Ueli Steck spricht über seine Speedbegehung am Shisha Pangma [Ein perfekter Tag]

Warum sollen wir uns was aus den Fingern ziehen, wenn wir nicht dabei wahren und erst recht keine Ahnung haben, wie sich 8000 Meter über dem Meer anfühlen. Solang es kein Bouldergebiet in dieser Höhe das man mit einem Aufzug/ Lift erreichen kann, werden wir es auch nie erfahren. Deshalb überlassen wir das, den Jungs und Mädels, die davon Ahnung haben.

Über seinen neuen Rekord haben wir ja schon geschrieben, finden es aber persönlich interessant, was er selbst zu diesem Tag / dieser Aktion sagt. Deshalb möchten wir es Euch auch nicht vorenthalten.

Ueli Steck schreibt folgendes auf seiner Seite:

Perfekte Tag

Es war ein vollkommener Tag, einfach alles hat gepasst. Der Mond hat die Wand bis kurz vor Tagesanbruch beleuchtet. Das Wetter war perfekt, -12 °C auf 8000 Meter, so früh im Jahr, das ist kaum zu glauben. Ich hatte nicht geplant, auf den Gipfel zu gehen. Ich hatte auch nicht geplant, die Shisha Pangma Südwand solo zu klettern. Nein, ganz und gar nicht. So etwas lässt sich nicht von langer Hand planen. Ich habe mich bewusst entschieden, nicht mehr solo zu klettern. Denn ich bin mir sicher, irgendwann käme der fatale Fehler. Aber heute, heute war es unausweichlich. Dabei hat es sich gar nicht angefühlt wie ein Solo. Ich war fast 20 Stunden am Berg, schöne Stunden. Für mich der ideale Tag, die ideale Begehung. Genau das, was Bergsteigen schön macht. Es war anstrengend, aber ich musste nicht leiden. Es war anders als am Makalu. Ich hatte weder Kopfschmerzen noch Brechreiz, nur am Schluss etwas Durst, aber auch da hätte ich mir eine halbe Stunde Zeit nehmen können, um Schnee zu schmelzen. Aber der Durst war erträglich, sonst hätte ich es getan.

Ich habe mich den äusseren und inneren Bedingungen angepasst. Nach knapp 20 Stunden war ich robfrost_www-himalayaspeed-com_ueli-jpegwieder in meinem Schlafsack im ABC. Ich realisiere es noch gar nicht. Alles ging zu schnell und zu einfach. Im Nachhinein wird von Rekord gesprochen. Die Leute wollen wissen, welche Route ich geklettert bin. Ich hatte keine Ahnung, ich musste selbst schauen, wo ich durchgeklettert bin. Ich weiss nur, dass ich auf der Britischen Route gestartet bin, den Rest habe ich nach Gefühl entschieden. Die Zeit, zu der ich den Bergschrund überschritten habe, die hat mir Don später genannt. Er hat mich beobachtet. Auf dem Gipfel habe ich auf die Uhr geschaut, weil ich wissen wollte, wie viel Zeit ich noch zur Verfügung habe, um abzusteigen. Ich war erleichtert, mir blieb noch viel Zeit. Trotzdem, ich kannte den Abstieg nicht, darum bin ich sehr wahrscheinlich keine 5 Minuten da oben gewesen. Ich wollte wieder zurück. ABC war mein Gipfel, den habe ich um 18.30 Uhr erreicht. Was für eine Erleichterung.

Jetzt bin zurück in Nyalam, exakt sieben Tag später. Ich würde am liebsten nach Hause fahren. Nein, nicht weil ich es leid bin. Aber kann ich noch einen 8000er mit einem ähnlich guten Gefühl besteigen? Ohne zu leiden, einfach nur spüren, wie alles aufgeht? Im Moment sehe ich das als Höhepunkt. Ich denke, ich kann das nicht mehr toppen, eine solche Wand, solche Bedingungen. Ich spürte eine enorme Leichtigkeit, diese Leichtigkeit, ich denke, sie ist der Lohn des Trainings. Es hat mir einfach Spass gemacht, zu steigen. Ein ungeplanter, aber perfekter Tag.

Hier in Nyalam spüre ich noch eine grössere Befriedigung. Ich habe Zeit, über viele Dinge nachzudenken. Und ich weiss, wie ehrgeizig ich bin. Ich spüre, dass ich mich aus dieser Situation befreien muss. Leute erwarten von mir immer mehr. Ich habe noch einmal mehr erreicht. Genau 3 Tage nach meinem Gipfelerfolg klettert Daniel Arnold in 2h 28min die Eigernordwand. 19 Minuten schneller als ich. Ich wusste es und ich habe es immer gesagt, der Moment kommt. Er hat im Hinterstoisser-Quergang und nach dem Quarzriss Fixseile benutzt, ich habe alles frei geklettert. Er ist im Frühjahr geklettert, ich im Winter. Es lässt sich kaum vergleichen, für den einzelnen Bergsteiger bleibt das Erlebnis einzigartig. Für den Aussenstehenden zählt das Vergleichbare, die Zeit.

Die Gefühle, die Eindrücke, das ist es, was wirklich zählt. Ich bemühe mich, Bergsteiger zu inspirieren, neue Ideen zu bringen. Was ich mache, können andere auch, und noch viel besser. Ich werde nicht versuchen, diesen Rekord zu brechen.
Ich habe mein nächstes Ziel ein paar Tage zuvor erreicht. Ich habe die Effizienz genutzt, an einem 8000er. Alles, was auf dieser Expedition noch kommt, kann ich gelassen angehen, ich bin zufrieden. Ich kann nicht mehr erreichen, nur noch den nächsten Gipfel, um danach wieder abzusteigen und von vorne anzufangen. Im Moment habe ich das Gefühl, mit dem Shisha Pangma den Zenit erreicht zu haben, aus sportlicher Sicht. Es ist wichtig, irgendwann zufrieden zu sein. In meinem Herzen bin und bleibe ich Bergsteiger, es gibt noch viele Ideen. Aber für mich ist der Punkt erreicht. Höher und schneller geht es für mich persönlich nicht mehr. Aber vielleicht kann ich auch in Zukunft inspirieren!

Text: Ueli Steck, kletterszene.com

  • Beitragsdatum 3. Mai 2011