…ohne Auto, ohne Spanisch, der harte Kern bleibt [BW-Felskader in Peru Teil 2]
Während Jonas, Vera und Frieder heim mussten um dort fleißig Prüfungen zu schreiben, standen Alex, Milena und mir noch 2 Wochen bevor. Leider war mit Jonas auch unser professioneller Dolmetscher abgereist und den Mietwagen gab es leider auch nicht mehr. Also war nun noch mehr Abenteuer garantiert.
Doch auch bouldertechnisch war Action angesagt, da wir kurz vor Abreise der anderen noch ein neues (tolleres, größeres und besseres) Blockfeld gefunden hatten.Also standen wir schon am nächsten Tag an der Straße und hielten brav unsere Daumen raus.·Dies funktionierte auch prima und wir wurden meist recht schnell von irgendwelchen Gefährten mitgenommen. Mal pressten wir uns zu 3. in die Fahrerkabine eines LKWs, mal fuhren wir im Kofferraum eines Kombis, mal auf der Ladefläche eines Pick-ups und manchmal sogar ganz normal auf der Rückbank eines Taxis.Unser neues Gebiet war der Hammer, unter einer riesigen Felswand (wahrscheinlich auch sehr viel Potential zum Tradklettern für den der’s mag) erstreckte sich ein Blockfeld, das quasi bis in den Ort Huayllay hinauslief. Neben der schieren Größe war auch die Felsbeschaffenheit sehr fürs Klettern ausgelegt. Schnell tauften wir das Gebiet „45° area“, denn der Durchschnittsblock war 5m hoch, 45 Grad überhängend und hatte wenig Griffe, was soviel heißt wie: es könnte schwer werden. Das gefällt dem zerstörungsfreudigen Boulderer natürlich.
Nach ausgiebigem gestört rumrennen und schauen, wo es wohl die besten Linien gibt, beschlossen wir dann irgendwo anzufangen und suchten uns ein schönes Aufwärmwändchen. Leider waren die auf so 6c geschätzten Boulder dann doch alle 7b aufwärts, macht aber nix, das können wir ja auch. Spätesten jetzt war uns vollends klar, dass unser erster Eindruck richtig war: hier gibt es richtig schwere Boulder. Nach weiterem Putzen und Versuchen ging es an diesem Abend dann völlig platt und zufrieden nach Hause. Da wir unsere Pads im Gebiet ·versteckten, konnten wir abends auch immer ein Mototaxi als Transportmittel wählen. Hierbei handelt es sich um ein Mofa auf 3 Rädern, welches mit Planen und ähnlichem in eine Art motorisierte Rikscha umgebaut ist. Gefahren werden diese Mototaxis meist von (sehr coolen) Jugendlichen, die vom Typ her etwa deutschen Autotunern entsprechen. Dies führt natürlich auch dazu, dass diese Taxis sehr geschmackvoll mit Stickern und Blinklichtern verziert sind. Gekrönt wird eine Fahrt im Rikschataxi dann nur noch durch die laut aufgedrehte Musik von Sonja Moralles.·
Kulinarisch wurde von nun an sowohl abends als auch morgens immer schön aufgekocht, da wir beschlossen hatten es uns die restliche Zeit richtig gut gehen zu lassen. Zu dritt hatten wir die idealen Voraussetzungen zum Skat spielen und so konnte auch Milena sich nicht wehren dieses tolle Spiel zu lernen und die klassische Abendbeschäftigung war somit klar. Wieder Erwartend fehlte uns das Auto relativ wenig und wir entdeckten ganz neue Seiten von Huayllay, so war uns vorher zum Beispiel nie der Marktplatz aufgefallen, auf dem man Hamburger, Fettpfannkuchen oder ähnliches kaufen konnte. Vor allem abends war das Haupthighlight jedoch der stark umworbene Lokalwahlkampf. Die Plakate an jeder Ecke waren ja schon der Wahnsinn, denn in Peru wird Seriosität eines Politikers eben anders ausgedrückt: Jogginganzug Sonnenbrille und Schnauzer stehen hier hoch im Kurs. Außerdem gab es überall Wahlbüros, bei denen man sich informieren konnte. Natürlich haben auch wir ein solches besucht und neben toller Info auf Spanisch auch grandiose Poster unserer Lieblingskandidaten abgestaubt. Desweiteren war oftmals eine Bühne aufgebaut, auf der die jeweiligen Parteien ihre Wahl Slogans (meist abgeänderte Popsongs) der Menge preisgaben. Den in Parteifarben gekleideten Anhängern gefiel‘s.
Da wir immer noch umsonst in einem Bungalow wohnten, hatten wir auch die Pflicht den Tourismus gebührend zu repräsentieren. Nach der Rural Tour gab es noch ein großes Sportfestival für Schüler, bei dem wir einen Kletterfelsen betreuen sollten. Die Tour war vom Bürgermeister ausgesucht und führte durch feinstes scharfes und bröseliges Vulkangestein. Leider war die Route ein wenig hart, doch kämpften die peruanischen Kids trotzdem super. Obligatorisch war hier natürlich auch ein Erinnerungsfoto mit uns zu machen und so mussten wir mal wieder als Fotomodel herhalten. Immerhin trafen wir hier die einzige Person in Peru die ein paar Brocken Englisch sprechen konnte, den örtliche Englischlehrer. Naja das meiste hat man sogar verstanden. Zufällig trafen wir bei diesem Event auch die beiden einzigen Kletterer der Reise der Spanier Samuel und seine chilenische Freundin Valeria waren auf einem Südamerika Rundtrip und machten auch einen Stop in Huayllay.Es war super cool mal wieder Gleichgesinnte zu treffen, gemeinsam zu kochen und ein wenig zu feiern. Die beiden waren zwar eher zum Sport- und Tradklettern angereist, doch konnten wir sie auch einmal zum Bouldern überreden und ihnen unser Gebiet zeigen.·
Zurück in der „45°area“ war langsam richtig Action angesagt. Die auf 7a geschätzten Boulder „Bähm Oider“ und „Tech or Tension“ wurden befreit und checkten beide so bei 7c+ ein. Der von mir eher grobmotorisch erstbegangene „Tech or Tension“ bekam auch bald eine Wiederholung von Milena, die sich technisch etwas versierter anstellte (wer jetzt aber glaubt typisch Frau, immer nur Technik, sollte Milena mal beim Blocken zuschauen, da bekomm ich Angst). Ein paar Tage später waren wir endlich an dem Lochschild zu dem ich jeden Tag hinwollte, aber immer etwas dazwischen kam. Kurz putzen und los ging’s. Es kletterte sich fast noch besser als es aussah. Ich war so syked, dass ich im 60 Sekunden Takt Goes setzte. Unser Sportler Alex machte es taktisch natürlich sinnvoller (also mit Pause) und konnte sich so die Erstbegehung von Viva el Mono (7c) holen. Nachdem ich auf die Idee kam das Zwischengriffeinfingerloch einfach festzuhalten folgte jedoch auch meine Begehung (Scheiß auf Pause). Alex hängte noch eine Verlängerung dran, welche so bei 8a eincheckt, während ich mich der Linie links davon widmete: Schulterzweifingerloch knüppeln und in Mono ziehen. Geil! Voll mein Ding. Bessere Boulder gibt’s in Franken auch nicht. Ich war so übermotiviert, dass ich kaum mehr sitzen konnte ohne zu zittern. Knapp eine Stunde nach Sonnenuntergang mantelte ich dann mit Stirnlampe über die Kante, wo ich vor Erschöpfung und Freude kaum mehr stehen konnte. Perfect day!·
Nicht ganz so perfekt war, dass uns irgendjemand ein, im Klettergebiet (gut) verstecktes, Crashpad klauen musste. Anscheinend waren an unserem Ruhetag wirklich irgendwelche Leute gekommen und haben in der Nähe unserer Chalkspuren genauer gesucht.Eigentlich fand ich die Peruaner ja echt nett, aber auch hier gibt es anscheinend Penner und seit dem eben auch einen mit einer gelben Couch von DMM. Zum Glück hatten wir noch 2 Pads sonst wäre hier im Blockfeld kein Bouldern mehr möglich gewesen, denn Kletterläden gab es weit und breit keine. Die meisten Boulder gingen jedoch auch mit 2 Pads und so wurde weiter gerockt. Mein Hauptprojekt war ein Sprung in ein 3 Fingerloch, welchen ich 3 Tage versuchte, obwohl er mir eigentlich perfekt taugte. Der Ausstieg war dann „nur“ noch ca. 7c und ein sau schwerer Sitzstart möglich. Das erste Mal als ich jedoch richtig Duck auf dem Loch hatte riss ich mir einen so großen Flapper, dass ich eher ans Verbluten dachte wie daran, in den nächsten Tagen nochmal zu versuchen. Erstes Projekt war also tot und unser Trip schon nahe dem Ende.Da wir vom Bürgermeister Huayllays so nett aufgenommen worden waren, beschlossen wir ihn am letzten Tag nochmal zu besuchen und ihn auf ein Bier einzuladen. So marschierten wir um 10 Uhr morgens ins Rathaus um mit ihm einen kleinen Frühshoppen abzuhalten. Er war total begeistert und wie erwartet delegierte er erstmal seine Fotografen zu sich, um mit uns für ein paar Fotos zu posieren. Als unser Bier leer war zog er -auch nicht ganz unerwartet- eine Flasche Schnaps aus seinem Schreibtisch um nochmal mit uns anzustoßen. Good morning.
Gut gelaunt ging es anschließend ins Gebiet, wo wir noch unendlich viele Projekte hatten, aber nur einen Tag. Schon vor geraumer Zeit hatten wir beschlossen uns nichts Neues mehr anzuschauen, da wir schon weitaus mehr Projekte hatten als wir klettern konnten. So versuchte ich mich noch an ca. 3 Projekten, konnte jedoch keines besiegen. Nach 11 Löchern in diversen Fingern musste ich mich leider geschlagen geben. Zum Glück hatten wir aber noch Alex „the machine“ Förschler, denn der drehte nochmal auf und konnte mein Schmerztestpiece „mach kaputt, was euch kaputt macht“ 8a und „Bernd das Brot“ (7c+) erstbegehen. Doch auch er musste sich noch einer weitern Überlinie geschlagen geben. Alles in allem waren wir sehr zufrieden mit unserer Leistung in der 45°area und denken mit der Erschließung eines wirklich feinen Klettergebiets begonnen zu haben, welches durchaus das Potential hat in Zukunft noch deutlich bekannter zu werden.
Nach 6 Wochen war nun leider Heimreise angesagt und zwar keine kurze. Nachdem wir unser Zeug gepackt hatten, half uns Maruja (die Bürgermeisterin von Canchacucho) noch dabei ein Taxi nach Pasco zu unserem Bus zu finden. Trotz ihrer Versicherung, dass es kein Problem ist eines zu finden, wollte irgendwie niemand anhalten und unsere Berge Gepäck mitnehmen.Langsam war es zeitlich richtig knapp, doch Maruja organisierte, dass ein volles entgegenkommendes Taxi, nachdem es wieder leer war, zu uns zurück kehren sollte und uns pünktlich nach Pasco bringen könnte. Nach grausigem Warten kam das Taxi dann tatsächlich zurück und der Fahrer bemühte sich im typisch peruanischen Fahrstil um unsere Pünktlichkeit. So gelang es uns dann noch knapp in den Bus hineinzukommen der wider Erwarten recht pünktlich losfuhr. Nun rollte er aber noch 10 Minuten mit offenen Türen zum Tor des Busbahnhofes und so konnten auch die letzten Peruaner noch auf den schon fahrenden Bus aufspringen. Nach einer langen Fahrt, begleitet von der mittlerweile ach so geliebten Duddelmusik, waren wir wieder in Lima und konnten noch einmal den hiesigen Verkehrswahnsinn genießen. Nun nur noch in den Flieger rein und heim. Leider hatte unsere Maschine von Iberia nicht einmal seperate Fernseher und so hieß es Schnulzen schauen oder eben schlafen. Als die Stewardess dann auch noch meinte, wir bekommen jetzt kein Bier mehr, war die Laune natürlich nicht besser. Egal der Trip war der Hammer. Nur leider viel zu kurz, doch dass kann ich eigentlich von jedem meiner Reisen behaupten.Ich denke, dass wir in Peru ein ganz nettes Gebiet erschlossen haben und hoffe, dass vielleicht sogar mal jemand Lust bekommt selber hinzufahren. Es gibt auf jeden Fall noch massig Potential.Irgendwann wird es auch noch ein kleines Topo von unserem Gebiet geben. Keine Angst, kommt noch. Falls irgendjemand weitere Informationen haben will, einfach uns kontaktieren.
Enjoy the video!!!!!
Video-Link: http://vimeo.com/19595121
Text: Tom Thudium, kletterszene.com Video: Frieder Warth Foto: Felskader BW