Kletterausrüstung richtig pflegen

Sicherheit beim Klettern hängt maßgeblich von der Qualität und dem Zustand Ihrer Ausrüstung ab. Folgender Artikel gibt wertvolle Empfehlungen zur Pflege und Lagerung von Gurten, Expressschlingen, Seilen und Metallprodukten wie Karabinern, um die Lebensdauer der Ausrüstung optimal zu verlängern

„Geht scho‘ no“ – Geht eben nicht

Eine aufgescheuerte Einbindeschlaufe, eine pelzige Expressschlinge, eine Delle im Seil: „Geht schon noch“ sagt sich da mancher Bergsteiger und Kletterer. Während diese Haltung beim Rucksack und der Lieblingsjacke durchaus in Ordnung und sogar nachhaltig sein kann, hat diese Philosophie bei persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA), an der das eigene und das Leben der Partner hängt, nichts zu suchen.
Sicherheit beim Klettern beginnt mit der richtigen Pflege und dem verantwortungsvollen Umgang mit der Ausrüstung und dem Wissen, wann sie ersetzt werden muss.

Grundsätzliches zur Haltbarkeit von textilen Produkten

Textile Kletterausrüstung wie Gurte, Seile, Bandschlingen und Klettersteigsets bestehen meist aus Polyamid oder anderen synthetischen Fasern, die auch bei Nichtgebrauch altern.

Grundsätzlich empfehlen alle Hersteller diese Ausrüstungsbestandteile nach 10 Jahren ab Herstellungsdatum zu ersetzen – unabhängig davon, ob die Ausrüstung häufig oder selten genutzt wurde, sie unter optimalen Bedingungen gelagert wurde und keine sichtbaren Schäden sichtbar sind.

Das erscheint bisweilen unsinnig, denn die Ausrüstung ist „augenscheinlich“ völlig unversehrt. Allerdings werden beispielsweise synthetische Fasern spröde und verlieren ihre Belastbarkeit, was im Extremfall die Sicherheit erheblich beeinträchtigen kann.
Bei intensiver Nutzung oder sichtbaren Schäden wie Aufpelzung, Abrieb, Verfärbungen oder beschädigten Nähten ist ein früherer Austausch notwendig.

Das Herstellungsjahr lässt sich an der individuellen Nummer ablesen, die auf dem Produkt vermerkt ist.

Bei der Codierung wird der Herstellungsmonat mit einem Buchstaben angegeben: A = Januar, B = Februar usw.

Entscheidend ist auch die Lagerung. Ausrüstung, die unsachgemäß gelagert wurde – also Hitze, UV-Strahlung, Feuchtigkeit und Chemikalien ausgesetzt wurde – kann in ihrer Funktion und Belastbarkeit eingeschränkt sein und muss besonders kritisch geprüft und gegebenenfalls ausgesondert werden.
Ein weiterer Faktor bei der Kletterausrüstung ist das persönliche Gefühl: Wenn die Ausrüstung schon etwas älter ist, noch einsatzfähig ist oder scheint, man sich jedoch nicht wohl damit fühlt, dann sollte man das entsprechende Teil ersetzen.

Typische Verschleißerscheinungen der Kletterausrüstung und entsprechende Kontroll- und Pflegemaßnahmen.

1. Klettergurte

Verschleißerscheinung:

  • Abrieb, Schnitte und Einkerbungen an den Anseilpunkten, Materialschlaufen, Gurtbändern und Beinschlaufen.
  • Verdünnungen im Material, oft sichtbar durch spezielle Sicherheitsfasern oder Markierungen.
  • Beschädigte Schnallen.

Kontrolle und Pflege:

  • Trocken und dunkel lagern
  • Gurte sollten ohne Expressets so gelagert werden, dass Knicke vermieden werden.
  • Bei Materialausdünnung Gurt ersetzen.
  • Ein verschmutzter Gurt kann bei 30 Grad schonend und ohne Schleudern gewaschen werden.

2. Express-Sets und Bandschlingen

Verschleißerscheinung:

  • Bandmaterial der Expressschlingen mit Rissen, Abrieb oder Aufpelzungen
  • Farbveränderungen oder Verfärbungen als Zeichen von Materialalterung oder UV-Schäden.
  • Beschädigte tragende Nähte, die meist in Kontrastfarbe ausgeführt sind.
  • Bandkantenverletzungen, die die Festigkeit drastisch reduzieren.

Kontrolle und Pflege:

  • Trocken und dunkel lagern
  • Dünne Dyneema-Schlingen sind aufgrund ihrer Materialeigenschaften oft schon nach 3 bis 5 Jahren in der Belastbarkeit eingeschränkt und sollten dann aussortiert werden.

3. Karabiner und Metallprodukte

Die Lebensdauer von Produkten aus Metall ist theoretisch unbegrenzt. Allerdings nur so lange, wie Abnutzung oder Beschädigungen kein Aussondern der Ausrüstung erfordern. Deswegen empfehlen Hersteller wie zum Beispiel empfiehlt Petzl, Metallprodukte regelmäßig auf Funktion zu überprüfen und bei Beschädigungen wie Verschleiß, Korrosion oder Verformungen auszusondern

Verschleißerscheinung:

  • Karabiner können durch Abrieb scharfe Grate bekommen.
  • Schnapper wird schwergängig und schließt möglicherweise nach dem Clippen nicht mehr vollständig, so dass das Seil beim Sturz herausspringen könnte.
  • Bei häufigem Gebrauch kann der Verschlußmechanismus schadhaft werden.

Kontrolle und Pflege:

  • Karabiner bei einem Abschliff von 1 mm oder mit scharfem Grat austauschen.
  • Das Gelenk des Schnappers vorsichtig mit entsprechenden Schmiermitteln wieder gängig machen. Wichtig: Schmiermittelreste sofort abwischen, um den Kontakt mit der Schlinge zu verhindern.
  • Verschluss gängig machen oder Karabiner entsorgen.
  • Karabiner, die zwischenzeitlich für andere Zwecke (bsp. für eine Slackline ect.) verwendet wurden, gehören nicht in die Kletterroute.

4. Klettersteigsets

Verschleißerscheinung:

  • Aufpelzungen und starke Abnutzung der Lastarme durch Reibung am Fels.
  • Verschlissene oder nicht mehr schließende Karabiner.
  • Überschreiten der vom Hersteller angegebenen maximalen Lebensdauer (meist 3 bis 10 Jahre, je nach Nutzung).
  • Mechanische Alterung durch häufigen Gebrauch und bsp. Kontakt mit Fels.

Kontrolle und Pflege:

  • Trocken und dunkel lagern.
  • Aufgerissene Bandfalldämpfer, die das Auslöseverhalten beeinträchtigen – sofort aussortieren.
  • Bei sichtbaren Schäden oder nach einem Sturz muss das Set ausgetauscht werden.

5. Kletterseile

Verschleißerscheinung:

  • Mantelbeschädigungen: Schnitte, Quetschungen, aufgepelzter oder verschobener Mantel.
  • Sichtbarer Kern, z.B. nach Steinschlag oder starker Belastung.
  • Weiche Stellen im Seil, die sich beim „Knicktest“ leicht zusammendrücken lassen (Mantelschutz verloren).
  • Schmelzen durch Reibungshitze.
  • Kontakt mit Chemikalien (insbesondere Säuren) oder starke Verschmutzungen (Teer, Öl, Fett).
  • Extreme Belastungen wie Sturzfaktor 1, Sturz über Kante oder Schlag/Stich mit Pickel oder Eisgerät.
  • Abgenutzte Seilenden, die bei Bedarf gekürzt werden können.
  • Staub und Sand im Mantel verursachen Abrieb, der Mantelhaltbarkeit reduziert und auch den Kern schädigen kann.

Kontrolle und Pflege:

  • Überprüfen, ob CE-Kennzeichnung und Seriennummer noch lesbar sind und ob die max. Lebensdauer nicht überschritten ist.
  • Regelmäßige Kontrolle per Augenschein und mit den Händen auf steife oder weiche Stellen, Dellen oder ungewöhnliche Verdickungen. In einem solchen Fall muss das Produkt zwingend ausgesondert werden.
  • Ab und zu mit lauwarmem Wasser und neutraler Seife waschen oder mit spezieller Bürste abbürsten, um Schmutz, Sand und Chalk zu entfernen. 
  • An der Luft bei Raumtemperatur trocknen lassen, nicht im Wäschetrockner oder auf Heizkörpern. 
  • Dunkel, kühl und trocken lagern, ohne Kontakt zu Chemikalien.
  • Beim Sportklettern immer einen Seilsack gegen Steinchen und Schmutz unterlegen.
  • Nach einem Sturz mit hohem Faktor (z.B. Faktor 2: Ein Sturz mit Faktor 2 ist der maximal mögliche Sturzfaktor beim Seilklettern, er wird erreicht, wenn man beispielsweise 4 Meter fällt und nur 2 Meter Seil ausgegeben sind, z.b. bei Sturz in den Standplatz) sollte das Seil ausgetauscht werden.
  • Nicht auf das Seil treten (Sand, Staub und kleine Steinchen) in den Seilmantel eindringen können. Diese Partikel wirken wie Schleifmittel und führen zu verstärktem Abrieb und vorzeitigem Verschleiß des Mantels. 
  • Nasses Seil nach Gebrauch gut trocknen zu lassen.
  • Beim Klettern Seilverlauf so regeln, dass möglichst wenig Reibung entsteht (z.b. Expressen verlängern).
  • Mantelverschiebung sollte 20 mm nicht überschreiten. Bei größerer Verschiebung sollte das Seil ersetzen werden.

Moderne Ausrüstung ist dank neuer Materialien sehr strapazierfähig. Trotzdem sollte man sie im Zweifelsfall lieber früher als später entsorgen. Schließlich hängen Leben daran. Wer dies beachtet, ist objektiv und subjektiv sicherer und entspannter unterwegs.