Vom Klettergarten zu den großen Alpinen Wände [Alpines Basiswissen III ]

So beeindruckend wie respekteinflößend ragen schier endlose Felswände in den Himmel. Sie zu durchsteigen erfordert Entschlossenheit, Mut, Selbstvertrauen, physische Stärke, aber vor allem Wissen.

Alpinklettern ist die Königsdisziplin des Klettersports. Steht beim Sportklettern die klettertechnische Schwierigkeit im Vordergrund, so wird in großen Wänden das Spielfeld erweitert: Konditionsfordernde Zustiege, Orientierungssinn, Routenfindung, teils anspruchsvolle Sicherungstechniken sowie physische und mentale Fertigkeiten stellen den Alpinkletterer vor neue Herausforderungen und setzen fundierte Kenntnisse voraus.

Im ersten Kapitel lernst du die alpinen Basics kennen: Dabei betrachten wir die subjektiven und objektiven alpinen Gefahren, zu denen auch das Wetter mit seinen Risiken gehört. In der Felskunde lernen wir unterschiedliche Gesteinsarten kennen, von denen jede eine andere Form der Kletterei und Absicherung fordert. Welches Material eine Seilschaft braucht, schauen wir uns im letzten Teil dieses Kapitels genauer an.

Das Rohmaterial der Kletterer

In den Alpen gibt es eine große Anzahl von Gesteinsarten. Einige, wie Kalkstein oder Urgestein in Form von Gneis oder Granit, spielen besonders für Kletterer eine zentrale Rolle. Dieses Gestein ist ausschlaggebend für die Gestalt des Berges, für die Griffigkeit, die Absicherung sowie die Festigkeit und das Bruchverhalten. Und damit bestimmend für die Art der Kletterei.

Gesteinsarten in den Alpen

Kalk, Schiefer, Granit und Gneis sind die für Kletterer relevanten Gesteinsarten in den Alpen. Die alpinen Klettergesteine unterscheiden sich in ihrer Qualität, ihrem Verwitterungs- und Bruchverhalten sowie in ihrer Ausformung. So ist das Gestein für jeden Kletterer elementar und gleichzeitig sicherheitsrelevant.

Steil und Fingerlastig: Der Kalkastein

Das in den Ostalpen weit verbreitete Gestein ist durch Ablagerung und Verfestigung von Tier- und Pflanzenresten sowie Muscheln auf dem Meeresgrund entstanden. Anders als Granit und Gneis wurden Kalk und Dolomit an der Erdoberfläche gebildet. Wegen der Vielzahl an Meereslandschaften und Lebewesen gibt es in den Alpen unterschiedlichen Kalkstein.

Während wir in den nördlichen Kalkalpen oft schräg gestellten, verfalteten oder zerbrochenen Kalk (z.B. Wetterstein) finden, dominiert weiter südlich in den Dolomiten eine horizontale Lagerung, die durch klotzige Formationen mit begehbaren Bändern charakterisiert ist. Auf der Westseite der Alpen befindet sich die helvetische Zone mit intensiv verfalteten Kalksteinschichten.

Kletterei: Kleine Strukturen, Risse, Überhänge, Platten, eingefressene Rinnen, Löcher, Leisten, Sintersäulen, kantige Griffe oder raue Tritte

Bruchverhalten: Kalkstein ist von zahlreichen kleinen Rissen durchzogen und kann dort brechen. Charakteristisch sind feine Schutthalden unterhalb der Wände.

Absicherung: Im Kalk lassen sich zum Absichern häufiger natürliche Sicherungspunkte wie Sanduhren und Köpfel finden. Auch Klemmkeile können im Kalk meist gut platziert werden.

Von Piazschuppen bis zu Reibungskletterei: Der Granit

Granit ist ein Tiefengestein, welches durch das Erhärten von Magma entstand und durch die Erosion freigelegt wurde. Da Granitmagmen äußerst zähflüssig sind und meist in der Erdkruste stecken bleiben, können sie ein unheimliches Volumen bzw. massive Formen mit extremer Tiefe bilden, wie das Mont Blanc Massiv. In den Alpen bestehen viele Gebirgsgruppen aus Granit: von der Dauphiné über den Mont-Blanc bis zum Großvenediger in den Ostalpen. In den Zentralalpen sind zerklüfte und horizontale Bänder sowie vertikal und horizontal verlaufende Risse charakteristisch.

Kletterei: Gute Reibungseigenschaften, minimale Finger – Fußtritte, Piazschuppen, Risse, Kanten und Verschneidungen, horizontale Absätze und Bänder

Bruchverhalten: Im Granit treten horizontale sowie hangparallele Entlastungsklüfte auf, die bei Instabilität (bpsw. infolge des Auftauens des Permafrostes) zu riesigen Granitausbrüchen führen können.

Absicherung: Im Urgestein wie Granit oder Gneis sind parallele Risse charakteristisch. Neben Keilen kommen zur Absicherung vorwiegend Klemmgeräte (Camalots) zum Einsatz, die sich perfekt in den Riss platzieren lassen.

Aus der Vielfalt geboren: Gneis

Gneis ist metamorphes Gestein, das unter hohen Temperatur- und Druckverhältnissen aus anderen Gesteinen hervorgegangen ist. Damit beinhaltet Gneis eine riesige Vielfalt verschiedener, metamorpher Gesteinsarten, die teilweise noch erkennbar sind. Charakteristisch für Gneis sind „Schieferungsflächen“ – eine Art geschichtete Struktur. Ein Großteil der Gneise in den Alpen sind ehemalige Granite, die bei der Alpenbildung verformt und umkristallisiert wurden. Deswegen ist die Kletterei oft eine ähnliche wie am Granit.

Kletterei: Risse, Verschneidungen, kleine Leisten, Platten, vertikale Grataufschwünge.

Bruchverhalten: Aufgrund der verschiedenen Zusammensetzung von Gneis reicht die Festigkeit von sehr gut bis äußerst brüchig.

Absicherung: Im Urgestein wie Granit oder Gneis sind parallele Risse charakteristisch. Neben Keilen kommen zur Absicherung vorwiegend Klemmgeräte (Camalots) zum Einsatz, die sich perfekt in den Riss platzieren lassen.

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Video-Link: https://youtu.be/mv8A7JS8Xrk