine internationale Wettkampfserie, über die man sich qualifizieren kann.

Das klingt alles nicht danach, als würdest du das in irgendeiner Form verbissen angehen sondern eher, als gäbest du dein absolut Bestes und ließest es auf dich zukommen, verstehe ich das richtig? 

Ich schau natürlich schon, dass ich auf die WM trainiere und lasse dann auch den ein oder anderen Weltcup dieses Jahr weg, die Weltmeisterschaft ist also schon mit das Hauptziel. Trotzdem gehe ich das so an wie jedes Jahr, schau, dass ich im April fit bin für den ersten Boulderwettkampf und dann noch ein bisschen Ausdauer trainiere für die Leads danach. 

Wie froh bist du darüber, dass das Speed-Training jetzt wegfällt?

Speed habe ich nie so richtig nicht-gemocht, ich fand es eigentlich immer ganz cool, aber es hat auch alles so ein bisschen durcheinander gewürfelt. 

Es ist jetzt insgesamt ein fairerer Wettkampf, würde ich sagen.
Wenn ein Boulderer nur minimal schneller die Speed-Wand hochkam, lag er sehr schnell relativ weit vorne, ein richtig guter Leadkletterer dem Speed gar nicht taugte, war ziemlich schnell raus… Ich hatte das Gefühl, es war noch kein so richtiges Combined-Format, eher gefühlt drei Einzeldisziplinen.
Das ist mit dem neuen Format besser, da kommt es einfach darauf an, dass man in beiden Disziplinen richtig gut ist. Selbst wenn man im Lead gewinnt und im Boulder einfach wirklich gar nichts kann, dann kann es trotzdem sein, dass man rausfliegt. Das war im bisherigen Format anders.

Auch für die Speedkletterer dürfte es jetzt besser sein. Über das alte Format sind gefühlt eine Handvoll echte Speedkletter-Spezialisten mal bei Olympia gewesen und der Rest ist da mehr oder weniger schnell hochgeklettert. Das war ja auch nicht unbedingt schön, seine Sportart das erste mal bei Olympia so präsentiert zu bekommen.

Glaubst du, es gibt irgendjemanden, der auf die Idee kommen könnte zu versuchen, sich sowohl für Speed, als auch für das neue Combined zu qualifizieren? Wäre vermutlich strategischer Unsinn?

Ich kenne jedenfalls niemanden, der kein Speedkletterer ist und nach Olympia nochmal die Speedwand angefasst hat. Wenn ich mich richtig erinnere, war der schnellste Nicht-Speedprofi der Tomoa aus Japan, und auch er hat mit Speed aufgehört. 

Das Niveau im Speed ist auch nochmal so viel besser geworden, dass man da gar keine Chance mehr hat, wenn man sich nicht voll darauf konzentriert. Man müsste schon mindestens dreimal die Woche gezielt Speed trainieren, damit das was bringt und dann bleibt einfach zu wenig Zeit für die anderen Disziplinen. 

Du wirst als Favorit für Olympia gehandelt. Macht dir das irgendwie Druck oder bist du da ganz entspannt?
(Yannick klingt das gesamte Interview kein einziges Mal, als könne ihn irgendetwas stressen

Die Olympiateilnahme ist einfach erstmal das vorrangige Ziel, dann kann man ja immer noch schauen, dass man sich da gut platziert.
Wenn ich mir das selbst ausrechne, dann weiß ich, dass ich gute Chancen habe, ich bin im Combined-Ranking ziemlich gut dabei.

Es war gut, dass ich in Japan letztes Jahr beim Combined-Wettkampf nochmal teilgenommen habe. Zu der Zeit war ich ziemlich raus aus dem Training, viel in Magic Wood und eigentlich gar nicht in der Halle.

In Japan hab ich festgestellt, dass mir das neue Format was Lead angeht nochmal mehr taugt, weil die Lead-Routen jetzt viel schwerer geschraubt werden.

Es gibt jetzt ab dem Top rückwärts gezählt nur für 30 Züge Punkte. Das heißt, es wird vermutlich keine 60-Zug Ausdauertouren mehr geben, weil sonst die ersten 30 Züge null Punkte bringen würden. 

Im Bouldern hat man da viel mehr Selektion. Zwischen null Tops und allen Tops ist alles mit dabei. Das ist im Lead schwer hinzubekommen. Die Wertung wird nicht so richtig eindeutig, wenn alle bis zur Ausstiegsplatte klettern und es dann da gefühlt zwei Griffe gibt, an denen sich die ersten acht Plätze entscheiden. 

Ich erinnere mich an Bilder von Olympia aus der sogenannten „Kiss and Cry – Area“ einem Sofa mit drei Plätzen, auf dem die Top-Platzierten hätten sitzen sollen. Da schien das völlige Chaos zu herrschen, man saß sich praktisch gegenseitig auf dem Schoß, weil mangels Platzierungs-Eindeutigkeit niemand so genau zu wissen schien, wo er oder sie eigentlich nun hingehörte.

Das ist jetzt besser. Es gibt wahrscheinlich kein System, das perfekt wäre, aber wenigstens ist es nicht mehr so, dass einer der ein paar Griffe weiter klettert als jemand anderes die komplette Wertung auf den Kopf stellen kann. Jetzt werden die Punkte addiert, was viel übersichtlicher ist als das vorherige Multiplikations-System. Es ist viel konstanter. 

Was mir nicht ganz so sinnvoll vorkommt ist, dass es jetzt zweimal einen Bonus pro Boulder gibt. Man hätte vielleicht für jeden Griff einen Punkt geben können oder Ähnliches, anstatt sich steigernde Punktmengen für 1. Zone, 2. Zone und Top. Wahrscheinlich werden weiterhin Ein-Zug-Koordinations-Sprünge geschraubt werden und da wird’s halt dann schwer zwei Zonen sinnvoll unterzubringen. Da muss dann im Grunde vorne oder hinten was mehr oder weniger künstlich angestückelt werden an den „eigentlichen“ Boulder, um das Format zu erfüllen. 

Das Zwei-Zonen-Format scheint ja auch noch nicht gerade ausgiebig erprobt zu sein und so enorm viele Gelegenheiten, bevor es an die Olympia-Quali und Olympia selbst geht, gibt es doch eigentlich auch nicht mehr dafür, um dieses neue Prinzip im Routenbau zu etablieren, oder?

In München war letzten August die erste große Gelegenheit. Danach wurde für den Worldcup in Japan die Lead-Wertung noch etwas angepasst, weil es dafür zu viele Punkte gab um gut selektieren zu können. Ansonsten gibt es jetzt kein Event mehr vor der WM-Qualifikation, wo man das Format nochmal sieht. 

Yannick Flohè- IFSC World Cup in Brixen (ITA).

Das olympische Kletterformat scheint auch das einzige Sport-Format zu sein, in dem Menschen (Routenbauer) sich für Athleten ein Rätsel ausdenken, das die dann lösen müssen. 

So gesehen ist der komplette Sport ein bisschen absurd. Es gibt ein paar Leute, die einen Haufen neue Griffe von einer Griffmarke zugeschickt bekommen, daraus etwas erschaffen, auf das keiner gezielt hin trainiert hat und das jedes mal anders ist. Das ist vielleicht noch am ehesten mit sowas wie Downhill zu vergleichen, wo jedes mal andere Rampen, Wälle und Trails gebaut werden. 

Unsere Sportart ist glaube ich auch die einzige, bei der die Routenbauer theoretisch bewusst über den Ausgang mitentscheiden könnten, indem sie irgendjemandes Spezialität gezielt schrauben. 

Ich gehe aber nicht davon aus, dass das jemand tun würde. Es ist vielmehr so, dass man sich daran anpassen muss, welche die Moves der Routenbauer sind, die sie in der jeweiligen Saison am liebsten schrauben.

Schraubt ihr zu Trainingszwecken eigentlich auch manchmal selbst Routen?

Ich glaube es bringt viel, wenn man selber noch ein wenig nebenbei schraubt und ein Gefühl dafür bekommt, was sich die Routenbauer denken. Trainings-Camps und Wettkampf-Simulationen sind da auch sehr nützlich, da schrauben dann oft die Routenbauer, die auch im Weltcup schrauben. Die Routenbauer selber nutzen diese Lehrgänge dann wiederum, um neue Moves zu testen. Wenn die in der Simulation dann häufiger vorkommen, kann es schon mal nicht schaden damit zu rechnen, dass diese Art von Zug auch in Wettkämpfen abgefragt werden.

Interessanterweise ist es ja auch immer ein Bisschen eine Art Teamwork zwischen Athleten und Routenbauern, obwohl es sich um einen Wettkampf handelt. Keine Partei hat am Ende was davon, wenn das Publikum sich langweilt. Im Grunde ist es ja auch eine Show, die irgendwie unterhalten soll und das idealerweise nicht, indem überhaupt kein Boulder oder alle Boulder getoppt werden, und auch nicht, indem sich beispielsweise am Ende alle Athleten bei einem koordinativen Dyno in einem Mono das Ringband reißen.

Voll, das sieht man ja auch an den Wettkämpfen. In der ersten Runde der Quali sind in der Regel keine Zuschauer da, da haben die Routenbauer wenig Zeit und da werden relativ straight up Boulder reingeschraubt. Die sind dann oft auch viel physischer als im Finale. 

Dort geht es dann auch um Optik, es wird gerne das Beste und Aktuellste an verfügbaren Griffen an die Wand gebracht, häufig riesige duotexture Schüsseln, und man springt viel, weil es fürs Publikum spektakulärer aussieht.

Als Zuschauerin erinnere ich mich an Wettkämpfe Anfang der 2000er, da war das ganze Szenario noch sehr überschaubar und wenig dynamisch, um nicht zu sagen gar nicht. Dafür gab es wie beim Boxen – so eine Art von den AthletInnen selbst gewählte Einmarsch-Hymne. Was hältst du davon, das wieder einzuführen?

Daran erinnere ich mich tatsächlich auch noch. Ich fänd’s ziemlich cool!

Ich bin sehr gespannt, wann wieder eine Notiz bei mir einflattert, wann ich wieder eine Begehung von dir vermelden darf.

Hoffentlich bald!

Vielen Dank dir Yannick für deine Zeit!

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Video-Link: https://youtu.be/RSbuqb-oF3I