„Ich habe absolut keine Ambitionen, mit dem Klettern aufzuhören“ – Alex Megos im Interview

Alex Megos braucht man eigentlich nicht vorzustellen. Der 31-jährige Franke zählt seit vielen Jahren zu den weltweit besten Felskletterern. Im März 2013 gelang dem damals 19-Jährigen der Durchbruch, damals kletterte er in Siurana als erster Mensch weltweit eine Route, „Estado Critico“, im Schwierigkeitsgrad 9a onsight. In den Jahren danach folgten weitere extrem schwierige Begehungen. Wie viele genau mittlerweile auf seiner Ticklist stehen, weiß Alex selbst nicht ganz genau: „Also es sind sicher über hundert 9a und aufwärts“, sagt er. Darunter auch einige 9b+-Routen: Legendär sicher „Bibliographie“ (2020), im vergangenen Jahr dann „Sleeping Lion“ und „Change“. In diesem Jahr könnten noch einige Highend-Touren dazukommen. „2025 will ich mich wieder voll aufs Felsklettern konzentrieren“, sagt er im Interview mit Ks.com.

Kurzer Blick zurück auf 2024: deine Wettkampfsaison war eher durchmischt, oder?

Ja, auf jeden Fall. Ich habe nur eine Handvoll Weltcups mitgemacht, mein Ziel war ja die Olympia-Qualifikation, darauf lag mein Fokus. Das habe ich auch erreicht, ich war in Paris dabei – aber es lief nicht gut. Der Fußrutscher im Lead-Halbfinale bedeutete das Aus… ich war nicht im Finale dabei. Es hätte deutlich besser laufen können. Aber immerhin war ich schon bei beiden Olympischen Spielen, bei denen Klettern Disziplin war, dabei – und das ist ja auch schon mal ganz cool.

Hast du das inzwischen verarbeitet?

Die Niederlage ist mir tatsächlich noch lange nachgegangen. Inzwischen habe ich das aber verarbeitet und ad acta gelegt.

Bis Los Angeles sind es zwar noch gut dreieinhalb Jahre. Aber hast du Ambitionen, ein drittes Mal bei Olympischen Spielen zu starten?

Also es wird wohl ziemlich schwer werden, mich zu qualifizieren, die Jugend kommt nach und die investiert alles ins Wettkampfklettern – das ist das Eine. Das Andere und die für mich maßgeblich wichtige Frage ist, wie die Verteilung der Disziplinen sein wird. Also ob es Lead und Bouldern als Einzeldisziplinen geben wird. Dann ist die Wahrscheinlichkeit deutlich höher, dass ich es noch ein drittes Mal versuchen werde – beim Lead natürlich. 

Am Fels liefs 2024 dafür ja deutlich besser…

Ja, ich habe mir gleich Anfang des Jahres die erste Wiederholung von Sleeping Lion in Siurana geholt. Erstbegeher war Chris Shama, er hat diese echt grandiose Linie sehr lange projektiert und schlug 9b+ vor. Nach ihm waren dann zwar einige Leute drin, aber klettern konnte sie niemand. Ich habe etwa acht Tage gebraucht, dann konnte ich sie klettern. Ich denke, es ist eher eine 9b. Danach lag der Fokus dann aber erst mal auf Plastik.

Nach den Spielen in Paris konntest du dich dann wieder voll aufs Felsklettern konzentrieren – und hast gleich mal in Norwegen in Flatanger kräftig abgeräumt. Wie wichtig war das für dich?

Norwegen war bombastisch. Für mich lief es deutlich besser, als ich erwartet hatte. Ich hatte gehofft, entweder Move (9b) oder Change (9b+) klettern zu können, dass es dann beide wurden, war schon cool – ich würde allerdings beide Routen mit 9b/+ bewerten. Das hat mir viel Bestätigung gegeben und mich aufgebaut. Als Pofikletterer projektierst du, das heißt aber nicht, dass du jede Route automatisch schaffst. Manchmal läuft es einfach nicht so, wie man es sich wünscht. Ich habe inzwischen aber gelernt, mich nach einer Niederlage wieder relativ schnell aufzubauen. 

In Flatlanger bist du in Change eins der ersten Male mit einem Kneepad geklettert, in Little Badder (9a) dann mit zwei. Sind die Pads eine Modeerscheinung, die bald wieder in der Schublade verschwindet?

Kneepads werden sich etablieren, das ist keine Modeerscheinung. Es gibt immer mehr schwere Begehungen im Bereich 9b+ und 9c. In Spanien oder auch Flatanger siehst du immer häufiger Kletterer mit den Pads, die bei Knieklemmern nützlich sind. Aber auch im Breitensport benutzen das immer mehr Leute. Ich finde es auch okay, aber nicht gut, wenn jemand eine Route, die ohne Kneepads erstbegangen wurde, mit Kneepads wiederholt, und das nicht sagt und den Grad der Erstbegehung angibt. Adam (Ondra, Anm.Ks.com) hat 2012 Change ohne Kneepad erstbegangen – er war seiner Zeit echt voraus, das war eine krasse Leistung. Mit Kneepads würde ich es deshalb mit 9b/+ bewerten.

„Game over“: so hast du dann den USA-Trip im Herbst kommentiert, wo es für dich in deinem Red-River-Gorge-Projekt nicht wirklich optimal lief…

Es war ein typischer Profiklettertrip – wie vorhin schon beschrieben. Du fährst wohin, bleibst vier Wochen und kommst mit Null zurück. Das ist Teil des Spiels… es läuft nicht immer, man kommt nicht jedes Mal etwas Schweres hoch. Das ist auch immer abhängig davon, wie das Wetter ist und ob die Haut mitspielt. 

Der Jahreswechsel in Margalef lief dann aber wieder, du hast eine lange Ticklist mitgebracht: On Egin 8c+, Tuareg Blanco 9b/+, Mr. Big 9a als Flash und am letzten Tag dann auch noch die Begehung von Frenesi, du schlägst als Bewertung 9a vor. Über welche Tour hast du dich am meisten gefreut?

Das war die Erstbegehung von Tuareg Blanco. Ich habe die Tour schon vor drei Jahren mal probiert und wusste nicht, wie es dieses Mal laufen wird. Ich habe sehr viel Zeit in diese Route investiert, insgesamt waren es dieses Mal zehn oder elf Tage – es hat ziemlich lange gedauert, bis ich meine endgültige Beta gefunden und die Puzzleteile zusammengesetzt hatte. Die größte Challenge für mich war aber weniger die Schwierigkeit als die Frage, ob das Wetter und meine Haut mitspielen. Es war zuerst ziemlich kalt und nebelig in Margalef. Ich wollte aber diese legendäre Linie, die schon 2014 eingebohrt, aber von nur ganz wenigen Kletterern probiert wurde, unbedingt klettern – und war echt froh, dass es hingehauen hat. Mr. Big ist im Vergleich zu Tuareg Blanco dagegen eine eher indooraffine, Kilterboard-Tour und relativ leicht zu klettern… ich denke, es ist eher keine 9a.

Du bist erklärter Felsliebhaber. Wirst du in diesem Jahr trotzdem bei internationalen Wettkämpfen starten? 

Wenn, dann nur bei Lead-Weltcups, beim Bouldern bin ich raus. Ich werde aber nicht in Übersee starten. Es hat sich teamintern auch Einiges verändert, wir haben nicht zwangsläufig sechs Startplätze – und es wird nicht easy werden, sich zu qualifizieren. Mein Fokus wird in diesem Jahr aber definitiv auf dem Fels liegen, ich werde die meiste Zeit dort verbringen. 

Hast du schon konkrete Pläne?

Ich möchte wieder nach Norwegen, dort hat es mir supergut gefallen. Ich habe in Flatanger noch ein paar Touren im Bereich 9b und 9b+ übrig, die ich machen möchte. B.I.G. (eine 9c von Jakob Schubert in Flatanger; Anm. Ks.com), und Silence (eine 9c von Adam Ondra, auch in Flatanger; Anm. Ks.com) würden mich auch interessieren, da würde ich gerne mal reingehen.

Alex, du wirst im August 32 Jahre alt, kletterst schon sehr viele Jahre sehr schwer. Wird es nicht zunehmend schwierig, sich immer wieder physisch und psychisch zu pushen und Höchstleistungen abzuliefern?

Ja, es wird schwieriger. Du battelst nicht nur mit einer Route, sondern auch mit deinem Körper. Es wird für mich auch immer schwieriger vorauszusagen, wann ich mich fit fühle. Das war früher anders. Inzwischen ist das wellenförmig, früher war es geradlinig, dass ich fit bin. Ich habe inzwischen aber auch an anderen Schräubchen gedreht, der Atmung beispielsweise und an meiner mentalen Stabilität. Und das holt einiges heraus. Das sind für mich jetzt andere Challenges als früher (lacht). Momentan habe ich absolut keine Ambitionen, mit dem Klettern aufzuhören. Das heißt jetzt aber nicht, dass ich keine Pläne für meine Zukunft mache, ich mache mir schon einen Kopf, was nach der Profi-Kletterei kommen wird. 

Welche Rolle spielt dabei die Frankenjura Academy, eure neue Kletterhalle in Forchheim?

Eine große. Die bietet uns eine gute Plattform, das ist viel wert. Wir – Chris (Hanke; Anm. Ks.com) – und ich wollen dort unser Wissen an die Nachwuchskletterer weitergeben. Es gibt jetzt schon Angebote für Kinder und Jugendlichen. Wir bieten aber auch Workshops und Kurse – aktuell beispielsweise für die Boulderbundesliga – und Lehrgänge an. Für Anfänger und für Profis, das geht von Einsteigerkursen und Yoga-Angeboten hin zu Routenbauer-Workshops. Es läuft gut. Die Halle bietet aber auch mir eine optimale Trainingsmöglichkeit, das ist perfekt. Mittlerweile ist die für mich zu einem zweiten Zuhause geworden.

Machst du dir einen Kopf, was in fünf oder zehn Jahren sein wird? Kannst du dir ein Leben wie Chris Sharma, der in diesem Jahr 44 Jahre alt wird, vorstellen: als Hallenbesitzer, der klettern geht, wenn er dazu Lust hat?

So ein Leben könnte ich mir vorstellen. Ich denke, dass Chris eine gute Balance gefunden hat, das ist schon mega cool, was er macht. Chris (Hanke, Anm. Ks.com) und ich haben vor Kurzem in seiner Halle in Barcelona ein You-Tube-Video gedreht. Es war witzig, weil Chris uns als Hallenbesitzer wie Gleichgesinnte behandelt hat und nicht wie die Jugend, die klettern geht. Wir haben uns auch darüber unterhalten, wie es ist, eine eigene Halle zu haben. Das war ein bisschen wie früher, als er Profikletterer war und wir die Aspiranten. Damals war er unser Mentor und hat uns Tipps gegeben, was wir beim Klettern besser machen könnten – inzwischen geht’s um Kletterhallen. 

Mehr Infos über die Frankenjura Academy und ihr Angebot unter:

frankenjura-academy.com

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Video-Link: https://youtu.be/tPov-kJ9S_I?si=zgEHYks1-ZRWMEyd