Hallo Ihr Erstbegeher, wo ist euer Respekt geblieben? [Ein offener Brief von Markus Bock]

Markus Bock möchte sich mit einer Bitte an die Kletteröffentlichkeit wenden, da in letzter Zeit eine Entwicklung im Frankenjura überhandnimmt, die nicht mehr zu akzeptieren ist und gleichzeitig nur gestoppt werden kann, wenn auch die Mehrheit der Kletterer sie so nicht akzeptiert.

Markus Bock schreibt:

Seit einiger Zeit kommt es im Frankenjura vermehrt zu respektlosem Verhalten in Bezug auf das Einbohren von Neutouren und Varianten. Zwar werden noch immer hin und wieder gute Linien an den fränkischen Felsen erstbegangen, doch momentan überwiegt das Einbohren von ungeheuer nutzlosen, zwanghaft gesuchten Linienführungen und sinnlosen Varianten.
Viele dieser sogenannten „Neutouren“ haben weder einen eigenen Einstieg oder Ausstieg noch benutzen sie eigene Griffe. D.h. es handelt sich meistens um einen oder wenige dazu gebohrte Haken, die noch nicht mal logischen Linien folgen und durch die Nähe zur Nebenroute die eigentliche Tour in ihrem Wert und Charakter zerstören oder verschandeln.

Haarsträubende Beispiele hierfür gibt es genug. Nicht mal vor klassischen Routen wie der „Schleimspur“ 9- an den oberen Gössweinsteiner Wänden wird halt gemacht. So wurde eine parallele Linie zwischen „Schleimspur“ 9- und dem „Haringer-Gedenkweg“ 6+ eingebohrt, welche kaum einen einzigen eigenständigen Zug besaß.
Zudem wurde sogar die Zonierung missachtet. Der Fels ist Zone 2 zugeordnet, was heißt, dass klettern nur auf bestehenden Routen erlaubt ist und Neutouren ohne Genehmigung durch die Behörde verboten sind. Und dass hat seinen Grund, die Felsen liegen in einem geschützten Landschaftsbereich. Auf Anordnung der Behörde mussten die Haken entfernt werden – zum Glück!

Felsen wie das Zwergenschloss unterscheiden sich kaum noch von Kletterhallen. Jeder erdenkliche Quadratmeter Fels wird eingebohrt, wodurch oft 3-Sterne Linien zerstört werden. Beispielsweise wurden 2009 in minimalem Abstand rechts der Route „Powerplay“ 11- Haken gesetzt, was dessen Erstbegeher, Werner Thon erzürnte und sich an den Einbohrer wandte, damit er die Haken wieder entfernen möge. Als die Bitte, einen Klassiker, wie diesen, zu respektieren abgelehnt wurde, flexte Werner Thon kurzerhand die Haken ab.

Dieses Jahr erwischte es mich dann selbst. So erfuhr ich, dass jemand in eine wunderschöne Linie namens „Steinbock“ 8c, welche von Karsten Ölze in den 90’ern eingebohrt und durch mich 2008 erstbegangen wurde, einen Linksausstieg in geringem Abstand dazu eingebohrt hat.

Mit vernünftigem Verstand und Respekt weiß jeder, der die Route kennt, dass da einfach kein Platz mehr für eine weitere Route ist. So fuhr ich einige Tage später hin, um die Haken (zum Glück Laschen) zu entfernen. Zwei Tage später zeigte ich meiner Freundin den Tatort, da sie sich selbst ein Bild machen wollte. Als wir um die Ecke kamen, traf mich fast der Schlag. Es besaß doch tatsächlich jemand die Dreistigkeit, noch einen Rechtsausstieg zum Steinbock zu bohren, der in Abstand, Unsinnigkeit und Hässlichkeit der erst vor zwei Tagen entfernten Variante in nichts nachstand!

Auch diese, nun zementierten Haken, entfernte ich ein paar Tage später und war erstaunt, wie leicht ich sie mit ein paar Hammerschlägen lösen konnte. Da hatte jemand nicht nur eine bescheidene Linie eingebohrt, sondern auch noch dilettantisch die Haken gesetzt, die kaum eine Sturzbelastung ausgehalten hätten, da anscheinend der Zement nur bedingt abgebunden hatte! Des einen Freud, des anderen Leid.

Weiterhin kommen massive Routenmanipulationen dazu, welche in Form von Unmassen an Sika bzw. Zement und nicht selten sogar in aufgemachten Griffen gipfeln (Nachhilfe mit Bohrer, Meisel,…).

Das wirklich erschreckende an diesen Geschehnissen ist, dass es sich hier leider nicht nur um Einzelfälle handelt, sondern um eine fortschreitende Entwicklung mit zahlreichen Beispielen im gesamten Frankenjura! In den letzten 2 Wochen gab es sowohl Vorfälle an der Pornowand, dem Amphitheater, dem Orakel und HOFFENTLICH nicht noch wo.

Diese Ereignisse an den fränkischen Kletterfelsen zeigen eigentlich nur, welch mangelnder Respekt, welch fehlende Sensibilität und welch erschreckendes Halbwissen sich in der Kletterszene breit machen. Der Konsumgedanke scheint mittlerweile allgegenwärtig zu sein und macht selbst vor klassischen Touren mit klettergeschichtlichem Hintergrund keinen Halt mehr.

So manch einer begreift einfach nicht, dass eine schöne Tour nicht nur durch ihren Schwierigkeitsgrad einzigartig wird, sondern auch durch ihre außergewöhnliche Linienführung, ihre Eigenständigkeit und ihren psychischen Anspruch. Aber man vergisst scheinbar nur zu leicht, dass man sich nicht in der Halle mit Hakenrastern befindet, sondern in einem Naturpark mit gewachsener Klettergeschichte. Das ist ungeheuer traurig und erschreckend zugleich!

Sowohl Werner Thon, als auch ich und eine Reihe anderer namhafter Erstbegeher wollen dieses Verhalten nicht mehr tolerieren!!! Ich werde mich jedenfalls vehement gegen diese Entwicklung wehren und meine Touren von zu nah gesetzten Haken befreien. Ich will keinen Kletterkrieg, aber ich fordere etwas Respekt und Hirneinsatz, bevor jemand den Bohrer ansetzt!

Sicher gibt es noch einige schöne und lohnenswerte Linien im Frankenjura, die auf einen Erschließer warten. Diese sollten aber mit Bedacht gewählt werden! Keiner will eine Reglementierung durch Nachzonierung. Doch ich befürchte, dass es irgendwann soweit kommen könnte, wenn diese Entwicklung nicht von allein stoppt.

Ich hoffe auf breite Unterstützung Vieler und appelliere an eure Vernunft, um den Charakter vieler erstklassiger Routen zu erhalten.

Wir brauchen keine hallenartigen Bohrhakenraster!

Verfasst von Markus Bock

Unterstützt in seiner Meinung durch folgende Erstbegeher:

 

  • Werner Thon, Milan Sykora, Dicki Korb, u.a.

Text: Markus Bock, kletterszene.com Foto: Markus Bock