Fabian Buhl macht Solo-Winterbegehung von Wetterbock (8c, 10SL)

Fabian Buhl winterbock 8c klettern news

Fabian Buhl, der ja bekanntlich mit dem Bouldern anfing, und sich dann sukzessive in der Höhe nach oben schraubte ist inzwischen in den alpinen Projekten angekommen. Dem Bouldern ist er zwar immer noch treu geblieben, aber inzwischen reizen in auch die hohen, „etwas“ exponierteren Klettereien. Mit „hoch“ meinen wir zehn Seillängen bis zum Grad 8c obligatorisch und mit „exponiert“ eine sicherlich nicht übersicherte Alex-Huber-Route. Genauer gesagt Wetterbock (8c) an der Nordwand des hohen Göll in den Berchtesgadener Alpen. Warum Fabi sich ausgerechnet diese Alpin-Route herausgesucht hat und dann das ganze noch als Solobegehung im Winter macht?! Lest selbst…!

Das Projekt an der Nordwand des hohen Göll

Wetterbock-8cMit dem 21. März ist der kalendarische Winter endgültig vorbei, aber vom 17.3. — 19.3. zeichnete sich das langersehnte Winterfenster ab und ich versuchte meine Chance zu nützen. Heuer habe ich viel Zeit und einiges an Boulderform geopfert und mich einem Winterprojekt verschrieben. Dies war absolutes Neuland für mich und eine spannende Herausforderung, welche sich zunächst unmöglich anfühlte.
Als Alex Huber mir von seiner neuen Route am Hohen Göll erzählt hatte, war ich stark beeindruckt, denn er versprach mir perfekten Kalk, weite Runouts und eine zwingend freizukletternde Crux. All dies auch noch hoch oben in der ziemlich abgelegenen Nordwand des Hohen Gölls. Erst ein paar Monate danach kam der Gedanke einer Solo-Winterbegehung in mir auf. Ich war mir sehr wohl bewusst, dass es solo sehr hart und anstrengend wird, wollte meine Vision aber unbedingt versuchen. Ich rechnete eigentlich fast mit einem Misserfolg, dachte mir aber, dass ich sicher viel für kommende alpine Aktionen lernen werde. Alex war etwas skeptisch ob es geht, unterstützte mich aber von Anfang an in meinem Vorhaben. Zusammen mit ihm und Lukas Binder erkundete ich den Zustieg und wir transportierten etwas Equipment in die Nähe der Wand.

Schon der Zustieg ist extrem anspruchsvoll

Steep-approachDie Schwierigkeiten sind nicht nur klettertechnischer Natur, sonder liegen auch im Zustieg, dieser ist sehr lawinengefährdet, da er erst über steile Grashänge und dann durch eine sehr steile, windverblasene Rinne führt. Deshalb musste ich auf sichere Verhältnisse warten, allerdings wurde mir auch an guten Tagen in den steilen Hänge unmittelbar unter der Wand ziemlich mulmig. Ein Großteil des Zustiegs kann mit Ski absolviert werden, aber die letzten 350 Höhenmeter des Couloirs sind schlichtweg zu steil; hier ist eine interessanter Mix aus hüfttiefer Schneewühlerei und Mixed Klettern angesagt. Aber wegen dem vollen Winterprogramm bin ich ja gekommen und war dementsprechend motiviert alles zu geben um mein Traum zu realisieren.

Flugmeilen inklusive

Back-at-bivi-after-all-pitchesIn dieser Art von Kalk findet man schier keine Cliff-Placements zum rasten oder um sich technisch über eine schwere Stelle zu helfen, auch mobile Sicherungsgeräte können nur spärlich eingesetzt werden. Deshalb bleibt oft nur noch ehrliches Freiklettern übrig. Da Alex‘ Bolts — wie üblich — sehr weit auseinander liegen, sammelte ich schnell Flugmeter und begann meinem Solosystem zu vertrauen. Das Einzige um was ich mich wirklich kümmerte, war der nächste Bolt, bzw. das Erreichen des nächsten Standes. Ab und zu bin ich 40 Minuten im Runout auf- und abgeklettert, um die Schwachstelle der Wand zu erkennen oder um die nächsten Griffe mit meiner freien Hand zu enteisen. Manchmal musste ich ganze Bänder freischaufeln um den Stand zu finden.

Der Körper funktioniert

hands-at-the-topAm Ende gab es sicher Situationen an denen ich viel Glück hatte und mir somit die erste Wiederholung der Wetterbockwand (8c, 10 SL) in der Nordwand des Hohen Gölls im Winter glückte. Jeden Morgen um 4:30 Uhr aufzustehen und in der Kälte bis zur Dunkelheit zu klettern, war definitiv eine neue lehrreiche Erfahrung und mich hat es sehr gefreut zu sehen, dass mein Körper in solchen Situationen gut funktioniert. Ich war die ganzen drei Tage lang extrem fokussiert und fühlte mich nie müde oder erschöpft, ich habe auch an keiner meiner Entscheidungen gezweifelt, sondern einfach meinen Plan eingehalten. Dies liegt vermutlich am deutlich zu hohen Adrenalinspiegel. Denn als ich am Ende des dritten Tages den sicheren Forstweg zum Auto erreichte, und mir klar wurde, dass jetzt keine Lawine oder sonstige Gefahr mehr drohte, ließ der Adrenalinspiegel nach und ich fühlte ich mich schlagartig ziemlich leer und platt.

Zum Schluss kann ich nur sagen, dass ich mit viel Schinderei und organisatorischem Wahnsinn gerechnet habe, allerdings war mir das wirkliche Ausmaß nicht bewusst. Ich musste noch nie mit mehr Einsatz oder härter an einem Projekt arbeiten. Jetzt bin ich nur froh, dass ich wieder heil unten bin und um eine coole Erfahrung reicher.

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Interview mit Fabian Buhl

totally-done-at-the-belayFabi, erstmal Glückwunsch! Du entwickelst dich ja immer mehr zum Tausendsassa, was Klettern in all seinen Facetten angeht. Werden wir dich in ein paar Jahren nur noch Hochalpin auf irgendwelchen 8000ern finden? Oder bleibst du — trotz aller Nebenschauplätze — dem „klassischen“ Klettern und Bouldern treu?

Ha, gute Frage, von der Winteraktion habe ich bis Ende Januar auch noch keine Ahnung gehabt, aber ich mache einfach das, was mich motiviert. Gelernt habe ich für zukünftige alpine Sachen natürlich schon sehr viel. Ich möchte die nächsten Jahre schon ganz normal mit dem Klettern und all seinen Spielarten weitermachen. Bouldern ist schon immer noch die Grundlage und — meine ich — eine gute Basis um meine Visionen zu verwirklichen. Mich reizen hohe Berge schon auch und ich habe für die Zukunft auch die ein oder andere Expedition vor. Aber 8000er müssen es noch nicht sein, mir geht es prinzipiell schon um die technische Schwierigkeit.

Àpropos „klassisch“. Eine Solo-Winterbegehung kann man ja wirklich nur schwer als „normales“ Klettern bezeichnen. Magst du mal kurz erklären, was genau „Solo-Klettern“ ist?

Beim soloklettern sicherst du dich nur selbst und schaust, dass du irgendwie die Wand hochkommst. Im Dolomit oder anderem gebänderten Fels, kann man sehr viel mit Cliffs/Skyhooks machen und sich somit technisch über schwere Stellen arbeiten. Dies war hier nicht möglich, da der Kalk nach unten geschichtet ist und deshalb musste ich einfach ganz normal Freiklettern, was bei der Kälte aber doch sehr hart war. Natürlich musst du jede Seillänge die du kletterst, wieder abseilen und dann mit dem Haulbag hochjümarn. Deshalb dauert es auch deutlich länger als mit Partner. Um weite Stürze möglich zumachen, muss man auch sehr penibl an einer dynamischen Sicherungskette arbeiten. Aber vor allem darf dir da oben nichts passieren, denn du bist allein und hast auch nahezu kein Netz.

Und ein Winterbegehung kann man sich wohl so vorstellen, dass Griffe vereist sind, Eis und Firn an Stellen ist, wo im Sommer keines ist. Rauheres Wetter, gefrorene Hände und Füße, vereiste Seile, Karabiner, tec. Haben wir was vergessen?

Ne, eigentlich nicht. Nur die immer kalten Kletterschuhe… Meine Füße haben auch zwei Wochen danach noch gekribbelt. Da hat sich der ein oder andere Nerv doch etwas beleidigt gefühlt…

Also zum Verständnis, die bist komplette alleine in der Wand und das im Winter? Beim Equipment hochschleppen haben dir zwar Alex und Lukas geholfen, aber danach bist du komplett auf dich gestellt?

Last-Hhm-approachGenau. Ich habe mit Alex Huber und Lukas Binder einen Materialtransport gemacht, einfach aus Sicherheitsgründen. Damit ich nicht komplett alleine dort oben bin. Das Lawinenrisiko ist schon hoch, da wäre mir allein doch mulmig gewesen. Allerdings bin ich die letzten 100 Höhenmeter über der Steilstufe dann alleine gelaufen. Ich bin sehr dankbar, dass sie mir beim Transportieren geholfen haben, aber wenn ich solo in die Wand einsteige, muss niemanden ein unnötiges Risiko für mich eingehen und ganz mit nach oben. Das würde ich niemals verlangen. In den letzen sehr steilen Hängen war Altschnee drin und deshalb war der Schneedeckenaufbau sehr schlecht. Den bin ich nur selbst gelaufen und hatte immer ein recht mulmiges Gefühl. An meinem Begehungs-Tag bin ich dann auch vom Parkplatz aus alleine gelaufen.

Was passiert, wenn du da stürzt? Fliegst du da bis zur nächsten Zwischensicherung und musst dann wieder hochjümarn? Also nach einem 20 Meter Runout, kurz vor dem nächsten Hakerl, fliegst du 40 Meter ab?

Genau, allerdings willst oder eher darfst du in manchen Runouts einfach nicht fallen, sonst wäre ich auch keine 40 Minuten auf- und abgeklettert um irgendwie weiterzukommen. Zweimal hatte ich nur Glück, dass es nicht eng wurde und ich sehr weit aus einer Querung geflogen bin. Standard sind aber so fünf bis zehn Meter weite Stürze.

Hm… mal im Falle eines ernsteren Falles. Gab’s da irgendein Backup? Haben Alex und Lukas unten gewartet und hätten dich raushauen können? Oder die Bergwacht, oder hast du dir gesagt: „Wird schon schief gehen…“?

belay-after-the-8cNur beim Materialtransport haben die beiden unterhalb der Steilstufe gewartet. Sonst war ich komplett allein und hatte ein Handy dabei, welches ab und zu im Biwak Netz gefunden hat, aber niemals in der Wand. Du musst einfach die Situationen genau abwägen und nur bis zur Grenze pushen, aber nicht weiter. Hört sich leicht an, ist es aber nicht, denn wenn du so viel für ein Projekt investierst und es unbedingt machen willst, dann kletterst du nicht ab, auch wenn du solltest…
Abends habe ich immer eine kurze SMS geschickt, um ein paar Leute zu beruhigen ;-), aber ob mir das was geholfen hätte, wenn was passiert, weis ich nicht.
Jimmy Birdwell hat mal gesagt: „There is a fine line between boldness and stupidity, each person must define the line by their personal level of commitment“. Der Spruch geht mir oft durch den Kopf, schlussendlich gibt es Projekte, für die es sich rentiert mehr zu investieren. Die Winteraktion war sicher ein Projekt für das ich viel riskiert habe, aber es auch extrem gut kalkuliert habe, zumindest für mich…

Wie hast du dich mental auf sowas vorbereitet, kann man das überhaupt? Und hast du, die Physis betreffend, irgendwie speziell trainiert? Mit Rinderhälften im Kühlhaus, oder so?

Nein gar nicht, mein Kopf funktioniert schon ganz gut und wenn ich etwas will, dann setz‘ ich alles daran. Ich habe mich einfach auf Kälte und Schinderei eingestellt. Wichtig war nur immer selbstbewusst und positiv zu denken, denn dann ist dir auch wohler und wärmer in der Situation. Wenn ich von Anfang an gedacht hätte „Oh Gott, das ist viel zu schwer und zu kalt“, dann wäre es auch kalt geworden!

Was hat denn deine Familie und dein Freundeskreis dazu gesagt? Oder hast du nur spärliche Details im Vorfeld verraten?

Naja, ich verrate natürlich nicht alles, aber ich erzähle wichtigen Personen sehr wohl von meinen Vorhaben. Aber ich denke sie vertrauen mir mittlerweile auch, dass das, was ich mache schon passt. Auch wenn ich die drei Tage vemutlich mehr und besser geschlafen habe ;-)

Dann danke für’s Gespräch und bis bald zum nächsten Projekt!

nice-bivi