In den wilden Osten: Fränkische – Zittau – Petrohrad [Reisebericht]

Ursprünglich hatten wir ja für die Osterwoche die tollsten Sachen geplant: Bleau, Wales, Belgien, Elsaß. Irgendwie klappte das alles nicht und wieder mal galt der Spruch: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah. Also hatten wir uns schlicht auf die Fränkische geeinigt. Jede Menge Routen und Boulder, das Wetter hat auch gepaßt und so starteten wir mittags Richtung Betzenstein mit Peters riesigem LT28. Als großartige Fügung erwies sich die Tatsache, daß Tommi bei der Familie in Zittau war und dringend ein Taxi Richtung Petrohrad am folgenden Wochenende brauchte, insofern war auch die Zwischenstation klar: Betzenstein — Zittauer Gebirge — Petrohrad — Freising. Kletterszene goes far east… Von der Fränkischen will ich gar nicht groß rumfaseln, kennt ja eh jeder, also gleich mal los mit Tommis Story zu Zittau und dem Padani in Petrohrad …

Prolog

Padani – letztes Jahr war’s endgeil! Da fährste wieder hin! Nun die Frage, wo machst n mit? Beim großen Wettkampf, wo es um die schweren Boulder geht? Mit Adam Ondra messen? Mit den anderen mutierten Tschechen? Ok, ok, war eh nicht mein Plan, aber im Vergleich zu den Kollegen aus der Gruppe „Senioren gegen die Schwerkraft“ gut abschneiden, das wäre doch was! Hm – der Sammlermodus, da könnteste doch auch weit nach vorn kommen – der Marathonläufer unter den Boulderern werden, vom Deckenfranze zum Ironman in nur 6 Stunden. Oh gott oh gott, was mach ich nur? „Entspann dich Bursche, wir haben gerade Mitte März und du planst schon den überüberübernächsten Einsatz! Was wäre, wenn irgendwas dazwischen kommt?“ Na gut, lassen wir es mal so stehen und schreiben im Mai weiter….

Na gut, nun ist der zweite Mai, eine Woche der Völkerverständigung ist vorbei und ich sitze mit rosa Fingern und verspanntem Rücken auf dem Sofa und massiere die Tastatur. Das Padani 2011 hatte eine einwöchige Vorgeschichte, in der es darum geht, dass sich ein paar verwegene Bayern mal in den wilden Osten wagen und Sandstein unter ihre Finger haben wollten. Angefixt von tollen Fotos – die Länge der Anmärsche hab ich immer verschwiegen – wollten sie nun die Woche nach Ostern nutzen. Dazu wärmten sich die Kollegen von kletterszene.com (Gerhard & Ese), Peter, Lisa und Caro in der Fränkischen auf. Ich fuhr bereits am Karfreitag in den Osten und konnte noch am selben Abend meine geliebten Felsen umarmen und Heimatluft schnuppern. Samstag war low- gravity Day und so fielen in nur zwei Stunden drei alte Projekte – danke an Chris für die guten Tipps!

Zittau Bouldern: Tommi im Highball

Samstag Abend wollte ich mal etwas „Kultur“ machen – das ist das, wozu die Kletterer immer von ihren Frauen verdonnert werden. Ich hab´s mal mit dem Ostertanz in einer ostdeutschen Kleinstadt probiert. Hu – nach anderthalb Stunden Lambada, Modern Talking und rheinischer Karnevalsmusik hatte ich auch dieses Thema abgeschlossen. Dumm nur, dass der intensive Einsatz der Nebelkanonen am nächsten Tag für ordentliches Schädeldröhnen sorgen würde. Und da stand ich nun gut am nächsten Tag – auf ner Reibung, klar das Seil kam von oben, und versuchte ne einigermaßen ordentliche Figur abzugeben. Den geliebten Spruch meiner Kletterkumpels „Die Fußtechnik kommt aus dem Oberarm“ fand ich in dem Moment gar nicht mehr lustig und würgte mich ohne Chalk aber mit nassen Fingern diese grifflose Reibung hoch. Leck, Oida!

Am Nachmittag hatte ich dann die Ehre, Mr. Boulderrausch ein für ihn neues Gebiet in Zittau zu zeigen: der Ameisenberg – großzügige, pumpige Linien, Slooper wie in Bleau und das alles bei extrem gutem Grip. Seine Bemerkungen zur Länge vom Anstieg hab ich zwar registriert, konnte sie aber erst drei Tage später richtig einordnen. So konnten wir in der Abendsonne entspannt abrocken und ein immerhin 7 Jahre altes Projekt aufgrund der guten Bedingungen endlich befreien: die Zierleistentraverse (7c).

Der Rest trifft ein

Am Abend rückten dann die Freisinger an und quartierten sich in der Jonsdorfer DAV-Hütte ein. Der nächste Tag begann mit einem kleinen – Ese nannte ihn „Gewaltmarsch“ – Spaziergang auf den Töpfer. Oben auf dem Berg befindet sich ein größeres Blockmeer mit mehreren Boulderparcours von ganz leicht (gelb / orange) über mittel (blau/rot) bis hin zu schwereren Bouldern (weiß). Die Jungs waren begeistert von den Blöcken und von den Griffstrukturen und bekletterten alles, was wie Fels aussah. Peter, farblich als perfekter Übergang zwischen den blauen Ocun Crashpads und den gelbgrauen Felsen getarnt, sorgte für eine Schrecksekunde: fängt er doch auf so nem rutschigen  Plattenausstieg 4 Meter über Lisa, die auf die todesmutige Idee kam ihn zu spotten, das große Zittern und  Griffeausgraben an. Uiuiui. Glück gehabt!

Zittau Bouldern: Peter im Highball

Der nächste Tag fiel dann komplett ins Wasser und wurde zum einzigen Tag in den 10 Tagen ohne Felskontakt – und: das haben wir auch überlebt. Am Mittwoch stieß dann auch Gerhard zu uns und meine Schwester und ihr Mann aus Franken. Nun konnten wir uns schon nicht mehr im Wald verstecken, so viele Crashpads wurden da durch die Gegend getragen. Zum Teil lag es aber auch an den farbenfrohen Kletterkostümen vom schönen Gerhard. Weil noch alles nass war, gingen wir zu dem Felsen, der laut unseren Locals (Vielen Dank an Daniel für die ausgezeichnete Betreuung) am schnellsten abtrocknete. Oben angekommen, abgekühlt vom Anstrengenden Anmarsch musste Gerhard auch gleich seine Bärenkraft am Erectus rauslassen und mir kam es so vor, als wenn der Riß nun etwas weiter ist.

Da das Potential an Bouldern dort begrenzt war, beschlossen wir , zum direkt  gegenüberliegenden Ameisenberg zu gehen. Sah auch nicht weit aus, gefühlte 200 m Luftlinie schien das auch nicht weiter schlimm. Ne halbe Stunde Crashpads durch Geröllfelder schleppen und 200 hm später jammerten und keuchten die Jungs, das es schon fast peinlich war. Hier konnten wir uns wieder richtig austoben und die Haut von den Fingern ziehen lassen. Die Session ging dann auch bis zum Dunkelwerden.

Zittau Bouldern: auf_ner_platte

Da die Damen vom mGewaltmarsch-Gejammer nun langsam die Nase voll hatten und außerdem auch mal Touren klettern wollten, ging es am nächsten Tag zur Ostseite vom Töpfer, an der auch viele hohe Felsen zum stehen und das beste: der Zustieg hat keine Höhenmeter, war aber mit gefühlten 20 min den Herren Boulderern aber auch schon wieder zu lang. Naja, dort angekommen hab ich mich erstmal eine 5 hochgefürchtet und dann konnte noch genau eine Nachsteigerin vor dem aufkommenden Regenschauer dort hochklettern.

Die nächste Tour sollte ein Überhang mit drei Ringen (7-) werden. Gerhard übernahm erst die Aufgabe, das Seil hochzubringen und dann sich selbst, als er zitternd am ersten Ring wieder umkehrte. Auch er musste erkennen, dass die Fußtechnik nicht immer aus dem Oberarm kommt. Glücklicherweise kam nicht zufälligerweise ein Local vorbei. Der vierfache Opa stieg dann dermaßen elegant die Tour vor, dass wir heute noch davon erzählen. Das peinlichste für uns Boulderer war aber, dass die Tour dann auch im Toprope immer noch unkletterbar war. Themawechsel: Die Schauer klangen ab, es wurde wieder trocken und wir konnten uns in etwas höheren Riß- und Plattenbouldern unsere beschränkten technischen  Fähigkeiten weiterentwickeln.

Am Freitag wollte nun keiner mehr irgendwo hin laufen und wir beschlossen, mit der  Touristenlokomotive auf den Töpfer hochzufahren. Nachdem Ese den Lokführer überedet hat, uns ungewaschene Typen mit den großen Crashpads da hochzufahren, konnte die Reise beginnen und wir durften uns Info’s über das  Gebirge in schönstem oberlausitzerischem Dialekt anhören. Der Bouldertag wurde auch kürzer als gedacht, da Quellwolken in Verbindung mit Gewittern unseren mehr oder weniger erfolgreichen Versuchen, eine Slooperkante zu erklimmen, ein gnädiges Ende bereiteten.Fazit: über 15 Boulder im 7. Grad und das komische Gefühl, dass die Locals ziemlich hart bewerten….

Ab nach Petrohrad

Nun konnte die Fahrt nach Petrohrad beginnen. Diese war eigentlich nicht der Rede wert, aber: erstens waren die Straßen dermaßen katastrophal, dass die alte Scherzfrage: „Loch an Loch – und hält doch“ auch anders hätte beantwortet werden können. Und zweitens fuhr Gerhard in seinem schnellen Bus uns einfach davon – dummerweise hatte er das Navi und wir in Peters Bus keine Karte. Naja, dafür aber mit genügend Bier und dem starken Gefühl, dass Petrohrad irgendwo im Westen liegen muss sind wir zu heißen Reggae Rhythmen von Bob Marley der Abendsonne entgegen gecruist. Und: wir waren sogar eher da als unsere Kollgen mit Navi. Stolz!

10_die_wurzel_allen_uebels

Auf dem Campingplatz angekommen, stießen kurz danach auch 8 Leute aus Freising zu uns, die ein ganz eigenartiges Bier im Gepäck hatten. Erst sorgte es für andauernde Belustigung der eher einfachen Sorte, da die deutsche (und wahrscheinlich falsche) Aussprache der Aufschriften erheiternde Assoziationen erzeugte. Zweitens schien es auch irgendwelche psychoaktiven Substanzen zu enthalten, führte es doch in der Nacht und auch am nächsten Tag zu vermehrten Wahrnehmungsstörungen.

Erst verspürte ich das Bedürfnis, mitten in der Nacht an mein Telefon zu gehen und bildete mir ein Gespräch ein. Dann lag am nächsten Morgen vor Bernis Zelt eine herrenlose Streetpizza, für die niemand Verantwortung übernehmen wollte und selbst zum Mittag war Timo noch der Meinung, dass die Griffe im soliden Granit „wanken“. Ts Ts Ts – was brauen die Tschechen nur für Bier? Achso – wir waren doch zum Bouldern da. Was soll ich sagen: ein Deja-vu: Aufwärmboulder im 5. Grad zum Hautabraspeln, unmachbare 6bs, tschechische Damen, die einfach so 7b wegknipsen, die zu allem Überfluss keiner von uns klettern konnte. So fangen unvergessliche Wochenenden an, oder?

8a-Plauze-und-9b-Strichmännchen

Jedenfalls konnten sich dann doch einige von uns erwärmen und auch den ein oder anderen 7b Boulder klettern. Der Rest machte es sich derweil auf den extragroßen Matten bequem und verarbeitete die Nachwirkungen des lustigen Vorabend zu dummen Sprüchen. Jedenfalls gab es gegen drei ein ordentliches Gewitter, was wir für die Einkehr an den Bierstand nutzten. Zwei Bier und ein Nickerchen später war der Fels wieder trocken und wir schleppten unsere Matten wieder in den Wald. Dass danach noch ne 7b+ ging, war irgendwie seltsam – dazu ein Zitat: ich werde alles drauf verwenden müssen, die Vorgänge genau zu verstehn.

Der restliche Abend lässt sich wieder abkürzen: Schnitzel mit Pommes für 4 Euro, Bier für 1 Euro, Live Band, Adam Ondra mit seiner Freundin beobachten und darüber philosophieren, welche Auswirkungen das wohl auf seine Kletterkünste haben wird. In Gerhard’s Bus feiern und den Abflug vorbereiten und sediert in die Kiste fallen….

Nächster Morgen: Die Seniorenfraktion begann ihn zünftig mit Kaffe und Zigarette, die Jungspunde würgen sich Müsli hinein und konnten immer noch über den Namen vom Bier lachen. Kopfschüttel! Auf geht’s zu den Bouldern, heute muss was gehen! Nachdem wir das Bouldergebiet einmal umrundet hatten, kamen wir auch schon an einem kleinen Block mit netten Linien an. Zufälligerweise war sogar der Chef persönlich in der Nähe und musste sich Gerhards Mantle Style ala „mach mir den Walfisch“ mit anschauen. Das hat ihn offensichtlich dermaßen irritiert, dass er am Ende nur 10 Plätze vor mir gelandet ist.

Nach mehreren abartigen Sitzstart-mit-Knie-am-Ohr-Einzüglern an perversen Drecksleisten am Vortag hatten wir nun endlich mal ein paar längere, athletische und griffigere Boulder entdeckt, in denen wir unsere umfangreiche Fußtechnik auspacken konnten.

12_Thomas_k_slooperkante

Und so kam dann auch ziemlich zügig die fünfte und sechste 7b auf die Ticklist. Wie ich oben schon schrieb, bestand mein persönliches Ziel in unserer Seniorenklettergruppe vorne mit dabei zu sein. Bis dahin sah es auch ganz gut aus, da Thomas K. offensichtlich noch mit den Nachwirkungen vom ersten Abend zu kämpfen hatte und auch nicht den Eindruck erweckte, einen Joker im Ärmel zu haben.

Naja, dachte ich, könnteste eigentlich noch mal ne 7c am anderen Ende vom Gebiet probieren, so als schönen Abschluss sozusagen und bin dann allein dort hin gestiefelt. Das Ende vom Lied: das Ding im dritten Go gerockt, gefreut, ziemlich stolz in die Kneipe eingekehrt und n Bier bestellt. Danach Punkte gezählt und noch mal gefreut. Thomas K. getroffen, der nur darauf gewartet hat, sich in meiner Abwesenheit daran zu erinnern, wie fit er wirklich ist und schnell mal einen 8a+ Boulder zockte und sich damit aber ganz nach vorn schob (6. Platz), meine Kinnlade wieder hochgeklappt und noch’n Bier bestellt. Prost.

Epilog

Endgeil wars – super Wetter, nette Leute, sehr angenehme Stimmung im Wald – ich kann’s jedem Boulderer nur empfehlen, dort mal hinzufahren und ich werde auf alle Fälle wieder mal dabei sein.

Achtung bitte erst wieder Anfang Juli in Petrohrad bouldern, momentan herrscht striktes Boulderverbot!