Wir waren wieder unterwegs [Bericht von Thomas Huber]

Thomas Huber berichtet über die Expedition ins Karakorum, die wir gestern Mittag schon als NEWS veröffentlicht haben. Dies möchten wir Euch natürlich nicht vorenthalten.
Alexander im perfekten Handriss der fünften Seillänge (VII).
Thomas Huber:

Wir waren wieder unterwegs. Nach der erfolgreichen Antarktisexpedition ging unsere Reise nach Pakistan. Sieben Wochen Expedition im Karakorum, Trango-Gruppe, Nameless Tower, an einer der „schönsten“ Routen der Welt, „Eternal Flame“. Vor genau 20 Jahren hatten Kurt Albert, Wolfgang Güllich, Milan Sykora und Christoph Stiegler dieses Juwel in dieser wilden Gebirgswelt erstbegangen. Damals kletterten sie gut 80% der Route frei, Risse wie im Yosemite Valley, im kompakten orangefabenen Granit, bis zum oberen achten Grad, nur wenige Seillängen in technischer Kletterei und das auf über 6000 Meter. Ein Meilenstein im Alpinismus! Die Namen Güllich und Albert, die Fotos der Erstbegeher und die Berichte der ersten Wiederholer haben dazu beigetragen, dass „Eternal Flame“ zu einer der berühmtesten hochalpinen Kletterouten der Welt wurde.

Im Jahr 2003 kletterte Denis Burdet zwei der vier technischen Seillängen frei, bis zum Schwierigkeitsgrad 9+. Dennoch musste „Eternal Flame“ auch jetzt noch auf die erste Rotpunkt-Begehung warten, denn die zehnte Seillänge mit ihrer Bohrhakenleiter konnte nur technisch überwunden werden. Und auch der Pendelquergang in der zweiten Seillänge wehrte sich mit vier Metern strukturlosem Granit. 2005 wurde ein weiterer, kleiner Mosaikstein hinzugefügt: Der Spanier Iker Pou fand eine Lösung zum Problem der zehnten Länge: Er entdeckte eine Möglichkeit, die Bohrhakenleiter rechts zu umgehen. Er konnte bei Schwierigkeiten bis zum unteren zehnten Grad alle Kletterzüge im Toprope entschlüsseln. Widrige Bedingungen verhinderten jedoch den Vorstieg in freier Kletterei.

Am 24. Juli 2009 kamen wir im Basislager an. Wir: Franz Hinterbrandner (Kameramann), Mario Walder, Alexander und ich. Und wir hatten ein unglaubliches Glück. Das Wetter war bisher eher schlecht gewesen und es gab sehr viel Schnee. Doch wir hatten das Glück, Schönwetterbergsteiger sein zu dürfen. Nach zehn Tagen war unser Lager 2 auf der Sonnenterasse etabliert. Unsere Neugier lies uns sofort in die Wand steigen. Der strukturlose Granit am Quergang sah so aus wie es eben war: strukturlos! Aber es gab noch eine andere Möglichkeit. Vom Beginn des Quergangs ca. 30 Meter gerade hoch an feinen Rissen und dann ein plattiger, aber doch strukturierter Quergang in das Risssystem von „Eternal Flame“. Und das klappte. Wir nannten die beiden Seillängen: „Come on Baby“ und „Light my Fire“ – maximal VIII+.

Drei Tage hatten wir eine gute Rast im Basislager, das Wetter war schlecht, bis unser persönlicher Meteorologe, Karl Gabel von der Wetterwarte Innsbruck, für die kommende Woche perfektes Wetter meldete, mindestens 6 Tage! Früh am Morgen, um drei Uhr starteten wir, sechs Stunden später erreichten wir unser Lager auf der Sonnenterasse. Kurze Pause dann ging’s gleich weiter. Erst Mario, der kletterte meist immer vorne weg, fixierte die Seile für Franz, der wiederum filmte und fotografierte uns beim Durchstieg. (Keine Seillänge wurde wegen Film und Fotoaufnahmen doppelt geklettert. Alle Bilder und Filmaufnahmen entstanden unter ‚Livebedingungen’!)

Die erste Seillänge, nur ein Vierer, Alexander fing an. Unser Ziel war die Rotpunkt-Begehung, d.h. in wechselnder Seilführung wollten wir als Seilschaft, im Vorstieg wie im Nachstieg, alle Seillängen frei und ohne Sturz von Stand zu Stand klettern. Eben ganz einfach und logisch. Jetzt kamen die neuen Seillängen der Umgehung zum Pendelquergang der zweiten Seillänge. „ Come on Baby“, Rotpunkt, „Light my Fire“, ein 20-Meter-Quergang, Rotpunkt, und noch eine kurze Risseillänge: „Come Together“. Dann waren wir wieder auf der Originalführe. Und wir kletterten noch weiter. Noch einmal drei Seillängen bis das von oben kommende Schmelzwasser das Klettern unmöglich machte. Das war ein perfekter Start!

Der nächste Tag:
Zum Aufwärmen stiegen wir erst mal an den Fixseilen auf. Die erste Seillänge war eine VII+, nicht schwer, aber verfeinert mit einer Eisglasur wurde sie zu einem würzigen kleinen Abenteuer. „Eternal Burning“, die zehnte Seillänge, der Schlüssel zum Erfolg. Hier hatte Iker Pou die freie Variante eröffnet. Ein Plattenquergang, ein maximalkräftiges Boulderproblem, führt in einen komplett vereisten Riss. Ab zwei Uhr hätte sich dieser Eispanzer in einen Wasserfall verwandelt. Gut gemeint, aber nur bedingt realisierbar. Vier Meter rechts fanden wir eine Rissspur, die nach 20 Metern in den trockenen Teil des Risses von der Pou-Variante führte. Die erste Länge nannten wir „Wish you were here“ und die zweite “Burn for you“, beide im neunten Grad. Mit einer weiteren Achter-Seillänge, einem perfekten Handriss, hatten wir auch den zweiten Tag erfolgreich abschließen können.

„Light my Fire“. Alexander im Quergang, der die Umgehung des Pendelquerganges der zweiten Seillänge ermöglichte (VIII+).

Tag 3:
Vielleicht der Gipfeltag? Die ersten drei Seillängen vom großen Band waren kein großes Problem. Traumseillängen, beste Handrisse, dann aber die Ernüchterung. Vielleicht nur 15 Meter hoch, dafür sehr dünn, zog leicht überhängend der mit IX+ bewertete Fingerriss hinauf. Eine Hürde, die sich nicht so leicht überwinden ließ und die uns viel Zeit kostete. Nach einer intensiven Bouldersession konnten wir das Problem dann aber doch knacken. Dafür gab uns dann die anschließende Neunerseillänge den Rest. Letztendlich stiegen wir sie noch durch, den Gipfeltag mussten wir jedoch auf den nächsten Tag verschieben. Aber wir dachten uns nur: „Was soll der Geiz, das Wetter muss laut Charly noch mindestens zwei weitere Tage super sein, und der hat ja immer recht!“

Tag 4:
Noch zwei Achter-Risse, dann leicht zum Gipfel. Zu viert waren wir da: Mario, Franz, Alexander und ich. 6251 Meter zeigte unsere Suunto Core an. Um uns die Giganten des Karakorum, in uns ein großes Erlebnis. Es klang wie ein Rocksong der vor genau 20 Jahren geschrieben wurde, von unseren großen Idolen Wolfgang Güllich und Kurt Albert. Und jetzt hatten wir die Ehre, ein paar Passagen zu ergänzen, Rock ‚n’ Roll im wilden Karakorum: „Come on Baby, light my fire! Let’s come together! Darling, do you feel my heart beating? Hey, do you feel the same? Am I only dreaming? I wish you were here, I burn for you! I watch you when you are dreaming, you belong with me. Say my name. Sunshine through the Rain, a whole Life so lonely. Ease the Pain! I don’t wanna lose this Feeling , it’s the Eternal Flame!” – eine Liebeserklärung für einen ganz besonderen Moment.

Text: Thomas Huber, Sonja Güldner-Hamel PLANET TALK GmbH und dann auch noch kletterszene.com   Fotos: Hinterbrandner / Huberbuam.de

  • Beitragsdatum 2. Oktober 2009