Chimanimani – ein riesiger Spielplatz [- Teil 2]

Vom Ort Chimanimani fahren wir auf einer immer schlechter werdenden Straße eine gute halbe Stunde in die umliegenden Berge. Das letzte Stück ist steil, steinig und kurvig, und stellt eine echte Herausforderung für unsere Mietautos dar.

Kletterausrüstung, Schlafzeug, Kochequipment und Essen für neun Leute bedecken den ganzen Parkplatz als wir unsere Sachen für den Aufstieg packen. Ohne Gepäck braucht man 1 ½ Stunden bis zur Hütte, doch wir haben jeder zwischen 20 und 30 kg Gepäck auf dem Rücken. Leider werden Crashpads nicht für lange Märsche mit zusätzlicher Füllung und Extra-Gepäck konzipiert.

Bouldern in Zimbabwe

Kurz vor Erreichen der Hütte liegt der Geruch von Rauch in der Nase und die Hoffnung auf einen gemütlichen Empfang am Lagerfeuer steigt gewaltig.Doch was für eine Überraschung für unsere unerfahrenen Augen: Hinter der nächsten Ecke erwartet uns anstatt einer Hütte, umgeben von grünem Gras, ein Buschbrand. Wir sind nicht in Simbabwe, sondern in Mordor gelandet! Die Flammenherde brennen sich bei dem starken Wind rasend schnell durch die Savanne. Zuerst erschrocken, realisieren wir schnell, dass nur das hohe, trockene Gras brennt und somit kaum Brandmaterial vorhanden ist. Mit den Füßen treten wir die Flammen aus. Jeeeaaaah! Wir sind die Naturretter!

5 Minuten später kommt der Dämpfer. Von der Hütte aus sehen wir das gesamte Ausmaß des Feuers. Untem im Tal brennt sich eine gewaltige Front durch die Savanne und den Berg hoch. Es ist zwar zum Glück in sicherer Entfernung, aber an einen Löschversuch ist auf Grund der Größe nicht zu denken. Später erfahren wir, dass Goldgräber oder Schmuggler auf ihrem Weg nach Mosambik öfter Feuer verursachen, entweder auf Grund mangelnder Vorsicht oder um ihre Spuren zu beseitigen.

Die Hütte in Chimanimani ist wild-romantisch. Sie besteht aus zwei Schlafräumen mit durchgelegenen Matratzen (keine Ahnung was da so drin rumkrabbelt), einem Aufenthaltsraum mit Feuerstelle und einem Vorratsraum, in dem sogar Geschirr, Töpfe und Decken vorhanden sind. Auf Grund des guten Wetters und des beeindruckenden Sternenhimmels (kleine Anekdote des Physikers hier: auf der Südhalbkugel blickt man nicht in die Peripherie der Milchstraße, sondern ins Zentrum. Deswegen sind viel mehr Sterne zu sehen), schlafen wir unter freiem Himmel vor der Hütte. Jeden morgen lugt um 6 Uhr die Sonne über den 2436m hohen Mount Binga und weckt uns auf. Ein paar von uns springen dann gleich hoch. Jakob um Mathe, Ole um Spanisch zu lernen, und Kaffee zu kochen. Jedenfalls so lange wir noch etwas von dem wertvollen Kaffeepulver übrig haben. Die anderen wanken dann auch irgendwann an den Tisch. Als das Kaffeepulver ausgeht stehen einige kurz vor der Meuterei – doch die Gefahr konnte gebannt werden, als ein Trupp in die Stadt gesendet wird um Instant Kaffee zu kaufen.

Bouldern in Zimbabwe

Strom und fließend Wasser gibt es hier oben nicht, man muss fünf Minuten laufen um an einem Bach Trinkwasser zu schöpfen. Empfang gibt es schon gar nicht, was uns eine herrliche, handyfreie Zeit beschert. Ganz Oldschool spielen wir Karten oder machen Musik. Kaum zu glauben!

Um die Hütte herum erstrecken sich weite Blockfelder. Die Blöcke bestehen aus grau-weißem Quarzit, im Endeffekt stark komprimierter Sandstein. Es finden sich Blöcke in allen Größen und in abgefahrenen Formen. Sogenannte „Chickenheads“ – pilzförmige Auswüchse – sind weit verbreitet, was die Mantle am Schluss Gott sei Dank leicht macht. Generell sind die Boulder eher von der hohen Sorte, die höchsten, die wir geklettert sind waren wohl so 8m hoch.

Anfangs waren wir noch schüchtern und ängstlich, doch wie so vieles ist das Highball Klettern auch nur Kopfsache und wir alle arbeiten an unserer mentalen Stärke.

Das Gebiet bietet viel Potential für Boulder bis 7A. Zwischendrin gibt es auch viele schwerere Linien zu entdecken. Der Fels ist oft überhängend und glatt und hat übelste Sloper. Doch auch Leisten und manchmal sogar Löcher sind zu entdecken. Ein paar schöne Kühlschränke (ein Boulder bei dem man rechts und links an die Kante patscht) stehen auch rum.

Von den bestehenden Bouldern bleiben uns vor allem der Riese „Boomerang“ (7A+) (FA von Dan) und der Jimmy Webb-Klassiker „House of Stone“ (7C+) in Erinnerung. Letzteren zieht Jens mit einem gewaltigen Dyno am Top durch, während wir nur staunend unten stehen und hoffen, dass er in der Höhe keinen Helikopter Abgang macht.

Bouldern in Zimbabwe

Schnell überkommt uns der Reiz des Unbekannten und wir ziehen los, um neue Boulder zu finden. Am „Norf Hill“ kann Marcel die Erstbegehung von „Loosing My Life“ (7A+) (FA) verbuchen – vielleicht hat ihn das miese Absprunggelände zu dem Namen inspiriert – und David hängt den Sitzstart „Still Waiting“ (FA, 7C+) dran. Eine der markantesten Linien ist wohl der Bug „Black Rhino“ (7B) (FA Marcel).

An einem Ruhetag starten wir eine Wanderung über den „Skeleton Pass“ in das nahe gelegene Mosambik. Kurz vor dem Erreichen des Passes hören wir plötzlich bestialisches Gebrüll. In einer für uns eher unbehaglichen Nähe, bauen sich etwa 10 hüfthohe Baboons (eine Affenart, ähnlich eines Pavians) auf. Ob es dabei um eine Streitigkeit innerhalb der Horde oder um unser Eindringen in ihr Territorium geht, können wir nicht mit Gewissheit sagen, aber das letzte Stück hoch auf den Pass legen wir in Rekordzeit zurück. Nachdem wir jetzt auch Erfahrung mit der lokalen Tierwelt haben, stand dem Überleben also nichts mehr im Wege.

Auf einer Entdeckungstour sind uns vielversprechend aussehende Blöcke in der Ebene unterhalb der Hütte ins Auge gesprungen. Zum Glück sind sie von einladendem grünen Gras umgeben. Dies bietet ein gutes Absprung Gelände und da man sieht, wo man hin tritt, Sicherheit vor giftigen Schlangen und sonstigen Tieren. Durch die idyllische Lage ist der Gebietsname „Eden“ entstanden. Die King Line des neuen Gebiets und auch die schwerste Erstbegehung unserer Reise ist „Twisted by Design“ (8A) (FA Patrick). Dabei handelt es sich um einen beeindruckenden Bug, bei dem man mit Hooks um sich schmeißt, während man kleine Leisten herknallt.

Zum Ende unserer Expedition zeigt uns Dan noch ein weiteres Gebiet, das er im Alleingang ein paar Tage zuvor entdeckt hat. Nachdem wir uns geraume Zeit durch Büsche schlagen und uns zwischen Blöcken hindurchzwängen, kommen wir zu einer kleinen Höhle, umsäumt von mächtigen Blöcken. Völlig zerkratzt und abgekämpft kommen wir schnell zu dem Sektorenname: „PITA – Pain In The Ass“.
Doch es lohnt sich. Ole kann einen tiefen Sitzstart zu Dans „Hideaway“ (7C) FA hinzufügen, nach Dans und Oles Meinung dem schönsten Dachboulder in Chimanimani.

Beeindruckend ist der Boulder „Emergency Exit“ (7A) (FA Matthias) da er nicht nur steil, sondern auch hoch ist. Der Block wird von einem weiteren Block gestützt, der zum einen als Notausstieg genutzt werden kann, zum Anderen aber auch Potential für unkontrollierte Stürze bietet. Der Schlüsselzug ist ein dynamischer Schnapper weit oben und sorgt damit für extra Nervenkitzel.

Jakob und Ole waren letztes Jahr in Adrspach, eines der ältesten Klettergebiete der Welt, voller riesiger Sandsteintürme an der tschechisch-polnischen Grenze. Dort hält sich – neben Knotenschlingen, todesmutigen Ringabständen und keinem Chalk – die Tradition zu schwierige Kletterpassagen „hochzubauen“. Dabei handelt es sich um nichts anderes als eine menschliche Pyramide. Wenn dann mehr als zwei Personen involviert sind, heißt das ganze „ausgiebige Baustelle“ (aka. „Großbaustelle“). Auf unseren täglichen Wasserholwegen passieren wir jedes mal einen beeindruckenden, ca. 8m hohen Boulder. Die höchste Seite ist überhängend und absolut strukturlos. Doch dies ist wohl die beeindruckenste Linie, die wir überhaupt gesehen haben und wir bekommen die Idee einfach nicht aus dem Kopf da hochzubauen. Hm, doch wie viele Stockwerke brauchen wir wohl? Vier sind es sicherlich, vielleicht fünf. Mit Dan sind wir zu neunt – eine waghalsige Aktion. Doch am vorletzten Tag ist es dann soweit und wir steigen ein. Erster Stock: Vier Leute + Dan als Stütze, zweiter Stock zwei, dritter einer und vierter auch. Die ersten zwei klappen ziemlich gut. Wir ziehen Klettergurte an und hängen uns Schlingen um die Hüften, damit die oberen Leute daran aufsteigen können. Öfter mals kollabiert das ganze Gebilde schon im Kinderstadium – recht ungemütlich für die oberen Stockwerke. Uns wird bewusst, dass das ganze vielleicht nicht ganz so sicher ist, und sich hier ein Bein zu brechen wäre echt dumm. Doch einen letzten Versuch starten wir noch und Marcel erreicht – unter sich einen schwankenden, 5m hohen Turm – tatsächlich die Kante und mantelt raus. „Er hat ihn, er hat ihn“, schreit Ole, ein Stockwerk tiefer. „Abbauen, Abbauen!“, kommt von unten hoch. So ein Turm hat wohl doch einiges an Gewicht. Schnell bauen wir wieder runter. Wahnsinn, wir klatschen uns alle übermutig ab und umarmen uns. Unsere Erstbegehung von „World Trade Center“ (Grad: 4-stöckig).

Chimanimani war für uns ein besonderer Trip. Niemand von uns war bisher an einem Ort, der so viel unberührtes und hochwertiges Boulderpotential bietet. Doch nach ca. 1 ½ Wochen müssen wir aus diesem Paradies losziehen. Insgesamt haben wir um die 100 Erstbegehungen gemacht, um die 50 davon über 7A, und haben zwei komplett neue Sektoren eröffnet.

„Wie lange wird der Grenzübertritt zurück nach Südafrika morgen wohl dauern?“, ist die brennende Frage nach dem anstrengenden Abstieg. Keiner traut sich einen Tipp unter 5 Stunden abzugeben.

Am nächsten Tag zeigt sich, dass es selbst an dieser Grenze gute Überraschungen geben kann. In rekordverdächtigen 1,5 Stunden sind wir zurück in Südafrika.

Die letzten Tage lassen wir in dem Sportklettergebiet Waterfall Boven ausklingen. Hier zeigt sich, das zumindest bei einigen trotz des Boulderns die Ausdauer nicht zu stark gelitten hat. So beeindruckt Patrick alle mit einer schnellen Begehung von „Godzilla“ (8b) und einem Flash von „Jack of all Trades“ (8a). Jens zieht kurz später mit einer der wenigen Wiederholungen von „A Live in Orange“ (8c) nach.

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Video-Link: https://vimeo.com/303874880