Wettkampfklettern im fortgeschrittenen Alter…. [Climb F.R.E.E]

Der ganz subjektive Wettkampfbericht aus den Augen des Titelverteidigers:

img_0061Die Geschichte beginnt eigentlich schon im Januar, in dem man als potentieller Teilnehmer schon schauen muss, dass man einen der begrenzten und deshalb auch begehrten Startplätze beim Climb Free – dem ersten Wettkampf der Oberlandcupserie – bekommt.

Danach immer wieder die Liste anschauen – kennen wir irgendeinen? Nö – hat aber auch nichts zu sagen. Erstens kenne ich ausser meinen Bekannten kaum jemanden, zweitens kommen ständig neue starke Jugendliche aus ihren Trainingskellern…

Die Vorbereitung: Wie bereitet man sich ordentlich auf so einen Wettkampf vor? Einen Absturz auf der am Vorabend stattfindenden Bouldernight in Landshut zu riskieren, erschien mir nicht wirklich angemessen und so bin ich am Vorabend nur nach Freising gegangen, um mir dort noch etwas Mut in Form von zwei Bierchen anzutrinken.

Dumm nur, dass das Bier am nächsten Morgen verhindert, früh um 7 putzmunter aus dem Bett zu hüpfen und tschakka zu rufen. Und so besteht die erste Herausforderung an diesem Morgen, den Knitterlook im Gesicht abzulegen, den Kreislauf zu bitten, dass er möglichst innerhalb der nächsten Stunde sich mal etwas vom Boden erhebt und irgendwie vor 9 an der Messe in München zu erscheinen.

Ok, 9 Uhr, eingecheckt – über den Moderator gewundert, wie man um die Zeit schon so gut drauf sein kann, die Boulder von img_0083weitem angeschaut, das Teilnehmerfeld und die Konkurrente abgecheckt und das wichtigste: ein bisschen rumgejammert, um die Erwartungen zu dämpfen.

Da der Kreislauf bis jetzt auf gutes Zureden nicht reagierte, muss ich ihm halt Befehlen: „steh auf, du faule Sau“ – is ja gut, rauchen wir erst mal eine…

Zuschauen. Gedanken machen. Strategie entwickeln. Shit: Es gibt nur eine Strategie: „alles flashen“ Die Boulder sind zu leicht, jeder Boulder wurde bereits mehrfach geflasht, leider hab ich den Überblick über die Konkurrenten verloren und nun geht’s ans Aufwärmen. Das komplette Seniorenprogramm mit Theraband, Thera-knete und Dehnen wird durchgezogen, nach ner weiteren Stunde – also zur Qualihalbzeit fühle ich mich endlich fit. Gut, suchen wir uns mal einen mittelschweren Boulder, den ich nicht zwingend flashen müsste, zum lockermachen. Verdammt, zu lange Wartezeiten – scheint beliebt zu sein. Gehen wir zum nächsten – der schaut gut aus, den haben gerade Mädels geklettert. Nach bereits drei Zügen droht mir mein Chauvinismus schon auf die Füße zu fallen – „Gas geben, Alder!!“ , ein autosuggestives „der Griff ist groß , der Griff ist groß“ – phu. Glück gehabt. Alles noch im strategischen Rahmen. Die nächsten Flashs gingen dann so lala, der Druck wurde zwar immer größer, aber ich auch immer lockerer in den Bewegungen.

Simg_9639chon wieder über den Moderator gewundert, wie man nach drei Stunden Entertainment noch so gut drauf sein kann…

Zettelabgabe, Messe anschauen, in die Sonne stellen, über die Sinnhaftigkeit der ganzen Aktion nachgrübeln und an die Kumpels denken, die soeben an irgendeinem sonnigen Felsen abhängen, Qualigerbnisse anschauen, gewählte Strategie für richtig befunden (mit 2 Nichtflashs war man schon nicht mehr im Finale).
Dann kam der härteste Teil des Tages – die Isolation. Für einen vielbeschäftigten Menschen, der praktisch nie Zeit hat sind drei Stunden Leerlauf ne echte Herausforderung!
Was solls: quatschen, Zeitung lesen, essen, trinken, rumjammern, die Konkurrenten fragen, wieso sie nicht bei den Jugendlichen gestartet sind, aufwärmen, rausgehen, vorstellen.

Das Finale: fand erstmal mit reduzierter Besetzung statt, weil ein Kandidat anstelle in die Iso zu gehen, sich lieber die Messe angeschaut hatte – Disqualifikation. Naja – wenn man gewinnen will, muss man auch die Fehler anderer wie ein Mann wegstecken. Der Modus: 3 Boulder, 4 Minuten Zeit zum Anschauen und Bouldern, dann vier Minuten Pause. Keine Pluszeit. Mein Lieblingsmodus, weil hier jeder Fehler sofort bestraft wird und die Crux darin besteht, innerhalb von einer Minute den Boulder zu lesen, zu verstehen, die ideale Bewegungsabfolge zu entschlüsseln und mental auch gleich zu klettern.
Action: Jedenfalls durfte ich als zweiter starten und musste mit ansehen bzw. an den Reaktionen des Publikums anhören, dass der erste Starter jeden Boulder weggeflasht hat. Da steigt der Druck von ganz allein.

Der Moderator – immer noch in Höchstform – war in der Beziehung auch keine Hilfe, nannte er doch meinen Namen stets in Verbindung mit dem Begriff img_9513Favorit“.

Jedenfalls konnte der Kollege, der als letztes gestartet ist, mit einer brachialen Oberarmtechnik den letzten Boulder auch noch flashen und so mussten wir beide ins Superfinale. Versucht der Bub mich doch in der Zwischeniso zu beeindrucken und zeigt mir seinen Oberarm. Hammer! Ich hab ja schon Bizeps gesehen, aber das Ding sollte wohl mal ein Bein werden. Leider konnte ich nichts entgegen setzen und mein Hinweis auf den wichtigsten Muskel beim Klettern und dass er bei mir einigermaßen ausgeprägt sei, verhallte wirkungslos.

Gut, Showdown, letzter Boulder – hier muss jetzt eine Entscheidung fallen. Ich durfte zuerst: Analyse, Varianten mental klettern, die beste versuchen. Top! Yes! Ok Mr. Bizeps – jetzt wird’s ernst! Oh nein! Er hangelt die ersten zwei Züge locker weg, um – Oh ja! – sich bereits einen Zug weiter zu verklettern und abzutropfen. Sieg!

img_9905Hat der Moderator – nach wie vor in bester Laune und mit fester Stimme – mal n richtigen Tip abgegeben.

Der Rest ist schnell erzählt: Siegerehrung, Hände schütteln, Crashpad einsacken, fürs Foto grinsen, heimfahren, stolzen Sohn glücklich machen und ihm das Crashpad vermachen, Bierchen öffnen, Prost, feiern.

Ergebnisse: Männer 40+ | Damen 40+ | Männer | Damen | Kinder weiblich | Kinder männlich | Jugend weiblich | Jugend männlich

Text: Thomas Franze, kletterszene.com Quelle: DAV München Fotos: Nick Stand

  • Beitragsdatum 4. März 2011