Auf eine Tasse Kaffee mit Adam Ondra

Adam Ondra Interview kletterszene

Dass Adam nicht einfach irgendeiner dieser Profikletterer ist, merkst Du als hochdotierter Topjournalist schon daran, dass es von Seiten seines Hauptsponsors heißt: »15 Minuten habt Ihr Zeit, dann ist der nächste dran!« Adam läßt sich von all dem Trubel um seine Person nicht aus der Ruhe bringen. Gut gelaunt trotz entzündetem Handgelenk widmet er sich meinen Fragen.

Hannes: Lass uns loslegen! Wer ist Adam Ondra?

Adam: Ich denke, dass Adam Ondra hauptsächlich ein Kletterer ist. Wenn Adam Ondra kein Kletterer wäre, hätte ich keine Ahnung wer er eigentlich ist. Denn das Klettern hat mich so stark und auf so viele Arten beeinflusst.

Wie trinkst Du am liebsten Deinen Kaffee? 

Dieser Espresso hier am BD-Stand ist ziemlich gut (wir lachen beide, weil er so elegant seinen Sponsor erwähnt hat). Ich mag’s einfach so, ohne Milch oder Zucker. Du willst ja nicht den Geschmack des Kaffees durch irgendwelche Zutaten versauen. Ich mag die Dinge grundsätzlich pur.

Um gut zu klettern, braucht man eine Menge Fokus und Konzentration und eine gewisse Portion Seelenfrieden. Wie findest Du Entspannung in Deinem hochgetakteten Leben oder bist Du einfach ein von Natur aus entspannter Typ? Denn schließlich mußt Du ja den Geist entspannen können, damit auch der Körper zur Ruhe kommt.

Ich denke, dass der Schlüssel für mich ist neben dem Training gar nicht mehr so ans Klettern zu denken, denn dann wäre ich wirklich zu fertig. Definitiv nimmt das Training jede Menge Energie weg, und dann ist es eigentlich umso einfacher entspannt zu sein. Ich bin oft genug wirklich zu fertig, um nicht entspannt zu sein, you know. Es ist eher so, dass ich Zeit habe mir Gedanken zu machen, wenn es in Richtung der Wettkämpfe geht. Denn dann hast Du sowohl die Zeit als auch die Energie um nervös zu werden (lacht).

Seine Nervösität kontrollieren zu können, ist einer der Schlüssel für eine Topleistung. Hast Du Methoden an der Hand, um just diese Kontrolle auszuüben?

Ich denke, dass ich in der Lage bin es zu kontrollieren … aber manchmal funktioniert’s trotzdem nicht. Es gibt zwei Arten es zu kontrollieren: Entweder boostest Du Dein Selbstvertrauen, in dem Du Dir bewußt machst, dass Du Dich im Training perfekt vorbereitet hast. Es muß sich also in einem guten Ergebnis niederschlagen! Aber manchmal erzeugst Du mit einem solchen Denken auch zuviel Druck. Also könntest Du auch die Taktik anwenden, nicht bis ultimo zu trainieren um damit den Druck zu reduzieren. Und erzielst dann mit einer entspannteren Einstellung ein gutes Resultat. Dies ist jetzt im Moment definitiv nicht meine Herangehensweise. Ich will meine Zuversicht durch das Training stärken und das scheint für mich auch grad besser zu funktionieren. Jetzt, da ich mich für Olympia qualifizieren will.

Was baut Dich auf, wenn Du einen schlechten Tag hast?

Also grundsätzlich ist es so, dass ich nicht unbedingt nur für ein bestimmtes Ziel arbeite. I work hard because I like working hard. Und ich mag das Klettern außerordentlich. Also normalerweise trainiere ich sehr hart, aber das ist kein Opfer für ein größeres Ziel. Nur, wenn wirklich mal gar nichts geht oder die Bedingungen unterirdisch schlecht sind, denke ich mal über ein bigger goal nach. Aber diese Methode benutze ich wirklich nur sehr selten. Das Rezept ist – wie immer – sich auf den Prozess und die Freude daran zu konzentrieren, als immer nur an das Ziel zu denken. Wenn die Motivation nur zielorientiert ist, mag das für eine kurze Zeit funktionieren, aber ich glaube, dass das auf Dauer nicht funktioniert. Ich glaube nicht, dass Du ein Top-Athlet sein kannst, wenn Deine Movitaion nur zielorientiert ist. Oder Du mußt eine komplett verkorkste und neurotische Persönlichkeit haben (lacht).

Da stimm‘ ich Dir völlig zu. Das ist sowieso eine Metapher fürs Leben. Wenn Du nur für dieses eine große Ziel lebst, wirst Du wahrscheinlich nie irgendwas so richtig genießen können.

 Ich denk auch, dass total zielfokussierte Typen immer hoffen, dass das Erreichen des Zieles ihnen die ultimative Glückseligkeit bringt – aber das passiert wahrscheinlich niemals. Vielleicht mal ganz kurze Zeit.

Du kletterst sehr viel mit Deiner Freundin. Was sind die Vorteile, was die Nachteile?

Also erstmal ist es natürlich super, dass wir auf diese Art und Weise überhaupt viel Zeit miteinander verbringen können. Und dadurch, dass sie mich so gut kennt, weiß sie wirklich ganz genau, wann es Zeit ist mich anfeuern. Sie weiß absolut exakt wann es Zeit ist »come on!« zu sagen und wann es mir auch wirklich hilft. Und es mich nicht aus der Konzentration bringt. Es könnte sein, dass ich beispielsweise bei einem Wettkampf bin, bei dem tausende von Leuten einen Riesenkrach veranstalten. Ich höre dann wirklich nur diese Geräuschkulisse. Aber ihre Stimme erkenne ich selbst in so einem großen Publikum – denkt kurz nach – was ich ziemlich interessant finde!

Hast Du Deine Eltern stolz gemacht oder was sagen sie zu all Deinen Erfolgen?

Ich denk schon, dass sie stolz sind. Als ich klein war, sagten sie niemals solche Sachen wie »work hard, then you gonna be a world champion!«. Sie haben sogar ziemlich selten gesagt, dass ich etwas gut gemacht hatte.

Es mußte schon etwas ganz Besonderes gewesen sein, wenn sie mich lobten. Sie haben mir die Möglichkeit gezeigt, sie haben mich natürlich sehr unterstützt und jede Menge herum gefahren. Aber sie haben mich eben weder zu sehr gepusht noch haben sie mir ständig erzählt, dass ich was ganz tolles bin. Was, glaub ich, ein gutes Rezept für mich war, um bodenständig und low key zu bleiben.

Wenn Du eine bereits verstorbene Person aus dem Bergsport für einen Klettertag mit Dir wieder zum Leben erwecken könntest – wer wäre das?

Das ist total offensichtlich: Wolfgang! Als Kind war er mein Idol Nummer eins, weil ich ihn aus Heinz Zaks Buch »High Life« kannte. Außerdem war die Fränkische eines der ersten Gebiete, welches ich besuchte. Und schon ganz früh stand ich am Wandfuß von Wallstreet oder Action Directe und war ganz heiß drauf, diese Linien auch eines Tages zu klettern. Ich hab alles über ihn gelesen, was ich in die Finger kriegte. Außerdem hat mir jeder erzählt, dass er ein wirklich saunetter Typ gewesen ist.

Er war saunett. Ich hab sogar mal einen Tag mit ihm klettern dürfen, 1990 in einer Kletterhalle im belgische Antwerpen. Er war dort als Promi eingeladen und sicherte mich unter anderem in einer 6b, die ich ums Verrecken nicht hochkam. Ich glaub, dass war ihm aber ziemlich wurscht. Das schlimmste ist, dass mein Kumpel an dem Tag an der Kamera versagte und das Foto mit Wolfgang für immer nur in meinem Kopf sein wird. Aber immerhin hab ich ein Autogramm auf meinem Rucksack. (Adam lacht)

Hast Du irgendwelche geheimen Projekte?

Puuh, ich weiß definitiv von einigen machbaren Routen, die in der Range von 9b+ bis 9c sind. Ich brauche einfach die Zeit, um sie zu ticken. Einige davon sind in meiner tschechischen Heimat in der Nähe von Brno, andere sind in Arco, weitere in Flatanger und ich hab zwei Routen in der Red River Gorge eingebohrt. Aber es kommen ständig neue hinzu. Vor kurzem war ich im Balkan unterwegs und total begeistert von den Möglichkeiten dort.

Wie schaut’s mit dem Uraltprojekt »Chantier« in Buoux aus?

Ganz heißer Kandidat! Nur muß ich dafür besser an Fingerlöchern werden. Das ist eine Schwäche von mir. Und außerdem will ich da fit antreten und mich nicht verletzen. This project is waiting to be done.

Kürzlich stolperte ich über eine Begehung, die ich für eine Fake-Begehung halte. Denkst Du, dass wir irgendwann einen Videobeweis beim Klettern brauchen?

Sollte vielleicht nicht unbedingt eine zu Papier gebrachte Regel sein, aber ich denke, es ist heutzutage so easy eine Begehung zu dokumentieren, falls man etwas beweisen möchte. Oder falls es irgendwelche Zweifel gibt. Das bezieht sich natürlich nur aufs Sportklettern und Bouldern. Mehrseillängen zu dokumentieren ist wiederum ziemlich schwierig. Ich denke man sollte eher mehr über die Ethik sprechen, wenn sich mancher beispielsweise den dritten Haken vorklippt und damit eine Route leichter macht. Zumindest sollte man es sagen, wenn man derartige Erleichterungen einbaut.

Interessiert es Dich Deinen prominenten Namen in der Kletterwelt zu benutzen, um etwas Gutes damit zu bewegen? Beispielsweise hinsichtlich Nachhaltigkeit, Menschlichkeit oder eben der Ethik?

Auf jeden Fall. Ich fühl mich schon irgendwie verantwortlich. Ich hab bis dato nur keine ganz konkrete Idee wie ich das umsetzen könnte. Aber früher oder später komme ich mit was um die Ecke, da bin ich mir sicher.

Ich fänd’s super! Ein Grund, warum Wolfgang Güllich bis in die heutige Zeit wirkt, ist ja die Tatsache, dass er eine klare Meinung hatte und diese auch äußerte. Was sind Deine Top-3-Tracks, um härter anzureißen?

Also wenn ich klettere, kann ich nicht gleichzeitig der Musik lauschen.

Aber es wird doch was geben, was Dich g’scheit pusht nd antreibt, oder? Das Rocky-Theme oder so?

Das Intro von XX find ich sehr cool. Die Cranberries mag ich auch sehr gern.

 Was ist Deine herausragende Charaktereigenschaft aus Deiner Perspektive?

Prioritäten zu setzen. Es ist glaub ich sehr schwierig mich als Person zu charakterisieren. Ich bin beim Klettern bestens durchorganisiert, aber unglaublich messy in vielen anderen Bereichen. Nichtsdetotrotz kann ich mich sehr gut auf eine einzige Sache fokussieren und da dranbleiben. Könnte man mir auch als Nachteil auslegen, aber so insgesamt hilft mir das zumindest beim Klettern sehr.

Ich denke, dass das eine sehr gute Eigenschaft ist. Und was denkst Du ist Deine schlechteste Eigenschaft?

Adam (lacht): Da gibt’s sicherlich eine Menge … Aber ich denke, um mit sich selber zufrieden zu sein, sollte man auch nicht zu kritisch sein, oder? Frag lieber andere nach meinen miese Eigenschaften. Ich bin eigentlich ziemlich glücklich mit mir!

Offen gesagt denke ich, dass Olympia für 99,99 % aller Kletterer die Welt nicht großartig verändert. Denkst Du das auch oder glaubst Du, dass Olympia einen grundsätzlichen Einfluß aufs Klettern hat.

Also was das Outdoor-Klettern anbelangt, glaube ich das auch. Bezogen aufs Plastikklettern denke ich, dass es deutlich mehr Kletterhallen geben wird. Und damit deutlich mehr Softmover, so dass das durchschnittliche Kletterniveau bestimmt sinken wird (lacht). Aber es wird eben auch eine viel größere Auswahl an Gyms all over the world geben. Im Großen und Ganzen bin ich ziemlich positiv.

Das bin ich auch. Von einer krassen Professionalisierung wurde schließlich schon Anfang der 90er gelabert. Zum Beispiel, dass sich Kletterer zwischen Fels und Plastik entscheiden müßten, um in der jeweiligen Disziplin vorne dabei zu sein. Bis jetzt kann doch davon nur wenig die Rede sein, auch wenn es natürlich schon damals Leute wie Francois Legrand gab, für dien die Wettkämpfe oberste Priorität hatten. Nichtsdestotrotz hat auch Francois für die damalige Zeit sehr schwere Felsrouten geklettert.

Was ist Dein letztes Wort an die Kletterszene LeserInnen?

 Go out and climb!